Ist unsere Energie im Fluss, haben wir Schwung. Coach Reiner Oberüber sagt, wie man Blockaden löst, in seiner Mitte bleibt und wieso uns mit anderen vieles leichter fällt als allein.
EMOTION: Herr Oberüber, was ist denn Energie überhaupt?
Reiner Oberüber: Es gibt verschiedene Definitionen. Albert Einstein sagt: Energie ist Masse in Bewegung. Das bedeutet, die Kraft, die Masse in Bewegung setzt und hält, ist Energie. Aber wo kommt sie her? Für mich ist Energie die Kraft des Universums.
Können wir diese Kraft fühlen?
Energie kann die unterschiedlichsten Formen annehmen. Manche fühlen wir, manche nicht. Energiequellen sind zum Beispiel Sonne, Wind und Wasser.
Heißt das, die Natur ist einer unserer größten Energiespender?
Ja. Aber wir entfernen uns immer weiter von unseren natürlichen Lebensbedingungen und erschweren uns somit den Zugang zu diesen Quellen. Wir ernähren uns artifiziell, meiden die Sonne, setzen uns unter Stress. Die Folgen nennen wir Zivilisationskrankheiten.
Ein zentrales Thema auch im Yoga. Was lässt mich auf meiner Matte Energie tanken?
Man sagt, der Körper ist der resonanzkasten der Seele. Er bringt zum Ausdruck, wo ich einen Mangel habe, wo es gerade klemmt. Und andersherum kann ich meine Seele durch meinen Körper erreichen. Zum Beispiel durch die Akupressur von Energiepunkten und Meridianen. Oder eben durch Yogaübungen. So kommt die Energie wieder in Fluss.
Viele Menschen, gerade wenn sie hart arbeiten, fühlen sich unter Druck gesetzt und haben Angst zu versagen. Wie kann man im Job die Energie wieder in Schwung bringen?
Mein Team und ich zeigen in unseren Coachings, wie man Grenzen setzt, um sich vor Energieverlust zu schützen. Es fängt mit der inneren Einstellung an. Und Führungskräfte lernen, die Grenze der Mitarbeiter zu spüren und zu respektieren. Eine einfache und sogar kostenlose Art, Energie weiterzugeben, ist, anderen Anerkennung zu schenken.
Kann man auf diese Weise negative Energie in positive verwandeln?
Moment – was für den einen positiv ist, muss für den anderen noch lange nicht positiv sein. Das ist eine ganz subjektive Bewertung.
Wieso? Positive Energie herrscht zum Beispiel zwischen zwei Menschen, die sich verstehen.
Wenn zwei Menschen sich verstehen, sprechen wir von kohärenten Wellen. Auch der Volksmund sagt: Wir schwingen auf der gleichen Wellenlänge. Wir sind, nach dem gleichnamigen Gesetz, miteinander in Resonanz.
Was bedeutet dieses Gesetz?
Nehmen wir an, wir stehen in einem Raum mit zehn Klanggabeln und schlagen eine davon an. Dann schwingen und klingen diejenigen mit gleicher Wellenlänge mit. So ähnlich funktioniert es auch in einem Team.
Ist das die Erklärung dafür, dass mir viele Dinge in der Gruppe leichter fallen als allein zu Hause?
Ja. Denn dort, wo sich gleich schwingende Menschen begegnen, verstärkt sich die Energie. Die Welle, die mich trägt, wird breiter.
Zurück zur Ausgangsfrage: Wie kann ich Energie zwischen Menschen verändern?
Wir befinden uns in einem ständigen energetischen Auf und Ab. Das spürt auch unsere Umwelt und reagiert darauf. Und wir reagieren wiederum auf sie. Angenommen, Sie haben als Kind eine schlechte Erfahrung mit einem Hund gemacht, wird der Anblick eines Hundes einen Abwehrmechanismus in ihnen auslösen. Sie senden Wellen der Angst aus. Der Hund spürt die und reagiert verunsichert. Bellt, knurrt. Sie bekommen mehr Angst, der Hund wird noch unsicherer. Ein Energieaustausch, der die Situation total hochschaukelt.
"Etwas zu müssen, raubt Kraft, dürfen macht stark"
Ich müsste also zuerst meine Angst vor dem Hund loswerden, damit sich die Schwingung und somit die Situation verändert?
Richtig. Das ist aber nicht so leicht. Denn Glaubenssätze wie "Hund ist böse" sind meistens im Unterbewusstsein abgelegt. Wie auf Knopfdruck wird eine bestimmte Situation ausgelöst. Oder eine Reaktion. Ich merke davon meist überhaupt nichts. Mein Unterbewusstsein regelt das von allein, und zwar zu 95 Prozent.
Habe ich gar keinen Einfluss auf mein Unterbewusstsein?
Doch, dafür gibt es instrumente, verschiedene Methoden. Entweder mit Hilfe anderer oder allein. Diese Methoden kann ich erlernen. Das nennt man: Ich programmiere mein Unterbewusstsein um. Und zwar, indem ich mir das, was den Energiefluss zwischen mir und meiner Umwelt behindert, bewusst mache, es also ans Licht hole. Ein Beispiel: Ich habe eine redegewohnheit, sage ständig "irgendwie". Das fällt mir gar nicht mehr auf. Bis ein anderer mich darauf aufmerksam macht, weil es ihn stört. In dem Moment, in dem ich beschließe, das zu ändern, fange ich an, bewusst darauf zu achten. Dann höre ich mich plötzlich selber. Die ersten Male rutscht das Wort vielleicht noch raus, aber irgendwann gewinne ich die Kontrolle darüber.
In welchen Momenten verschwende ich Energie?
Wenn ich mich ärgere.
Was passiert da?
Hören Sie bei dem Satz genau hin: Wer ärgert hier wen? Ich mich. Da ist kein anderer im Spiel. In unserer Sprache steckt die Antwort oft schon drin. Zum Beispiel sagt man, wenn man sich ärgert, dass man in Wallung gerät. Das heißt, ich erzeuge Wellen, mir wird warm. Ich verbrauche Energie, die aber verschwendete Energie ist, weil ich damit Adrenalin produziere. Und Adrenalin ist Gift für den Körper, denn es erhöht den Blutdruck. Und ich brauch es nur, wenn ich in meinen Schutzmechanismus gehe.
Was meinen Sie mit Schutzmechanismus?
Wir haben, vereinfacht gesagt, immer zwei Möglichkeiten zu reagieren. Entweder wir schützen uns oder wir bleiben im Wachstum. Wenn ich mich schütze, geht meine Energie nach außen. Ich verteidige mich oder renne weg. Und setze Adrenalin frei. Bleibe ich bei mir, das heißt: mit meiner Energie in meiner Mitte, bleibt alles im Fluss. Ich kann wachsen.
Gewinne ich Energie, wenn ich mich freue?
Ja. Freude ist pures Wachstum.
Wie schütze ich mich vor Menschen, die mir Energie rauben?
Davon liest man immer wieder, doch das ist ein großes Missverständnis. Es sind nämlich nicht die anderen, die mir Energie rauben. Ob ich mir Kraft nehmen lasse oder nicht, darf ich selbst entscheiden. Es hängt ganz davon ab, ob ich das Verhalten anderer Menschen mir gegenüber bewerte, etwa als Beleidigung oder Angriff. Oder ob ich lieber versuche, Bewertungen zu vermeiden, und damit in meiner Kraft, also Energie, bleibe.
Mir fällt auf, dass Sie nie das Wort "müssen" benutzen. Absichtlich?
Ja. Denn bei einer kinesiologischen Behandlung habe ich erfahren, wie viel Energie mir die Formulierung "ich muss" nimmt. Bei einem Muskeltest übt der Kinesiologe von oben Druck auf den zur Seite ausgestreckten Arm des Klienten aus. Wenn ich "ich muss" sagte, hatte er ganz leichtes Spiel, den Arm nach unten zu drücken. Bei "ich darf" blieb mein Arm stark.
In all Ihren Antworten klingt durch, dass wir unser Leben selbst gestalten können. Glauben Sie das tatsächlich?
Können? Wir tun es. in jedem Moment.
Reiner Oberüber ist Gründer des Instituts für "UnternehmensTransformation". Das Ziel: einen "guten Geist" in Unternehmen zu bringen. Der Schlüssel dazu: Wertschätzung zeigen – "das kommt zurück!"