Juristin und Politikerin Lore-Maria Peschel-Gutzeit starb am 2. September im Alter von 90 Jahren. Wir erinnern an ihre erfolgreiche feministische Arbeit und ihr Lebenswerk, für das sie 2021 beim EMOTION Award ausgezeichnet wurde.
Wir müssen mit einer Anekdote beginnen, die Lore-Maria Peschel-Gutzeit gelegentlich erzählt hat. Also: als junge Richterin am Landgericht Hamburg wollte sie eine andere Kammer kennen lernen, nämlich die Pressekammer. Der für Personalfragen zuständige Präsidialrichter sagte ihr über den Chef dieser Abteilung diesen Satz: "Der nimmt keine Frauen."
Wir sind in den 60er-Jahren, wie Sie ahnen können. Richterin Peschel-Gutzeit ging zu dem Mann und sagte: "Ich höre, Sie hätten so gern eine Frau in Ihrer Kammer. Ihnen kann geholfen werden." Der Mann, erzählt sie später, war "richtig platt, bellte ein bisschen herum" und bot ihr einen Sherry an, um 10 Uhr morgens.
Die Geschichte erhellt vieles über die feministische Geschichte der Bundesrepublik, welche Rolle Lore-Maria Peschel-Gutzeit dabei gespielt hat, und wie sie dabei Erfolge erzielt hat. Für sie waren taktisches Geschick und die Bereitschaft zum Verhandeln wesentlich, um Bastionen zu erstürmen. Im konkreten Fall trank sie heldenhaft diesen Sherry und ließ den Richter selbst erkennen, dass er keine Argumente hat. Sie bekam die Stelle.
Lore-Maria Peschel-Gutzeit hat sich jederzeit verbündet mit Frauen, denen der Kompromiss nicht so sehr lag. Wir wollen nicht aufrechnen, wer was bewirkt hat, aber womöglich hat Peschel-Gutzeit mehr bewirkt als manche prominentere Kämpferin.
Dass die Anekdote so heute nicht mehr spielen könnte – wir möchten uns den Shitstorm gegen den Sherry-Freund gar nicht ausmalen – ist ganz wesentlich ihr zu verdanken. Sie hat als Anwältin, als Richterin, dann als Justizsenatorin in Hamburg und in Berlin viel getan für die Durchsetzung von Frauenrechten, für die Veränderung des Systems in ihrem juristischen Metier.
Eines der Mittel, das sie genutzt hat, noch bevor sie in die Politik ging, war die Organisation von Frauen. Der Deutsche Juristinnenbund ist ein Zusammenschluss von Frauen in der Welt der Justiz. Mit diesem Bund im Rücken setze sie die Einführung von Teilzeitarbeit und Familienurlaub im Beamtenrecht durch, das entsprechende Gesetz wird bis heute, und mit vollem Recht, "Lex Peschel" genannt.
Verehrte Lore-Maria Peschel-Gutzeit, einen Sherry können wir gerade nicht anbieten. Aber wir verneigen uns mit Bewunderung und Dankbarkeit.
Mehr Themen: