Steile These – das Finanz-Coach-Couple Marielle und Mike Schäfer ist überzeugt: Gleich beim ersten Date über Geld zu sprechen, ist der Schlüssel zu einer glücklichen Beziehung. Finanzielle Gleichberechtigung ist die beste Paartherapie.
"Love & Money", so heißt das neue Buch von Marielle und Mike Schäfer. Es ist ein Rundumschlag zum Thema Geld in der Beziehung. Vom ersten Kuss zur ersten Million, wie die Autor:innen versprechen; aber auch für Menschen, die es nicht zu Reichtum bringen wollen, sondern einfach als Paar nicht im Geldzwist stranden wollen. Denn der steht ins Haus, wenn Paare nicht ein paar Tipps beherzigen. Welche das sind, haben Marielle und Mike Schäfer, die als Beziehungsinvestor:innen seit Jahren Paare coachen, auf fast 400 Seiten aufgeschrieben. Uns haben sie im Interview verraten, wie auch ihre Beziehung fast an Geldstreitereien gescheitert wäre und was ihnen am Ende geholfen hat.
EMOTION: In eurem Buch empfehlt ihr, am besten schon beim ersten Date über Geld zu sprechen, bei der Hochzeitsplanung auch die finanziellen Folgen einer Scheidung einzuplanen und schon direkt auch über Tod und Erbe zu sprechen. Muss das denn sein? Liebe ist doch so viel größer und wichtiger als Geld.
Mike: Liebe und Geld gehören zusammen. Geld ist ein wichtiger Punkt, um in einer Beziehung auf Augenhöhe miteinander reden und miteinander leben zu können.
Marielle: … egal ob man will oder nicht. Es gibt Leute, die sagen: Geld spielt in unserer Beziehung keine Rolle. Das kann man sagen, aber ich würde es in Zweifel ziehen. In unser aller Leben spielt Geld eine Rolle, wir leben in einem System, in dem Geld wichtig ist und in dem unser Leben anders verläuft, je nachdem ob wir Geld haben oder nicht, und ob wir darüber reden oder nicht. Auch unsere Beziehungen verlaufen unterschiedlich, je nachdem ob wir Geld zum Thema machen oder nicht. So gibt es Statistiken, aus denen hervorgeht, dass Ehen, in denen nicht so viel über Geld gesprochen wird, häufiger geschieden werden.
Marielle und Mike Schäfer nennen sich Beziehungsinvestor:innen. Sie haben 2016 ihren Blog gestartet, die ersten Coachings haben sie 2018 gegeben. Mittlerweile sind die beiden verheiratet, Eltern von zwei Jungs, Immobilienbesitzer:innen und Finanzprofis. Sie bieten auch Elternzeit-Mentorings und Kinderfinanzkurse an. Der Ratgeber "Love & Money" ist im Februar 2023 erschienen.
Wie seid ihr beide denn überhaupt mal darauf gekommen, dass das Thema Finanzen so ein wichtiges Thema in Beziehungen sein könnte? Viele Menschen sehen das gar nicht so…
Marielle: Bei uns wurde Geld zum Thema, weil wir sehr unterschiedliche Hintergründe haben und unterschiedlich mit Geld umgegangen sind. Für uns war das der Scheidepunkt: Entweder wir finden einen gemeinsamen Weg, um über Geld zu sprechen und damit umzugehen. Oder wir trennen uns.
Mike: Und wenn wir uns damals getrennt hätten, hätten wir niemals gesagt, dass Geld daran Schuld ist, sondern unterschiedliche Lebenseinstellungen. Aber in der Rückschau wird sehr, sehr klar, dass gerade in dieser Kennenlern- und Zusammenzieh-Phase das Thema Geld viel Konfliktstoff barg. Ich war sehr deutlich von Marielle abhängig, die durch ihr duales Studium schon verlässlich Geld verdiente, während ich als Student selbstständig als Trainer tätig war und nur Geld verdiente, wenn ich auch Stunden geben konnte. Und gleichzeitig war die Aufteilung, die wir gemacht haben, nicht wirklich fair. Dazu kam es, weil wir dieses Thema in der ersten Zeit ausgespart haben, dabei wäre es so wichtig gewesen darüber zu reden. Beim Zusammenziehen entstehen die ersten finanziellen Abhängigkeiten, ob man will oder nicht.
In eurem Buch beschreibt ihr die größten Fehler in dieser Phase und wie man sie vermeidet. Damals wart ihr also auch selbst noch nicht so weit?
Marielle: Genau, ganz klar nein. Wenn wir das heute so von einem anderen Paar hören würden, würden wir sagen: Alarmglocken! Das ist ein Prozess und wir machen bestimmt auch heute nicht alles richtig.
