Ein Kind muss nicht das Ende der Karriere bedeuten, sondern kann der Anfang von ganz viel Neuem sein. Die zwei Gründerinnen der Beratungsagentur i.do verraten, wie es geht.
EMOTION: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, i.do zu gründen?
Katrin Wilkens: Aus Frust, aus Lust, aus einem Gefühl der Leere, aus einem Gefühl der Fülle. Ich war genervt über den ständig kleiner werdenen Radius, in dem ich mich beruflich bewegte. Ich war bis zu den Ohren voll mit Ideen, etwas Neues zu machen. Ich war entsetzt, wie sich im Journalismus die Arbeitsbedingungen verschlechtert haben. Ich wollte mein bisher gelerntes Wissen aber ein- und umsetzen. Ich wollte weitergeben, was ich zehn Jahre lang tat: Menschen beobachten und sie so treffen, so punktgenau, so mikrofein, dass man am Geruch ihrer Haare sie wiedererkennen könnte. Das ging im Journalismus immer weniger und so suchte ich Neuland.
Weil sich der Journalismus veränderte – oder Sie?
Wilkens: Beides. Ich weiß noch den Tag, an dem ich "Jetzt reicht's" dachte bzw. heulte. Ich hatte einen Termin Düsseldorf. Und zwei Kinder. Einen Babysitter, einen Ersatzbabysitter, einen auf Abruf bestellten Gatten. Trostschokolade, vorgekochtes Essen, ein Ersatz-Blüschen. Und dann sagte mein Interview-Partner ab. Da war ich schon aus der Tür zum Bahnhof.
Und daraus ist i-do entstanden?
Wilkens: Erst einmal die Erkenntnis entstanden, dass es so nicht weitergeht. Ein gewisser äußerer Leidensdruck erhöht die innere Bereitschaft, etwas zu verändern. Bei manchen wird dieser Leidensdruck durch den Chef erzeugt, der keine Teilzeitmuttis mag, bei anderen ist es Frustration, der teilzeitbedingte, hierarchische Abstieg. Die wenigsten Leitungspositionen sind mit einer 50 oder 60 Prozent Stelle möglich.
Collée: Bei mir kam die erste Inspiration zu i.do in Shanghai. Mein Mann arbeitete dort knapp drei Jahre. Ich bin mit unserem ersten Kind mitgekommen, ohne genau zu wissen, was ich da eigentlich machen werde. Als Auswanderer auf Zeit sieht man jeden Tag andere Frauen, die ihre Jobs aufgegeben haben und sich in der Fremde neu erfinden – erfinden müssen. Die eine kochte Marmelade ein und vertreibt sie online, die andere schreibt ein Buch. Ich habe mich neben dem Journalismus als Relocation Beraterin ausprobiert. Auch der veränderte äußere Rahmen kann einem zu mehr Mobilität verhelfen. Im doppelten Sinn. So weit von der Heimat entfernt scheint plötzlich viel mehr möglich. Weil es möglich werden muss.
Kann man sich denn völlig neu erfinden?
Collée: Wäre schlimm, wenn nicht. Nach jeder Scheidung, nach jedem Umbruch, nach jeder Häutung erfinden wir Menschen uns neu. Und nach der Geburt von Kindern erst recht. Da ändert sich das Wertebild, die Rollen werden neu verteilt. Ein Baby heißt nicht das Ende der Karriere, sondern eher das Ende der nicht hinterfragten, unreflektierten Pfade. Und wir schaffen mit i-do einen Ort, an dem diese Reise zu Neuem möglich ist.
Wir hinterfragen die Wünsche der Frauen
Wilkens: Umfragen belegen, dass 70 Prozent aller Deutschen den falschen Job haben, nämlich einen, der nicht ihren Gaben und Fähigkeiten entspricht. Die Mütter, die zu uns kommen, haben die Möglichkeit etwas zu finden, das ihnen wirklich entspricht.
Wer kommt zu Ihnen?
Collée: Querbeet, der akademische Anteil ist relativ hoch: Juristinnen, Bänkerinnen, Werberinnen, Medizinerinnen, Apothekenhelferinnen, Ingenieurinnen, Journalistinnen.
