Mieses Urlaubswetter, Portemonnaie weg samt 700 Euro! Es ist leicht, sich über so etwas aufzuregen. Gut, wenn einem dann vorgeführt wird, wie unwichtig das alles ist.
Auf diesen Geburtstag hatte ich keine Lust, weil er mich älter machte, als ich mich fühlte. Wir mieteten also eine Finca im Südwesten Mallorcas. Deren dicke Mauern hatten nach einem langen Winter so viel Feuchtigkeit gespeichert, dass Mann, Kinder und ich in klammen Betten fröstelten. Der Supermarkt im nächsten Städtchen hatte Dritte-Welt-Feeling, es regnete in unerfreulich kurzen Abständen, Tochter, 24, und Sohn, 20, langweilten sich, kurz: schlechte Laune, big time.
"Am liebsten würde ich meinen Geburtstag verschlafen", schimpfte ich. "Ich hab das Gefühl, die ganze Insel hat sich gegen uns verschworen." Wir saßen in einem Fischlokal, als ich dies sagte und nicht merkte, dass sich, vermutlich genau in diesem Moment, mein Portemonnaie von mir verabschiedete. Es lag wie immer in meiner großen Handtasche, und ob es herausgerutscht oder geschickt von Diebeshänden herausgezogen worden war, bleibt ungeklärt. Auf jeden Fall war es weg. 700 Euro, alle Kreditkarten, Führerschein, Bahncard, Presseausweis, Babyfotos, ein uralter Liebesbrief meines Mannes – verschwunden. Die meisten kennen diesen Adrenalinstoß, der einen durchzuckt, wenn auf einmal etwas Wichtiges fehlt. Schlüssel weg! Wo ist mein Handy? Panik! Meist sind die Dinge dann nur verlegt. Oh, und dann diese wunderbare Erleichterung, wenn man sie wiederfindet!
Portemonnaie weg, keine Lust auf Geburtstag, alles doof...
Aber nicht so auf Mallorca, nicht einen Tag vor meinem Geburtstag. Wir alarmierten den Wirt, wir krochen auf dem Boden herum, während mein Stresslevel immer mehr anstieg. Ich verdächtigte
jeden: den Wirt, die nette Kellnerin, die anderen Gäste. Nicht zu wissen, was gerade direkt unter meiner Nase passiert war, machte mich verrückt. Ob der Dieb oder die Diebin am Nebentisch saß und heimlich über mich lachte? Ob mein natürlich längst geplündertes Portemonnaie eine Spuckweite entfernt im Gebüsch lag, mit all den Ausweisen und Karten, die ich nun mühsam wieder beschaffen musste? Die Polizei – sehr freundlich, sehr entspannt – ließ mich wissen, dass dies der gefühlt 8765. Diebstahl dieser Woche für sie war.
Am nächsten Morgen wachte ich mit dem sicheren Gefühl auf, dass dies der schrecklichste Geburtstag meines Lebens werden würde. Ich tat mir richtig leid. Zu verschrumpeln und das auch noch ohne mein geliebtes Portemonnaie, war wirklich ein Härtetest, auf den ich gut hätte verzichten können. "Happy Birthday", sang meine Familie, ich seufzte nur. Danke. Die Geschenke wickelte ich schweren Herzens aus. "Worauf hast du Lust?", fragte mein Mann besorgt. "Auf gar nichts", murmelte ich. "Hast du schon meine Karten sperren lassen?" Mein Handy klingelte, ich ging nicht ran. Null Bock auf Gratulanten. Und dann kam die SMS.
"Bin verzweifelt. Melde dich!" Meine beste Freundin. Schwierige Ehe. Ich rief sie an. Sie weinte. Ihr Mann hatte eine Sinnkrise. Und seit zwei Jahren eine Freundin. "Das Feuer in mir ist einfach
erloschen", hatte er gesagt. "Lass uns die Sache zivilisiert regeln."
Klingt kitschig, aber genau in diesem Moment brach die Sonne durch die Wolkendecke. Und meine Tochter sang: "Wie schön, dass du geboren bist, Mami!" Und ich dachte an mein Portemonnaie. Ja, ärgerlich, aber alles zu ersetzen. Es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst hält Ausschau. Hinter dem Fenster ihrer Hamburger Wohnung. Und natürlich vor der Haustür. Immer wieder stellt sie fest: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn …