Eigentlich freut es unsere Kolumnistin, dass Religion wieder ein Thema ist. Doch was sie ärgert, ist der ewige Streit darum.
Neulich hielt ein Kollege von mir, der Schriftsteller Matthias Matussek, in einem großen Hamburger Theater einen Vortrag zu seinem Buch "Das katholische Abenteuer", in dem er sich offen zu seiner Religion, zu seinem Glauben bekannte. Nach dem Vortrag standen wir in einer Gruppe von Journalisten um ihn herum. Da sagte die Redakteurin einer großen Hamburger Zeitung unvermit-
telt zu ihm: "Komisch, Matthias, dass du das so ernst meinst. Ich dachte immer du seist einer von uns." Gemeint war, einer "von uns Post-Religiösen", von denen, die vor allem an die Vernunft und die Segnungen der Aufklärung glauben. Fest steht: Religion ist in den letzten Jahren zu einem immer heißer diskutierten Kampfgebiet geworden. Und das, obwohl es jahrzehntelang in Deutschland eigentlich gar kein Thema war.
Beim Thema Religion wird der Ton rauer
Kaum wird heute über Religion gesprochen, wird der Tonfall rauer, fällt zum Beispiel allzu leicht das Wort "Rassismus" als Vorwurf gegenüber denjenigen, die Vorbehalte gegen das Kopftuch haben. Umgekehrt wird mit der Religion des Islam schnell Fanatismus, Terrorismus, 11. September, Un- terdrückung und Gottesstaat assoziiert. Viele Menschen in Deutschland haben erst nach einer heftig in den Medien und in der Politik geführten sogenannten Beschneidungsdebatte begriffen,wie wichtig und essenziell für Juden und Muslime der Akt der Beschneidung von männlichen Kindern ist. Und vielleicht auch, wie wichtig unser Grundgesetz ist, welches das Kindeswohl schützt. Mit Fassungslosigkeit und Entsetzen haben wir erlebt, wie ein harmlos erscheinendes Filmchen über Mohammed zu Hassreaktionen, zu Mord und Totschlag in einigen muslimischen Ländern geführt hat.
Ohne Kirche glauben
Wer wie ich keiner organisierten Weltanschauung oder Religion angehört, stellt plötzlich fest, dass er im öffentlichen Raum kaum Gehör findet. Praktizierende Christen haben ihre Kirchen, Judentum und Islam sind vielfach organisiert und selbst eingefleischte Atheisten, zumeist marxistisch-kommunistisch sozialisiert, haben ihre Stimme in Medien und Politik. Aber was ist mit der großen Gruppe derjenigen, die sich zwar von den Kirchen entfernt, aber trotzdem ihren Glauben haben?
In der Menschheitsgeschichte waren es bisher gerade nicht die Religionen, die die Freiheit anderer Glaubensrichtungen toleriert haben – oder auch die Entscheidung Einzelner, nicht religiös zu sein. Deswegen ist es so schön und so wichtig, dass das Grundgesetz als Dach über den Religionen steht und die wertvolle Errungenschaft der Religionsfreiheit nicht einzelnen Religionen als Spielball überlässt.
Bettina Röhl trifft viele Menschen. Die Publizistin und Buchautorin ist bekannt für ihren kritischen Blick – dabei mag sie es eigentlich harmonisch