Wie läuft ein Termin bei i.do ab?
Collée: Es gibt ein kostenloses Vorgespräch. Die Frauen erhalten einen Fragebogen, den müssen sie ausfüllen. Da geht es um berufliche Stationen und erste persönliche Fragen. So bekommen wir sofort einen Eindruck, wie die Frauen sich selber einschätzen und wie ihre aktuelle Situation aussieht. Ob sie sich selbst verwirklichen will oder eine Familie ernähren muss.
Und dann gucken Sie, welcher Job dazu passt?
Wilkens: Ganz so einfach ist es nicht. Der Fragebogen dient uns, um eine erste Idee von der Frau zu bekommen. Die Hauptarbeit findet am Beratungstag in unserer Agentur statt: Wir hinterfragen die Wünsche der Frauen und gleichen sie mit ihren Fähigkeiten und ihrer eigentlichen Motivation ab. Einen ganzen Tag lang. Da fallen auch so manche sozial erwünschten Masken.
Klingt sehr psychologisch.
Collée: Im Prinzip machen wir genau das, was wir auch als Journalistinnen machen: Wir fragen, fragen und fragen – so lange, bis wir den Kern der Geschichte bzw. der Person gefunden haben. Das kann schon mal zehn Stunden dauern. Dafür erleben die Frauen eine spannende Reise. Und wir übrigens auch.
Wilkens: Es ist toll zu sehen, wenn die Augen einer Kundin anfangen zu strahlen und man merkt, es geht ein richtiger Film im Kopf los. Dann wissen wir, wir sind auf der richtigen Spur.
Bei uns gibt es Ideen, die konkret sind, transparent und machbar
Wie kommen Sie diesem Kern auf die Schliche?
Collée: Durch Fragen, bei denen Schummeln schwierig ist. "Wie haben Sie geheiratet" sagt etwas über das Konventionenverständnis aus. Saßen Sie im Cinderella-Traum in einer Kutsche oder sind Sie auf Föhr zum Standesamt spaziert? Wir vermeiden Accesment-Center-Fragen wie "Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?" (Wenn das die Frauen wüssten, säßen sie nicht bei uns) oder Salzlampen-Selbsterkundungsfragen. "Wie fühlst Du dich jetzt?" Bei uns gibt es keine psychologischen Tests – und am Ende auch keine Tortendiagramme mit 16 Prozent Kreativpotential.
Wilkens: Bei uns gibt es Ideen, die konkret sind, transparent und machbar. Die schönste Wolkenkuckuksheimidee ist nichts wert, wenn sie nachher nicht umgesetzt wird. Und wenn ich einer Kundin den vagen Tipp "mach Kommunikationswissenschaften, weil Du gerne mit Menschen zusammmen bist" gebe, soll mich gleich die neunschwänzige Katze foltern. Die Zielgruppe muss klar sein, die Perspektive, die Arbeitsbeschreibung im Job ebenso.
Was können Sie nicht leisten?
Collée: Wir sind keine Psychologen und auch keine begleitenden Coaches. Und wir stellen keine Businesspläne auf – dafür gibt es Steuerberater und Gründungscoaches. Wir sind die Ideenfinder. Das heißt: Am Ende des intensiven Beratungstag entlassen wir die Frauen wieder in ihre eigene Verantwortung. Umsetzen müssen sie die Idee im Anschluss selbst.
Katrin Wilkens, 41, studierte Rhetorik in Tübingen, arbeitet als Trainerin in der Weiterbildung. Sie schreibt als freie Journalistin unter anderem für Spiegel, Zeit, Nido, Süddeutsche und EMOTION.
Miriam Collée, 39, arbeitete bei verschiedenen Monats- und Wochenzeitschriften. 2008 kündigte sie beim Stern und ging mit ihrem Mann nach Shanghai. Und kam nicht nur mit ihrem Buch „In China essen sie den Mond“, sondern auch mit der Anfangsidee von i.do zurück nach Deutschland. Lesen Sie in der aktuellen EMOTION „Kind statt Karriere“ von Miriam Collée.
Hier geht es zu i.do