Christine Nkulikiyinka, 47, ist seit 2009 Botschafterin von Ruanda. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt sie in Berlin. Mit EMOTION spricht sie über ihr Land und das Projekt "Mu Rugo" in der Hauptstadt Kigali, das Frauen, Kindern und Familien aus schwierigen Lebenslagen heraus hilft.
Gemeinsam mit der Astraia Female Leadership Foundation versteigern wir zwölf unserer Talking Heads um "Mu Rugo" zu helfen. Hier geht's zur Auktion!
Vor 18 Jahren gab es in Ruanda einen blutigen Bürger-Krieg, kann man heute von einem stabilen Frieden sprechen?
Es stimmt, im April 1994 gab es in Ruanda einen großen Völkermord, bei dem eine Million Menschen ums Leben kamen. Das hat unser Volk erschüttert. Mittlerweile sind wir aber ein sehr stabiles Land. Der Alltag ist eingekehrt.
Sind Sie Tutsi oder Hutu?
Ich bin Ruanderin! Die Kategorisierung in Hutu und Tutsi als Ethnien ist einfach falsch und von den früheren Kolonialmächten aufgezwungen. Wir sind eine Nation, sprechen alle dieselbe Sprache, haben die gleiche Kultur und heiraten, wen wir lieben ohne darauf zu achten, welchem Stamm derjenige angehört. Die Unterteilung darf nicht an unsere Kinder weitergegeben werden.
Was ist nötig, um auch zukünftig den Frieden Ihres Landes zu sichern?
Wohlstand! Ruanda ist eines der ärmsten Länder der Welt. Ich wünsche mir, dass Nahrung, medizinische Versorgung und Schulbildung für unsere Kinder gesichert sind. Das ist ein solides Fundament für Frieden.
Mit welchen Problemen haben die Frauen in Ihrem Land zu kämpfen? Haben sie die gleichen Chancen wie Männer?
Ruandische Frauen haben eine sehr gute gesellschaftliche Stellung! Weltweit haben wir den höchsten Frauenanteil im Parlament [Anmerkung der Redaktion: Ruanda hat einen Frauenanteil im Parlament von rund 56, Deutschland von nur rund 38 Prozent] und auch in der freien Wirtschaft arbeiten Frauen gleichberechtigt neben ihren männlichen Kollegen. Das war natürlich nicht immer so, aber heute kann ich ohne Zweifel von Gleichberechtigung sprechen.
Wie hilft das Familienzentrum "Mu Rugo"?
Das Projekt hilft in sozialen Brennpunkten. Es vermittelt Werte und Wissen, damit die Menschen selbstständig ihre Probleme angehen können.
Welche Probleme sind das?
Noch immer sind viele Jugendliche und Kinder nicht ausreichend gebildet, die Helfer des Projekts halten ein Auge darauf, dass auch Kinder aus armen Familien die Schule besuchen. Außerdem gibt es viele Frauen, die durch fehlende Bildung in die Prostitution getrieben werden, mit einer Ausbildung können sie andere Wege gehen. AIDS ist ein riesiges Problem. Viele Betroffene werden stigmatisiert und aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Das Projekt hilft den Infizierten, besonders den Kindern. Natürlich wird auch Aufklärungsarbeit geleistet und so versucht, die Zahlen der HIV-Neuinfizierungen zu senken.
Wie können sich unsere Leserinnen "Mu Rugo" vorstellen?
Das Projekt hat wirklich wenige Mittel zur Verfügung. Das ist mir sofort klar geworden, als ich dort war. Das Zentrum ist viel zu klein für den hohen Andrang von Menschen. Trotzdem wird geholfen und das mit viel Engagement und Einfallsreichtum.
Beratungen, Diskussionsrunden und Essensausgaben werden beispielsweise einfach unter freiem Himmel abgehalten. Und auch die Ausbildung der Jugendlichen und Frauen wird trotz des schmalen Budgets gestemmt. Mu Rugo ist für viele Menschen ein echtes zu Hause geworden.
Ist die Arbeit von Mu Rugo in den nächsten Jahren gesichert?
Leider nein. Das Projekt verliert sein Haus, das bis jetzt der Dreh- und Angelpunkt der Arbeit war. Zwar gibt es bereits ein Grundstück, auf dem ein neues Zentrum gebaut werden kann, doch die Mittel fehlen.
Gibt es schon Pläne für ein neues Haus?
Ja, die Pläne stehen. Die Frauen des Projekts wollen klein anfangen, mit wenigen Seminarräumen und das Haus immer dann baulich erweitern, wenn neue Spenden das ermöglichen. Erst mal muss aber Geld her um überhaupt mit dem Bau beginnen zu können.
Wir fordern unsere Leserinnen auf, in einer Auktion unsere Talking Heads zu ersteigern, die Promis gemalt und für den guten Zweck zu Verfügung gestellt haben. Gibt es darüber hinaus Möglichkeiten zu helfen?
Natürlich kann man auch einfach so für Mu Rugo spenden, oder Patenschaften für die Kinder des Projekts übernehmen. Es gab auch schon Jugendliche aus Deutschland, die einige Zeit als Volunteers vor Ort geholfen haben. [Link am Ende des Interviews]
Sie kennen beide Kulturen. Was würden Sie gerne von Ruanda auf Deutschland übertragen?
Ich glaube, dass die Probleme von Frauen in Ruanda und Deutschland sehr ähnlich sind. Die Vereinbarung von Job und Familie, der Kampf um Gleichberechtigung und gegen Auswüchse wie häusliche Gewalt, vereinen uns. Was mir aber an der Arbeit in Ruanda besonders gut gefällt ist, dass die Männer mitgenommen werden. Die Frauen von Mu Rugo kämpfen mit ihren Männern für ein besseres Leben, nicht gegen sie. Das würde ich mir auch für deutsche Projekte wünschen!
Hier gehts zu der Homepage von TRIP e.V., auf der man auch, außerhalb der Versteigerung, für Mu Rugo spenden kann. Verwendungszweck bei der Spende: Mu Rugo.