Zeit auszuruhen hat Inga Kruttke selten, trotzdem sprüht sie vor Energie. Ihr Geheimnis: Was sie tut, erfüllt sie. Und das ist der beste Schutz vor Stress.
Sie hat vier Kinder, drei Jobs, eine harmonische Ehe, eine saubere Wohnung, einen Hund und eine Katze. Stress? "Nein, den habe ich nicht", sagt Inga Kruttke. Schwer zu glauben: Aber die 42-Jährige wirkt tatsächlich entspannt. Gerade hat sie eine Kanne Schwarztee gekocht und nippt an einer dampfenden Tasse. "Immer mit zwei Schuss Milch", erklärt sie. Normalerweise ist ihre Teepause ihre Auszeit: "20 Minuten nur für mich." Und das scheint ihr wirklich zu reichen. Davon erzählt die Art, wie sie lächelt, als zuerst ihr Mann Jobst seinen Kopf durch die Tür steckt ("Darf der Hund zu euch?") und kurz darauf der vierjährige Bo („Ich will auch zuhören!"). "Komm her", ruft Inga ihrem Söhnchen zu und nimmt ihn fest in den Arm. Der Kleine quietscht vor Vergnügen. Ja, ihre Familie gebe ihr Energie, sagt sie. "Wenn hier jemand reinkommt, ist das keine Störung, sondern purer Sauerstoff für mich."
"Zum Glück bin ich keine Perfektionistin!"
Morgens klingelt Inga Kruttkes Wecker als erster. Punkt sieben. Nachdem sie Bo und ihre sechsjährige Tochter Tilda geweckt hat, wird es im Badezimmer so voll wie in ihrem Terminkalender. Karl, 14, und Robert, 16, müssen gleich in die Schule, ihr Mann macht sich fertig für die Arbeit. Doch vorher frühstücken alle zusammen an dem großen Holztisch im Wohnzimmer. Wer anschließend die Kleinen in den Kindergarten bringt, geht auch noch eine halbe Stunde mit dem Hund spazieren: "Die frische Luft pustet den Kopf frei, das tut gut. Um neun sitzt Inga Kruttke in ihrem Büro in einer Hamburger Werbeagentur. Seit 19 Jahren arbeitet sie schon dort, seitdem ersten Kind Teilzeit. War sie früher in der Personalabteilung tätig, unterstützt sie heute ihre Kollegen bei der Vorbereitung von Präsentationen und gibt Coaching-Seminare für die Mitarbeiter. Gegen eins ist Inga Kruttke wieder zu Hause und bereitet das Mittagessen für ihre beiden Großen vor. Um drei Uhr holt sie Tilda und Bo vom Kindergarten ab. Es werden Einkäufe erledigt, Vokabeln abgefragt, das Abendessen gekocht, die Kinder ins Bett gebracht. Und danach? Danach geht Inga Kruttke dreimal die Woche zu ihrem zweiten Job als Tanztrainerin. "Ich liebe es, Menschen in Bewegung zu bringen, ob beim Tanzen oder bei Coachings."
"Ich betreibe unbewusst Stressprävention."
"Da wird viel Energie freigesetzt. Davon bekomme auch ich jede Menge ab." Manchmal kann sie die dann gleich am Samstag wieder einsetzen, wenn sie als Dozentin Wochenendseminare hält. Job Nummer drei, nebenbei.
#image10291left Allein vom Zuhören wird einem ganz schwindelig. Wie macht sie das nur? "Es helfen alle mit", sagt Inga Kruttke. "Die Großen putzen ihr Bad und passen abends auch mal auf die Kleinen auf." Zum Glück verstehen sich die vier so gut: „Wenn ich den fast zwei Meter großen Robert neben dem kleinen Bo sehe, rührt mich das total“, sagt die stolze Mama. Dank dieses Zusammenhalts gelingt dann sogar mal ein freier Abend mit ihrem Mann. "Diese Zweisamkeit genießen wir sehr. Ich glaube, zwischen uns läuft es auch deshalb so gut, weil wir im Gespräch bleiben, über alles reden und ganz ehrlich sein können."
Ein paar Abstriche muss aber sogar ein Wirbelwind wie Inga Kruttke machen: Für Freunde bleibt fast keine Zeit. Und auch keine, um sich auszuruhen. Warum spürt sie trotzdem keinen Stress? Sie überlegt. "Ich glaube, ich betreibe unbewusst Stressprävention: Ich habe mich dafür entschieden, von allem das zu nehmen, was mich glücklich macht. Meine Jobs sind eigentlich meine Hobbys." Was ihr das Leben noch erleichtere: "Erstens habe ich eine tolle Tagesmutter und zweitens bin ich zum Glück keine Perfektionistin."
Irgendwie wird schon alles, lautet ihr Mantra. Sie mache sich nicht so viele Gedanken, sondern lege einfach los. Bedenkenträger als Energiebremse: "Ja, ich genieße lieber die Intensität der Gegenwart und bin offen für alles, was kommt." Dieses Urvertrauen ins Leben verdankt sie ihren Eltern: "Sie haben mir immer das Gefühl gegeben, dass ich alles, was ich mache, gut mache. Ob das Töpfern war oder die Art, wie ich für eine Sache eingestanden bin." Wohl eines der größten Geschenke, um dem Leben mit Ruhe zu begegnen: sich selbst und sein Leben zu mögen.