Was ist euer wichtigster Tipp?
Marielle: Das Allerwichtigste – und das haben wir damals noch nicht so hingekriegt: über Geld reden!
Mike: Ich würde das erweitern: über das reden, was mir wichtig ist – und erstmal ganz bewusst nicht über Lösungen. Das führt nämlich häufig in die Irre – Paare reden über Anschaffungen. Oder: Ich möchte, dass wir ein gemeinsames Konto haben. Oder: Ich möchte in Elternzeit gehen. Aber diese Art des Redens begünstigt, dass Konflikte im Raum stehen und sich die Fronten verhärten. Der bessere Weg: Sich gegenseitig erzählen, welche Bedürfnisse man hat. Was ist mir wichtig, was wünsche ich mir? Erst wenn man sich darüber ausgetauscht hat, beginnt die gemeinsame Suche nach Lösungen.
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Wie gelingen Austausch und Problemlösung am besten?
Mike: In unruhigen Phasen, wenn wir merken, dass wir ruppiger miteinander werden, setzen wir uns hin und schreiben unsere Bedürfnisse auf Post-its. Immer ein Bedürfnis pro Post-it: Etwas, das mir wichtig ist oder das ich mir wünsche. Die Post-its verteilen wir auf dem Tisch und lassen sie dort liegen. So haben beide Zeit, sich das in Ruhe anzusehen. Häufig kommt dann schon der Aha-Moment. Und es kommen Fragen: Was meinst du da? Warum ist dir das wichtig? Das hilft, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und eine angespannte Situation zu deeskalieren. Im nächsten Schritt schauen wir, welche Bedürfnisse am wichtigsten sind und finden gemeinsam Lösungen dafür: Wie lässt sich das umsetzen, wie passt das in unseren Alltag, mit den Kindern oder unserem Beruf? Oder eben mit unseren Ausgaben.
Habt ihr ein Beispiel?
Mike: Als wir zusammengezogen sind, war es Marielle total wichtig, dass wir alle Kosten fair aufteilen und alles transparent und übersichtlich ist.
Marielle: Ich wollte keinesfalls das Gefühl haben, dass ich ihn aushalte. Ich wollte, dass wir beide fifty-fifty reinzahlen, auf Augenhöhe.
Mike: Genau, und mir war wichtig, dass ich mit den Ausgaben keine Arbeit habe. Marielle hatte vorgeschlagen, dass wir eine Liste mit unseren gemeinsamen Ausgaben führen und dann am Monatsende abrechnen. Mir war das lästig und ich habe das nur sehr schlampig gemacht. Mir war es auch nicht so wichtig, dass es exakt fifty-fifty ist. Ich dachte, wenn das ungefähr so passt, ist das fein für mich. Ich wollte, dass es einfach läuft. Deshalb gab es immer wieder Streit.
Die Post-it-Methode hat uns tatsächlich in dieser etwas schwierigen Zusammenzieh-Phase geholfen. Wir haben alle Punkte aufgeschrieben – und dann erstmal nichts gemacht. Wir hatten keine Lösung. Wir haben uns Zeit gegeben. Und nach ein paar Tagen kam Marielle mit einer Idee um die Ecke: ein Gemeinschaftskonto, auf das wir zu gleichen Teilen einzahlen und auf das wir beide Zugriff haben. Das war die Lösung für meinen Wunsch nach wenig Aufwand und Marielles Wunsch nach Transparenz und fifty-fifty. Wir haben das ausprobiert und festgestellt: Hervorragend, alles, was wir uns gewünscht haben, ist erfüllt.
Marielle: Bei unserer Hochzeitsplanung sind wir auch so vorgegangen. Bei unserer zweiten Elternzeit haben wir sogar unsere Arbeitgeber einbezogen und deren Wünsche und Vorstellungen abgeholt. Was sind Prio-Projekte, wann würden Elternzeit-Monate am besten passen. Auf der Basis haben wir ein Modell erarbeitet. Das hat in der Elternzeit dann auch richtig gut funktioniert.
"Wenn ich vom Einkommen des Partners abhängig bin, sage ich nicht, ich gehe, wenn die Beziehung nicht mehr funktioniert. Da kann dann niemand mehr sagen, Geld spielt keine Rolle."
Eure Empfehlung lautet Elternzeit auf Augenhöhe. Das Ernährer-Hausfrauen-Modell, die häufig gewählte traditionelle Aufteilung, findet ihr gefährlich. Warum?
Marielle: Das Modell an sich ist völlig fein, wenn man sich als Paar dafür entscheidet und es zu den eigenen Bedürfnissen passt. Wir bezweifeln allerdings, dass rund 95 Prozent der Eltern in Deutschland dieses Modell wählen, weil es zu ihren Bedürfnissen passt.
Mike: Umfragen zeigen: Die Hälfte der Paare wünscht sich Elternschaft auf Augenhöhe, gleichberechtigt, die Verantwortung wird auf beide Schultern verteilt. Die Realität ist aber: Mehr als 93 Prozent der Frauen bleiben nach der Geburt mehr als ein Jahr lang zu Hause, aber weniger als drei Prozent der Männer. Das passt nicht zusammen, da stimmt was nicht. Häufig schlittern Paare im Autopiloten da hinein, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen und was das mit ihnen macht.
Marielle: Es fehlt das Wissen über Alternativen. Das Ernährer-Hausfrauen-Modell ist als Standard bei uns in der Gesellschaft fest verankert. So fest, dass sogar die Elterngeldstelle überrascht ist, wenn man was anderes macht. Wir haben das selbst erlebt, hören es aber auch von den Teilnehmer:innen unserer Coachings: Ein Paar wählt ein anderes Modell als zwölf Monate für die Mutter plus zwei Monate für den Vater und die Elterngeldstelle hat lauter Rückfragen. Am Ende wartest du dann dreimal so lange, bis dein Antrag bearbeitet ist, nur weil du nicht den Standard wählst. Unser Gesetz zu Elterngeld und Elternzeit ist eigentlich gut. Es gibt viele Freiheiten, es ermöglicht viele unterschiedliche, auch sehr gleichberechtigte Modelle. Aber den Leuten fehlt das Wissen, wie sie diese Gesetze verstehen können und was möglich ist.
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Mike: Dann entstehen durch Schlagwörter auch noch Mythen. Da sind die Partnermonate, die es extra gibt, wenn beide mindestens zwei Monate zu Hause bleiben. Aber aus Partnermonaten wurden Vätermonate, der Begriff hat es sehr schnell sogar in den Duden geschafft. Das führt zu der Überzeugung, dass das Vätermonate sind, und Väter nur zwei Monate nehmen dürfen und nicht zwölf. Was dann wieder begünstigt, dass man dieses Modell wählt. Das kritisieren wir. Grundsätzlich geht es ja nicht nur um die Entscheidung, wie man sich im ersten Lebensjahr des Kindes aufteilt, sondern um die Folgeentscheidungen, deren Auswirkungen sich bis zum Tod ziehen. Dass häufig die Frau weiterhin zu Hause bleibt, während der Mann arbeiten geht – und die Frau große Einkommensverluste erleidet. Was dann wiederum dazu führt, dass die Karriere der Frau häufig schon so weit hinten dran ist, dass viele Paare sich sagen, dass es sich nun auch nicht mehr lohnt, wieder arbeiten zu gehen. Die Folge ist, dass die Rente sehr schmal ausfällt. Mehr als 25 Prozent der über 80-jährigen Frauen stecken in der Altersarmut.
Marielle: Das macht auch in der Beziehung sehr abhängig. Wenn ich vom Einkommen des Partners abhängig bin, sage ich nicht, ich gehe, wenn die Beziehung nicht mehr funktioniert. Da kann dann niemand mehr sagen, Geld spielt keine Rolle. Vielmehr sollte man fragen: Was macht Geld mit der Beziehung? So eine finanzielle Abhängigkeit wirkt übrigens in beide Richtungen: Der Mann hat beständig den Druck, immer die Kohle heimzubringen. Er kann keinen anderen Weg einschlagen, etwas anderes probieren. Das kann auch für den Mann belastend sein.
"Vätermonate steht im Duden. Sorgearbeit und Care-Arbeit nicht."
Was muss sich ändern?
Marielle: Bei der Elterngeldthematik würde schon eine Vereinfachung des Gesetzes viel bringen. Gerade wird über die Einführung eines dritten Partnermonats gesprochen. Gleichberechtigung sollte noch viel stärker gefördert werden.
Mike: Das könnte so aussehen: Wenn die Elternzeit gleichberechtigt, maximal 40 zu 60 aufgeteilt wird, gibt es einen kräftigen Zuschuss, zum Beispiel 50 Prozent des Elterngeldes on top. Damit würde auch dieses Argument ausgehebelt, dass es sich für einen Elternteil finanziell nicht lohnen könnte, in Elternzeit zu gehen. Das stimmt schon jetzt in den meisten Fällen nicht, aber es ist viel komplizierter zu berechnen.
Marielle: Außerdem müssen die Elterngeldsätze dringend angehoben werden. Mindest- und Höchstsatz sind noch auf dem Stand von 2007. Und wir brauchen eine inklusive Sprache: Vätermonate steht im Duden. Sorgearbeit und Care-Arbeit nicht.
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