Als er vom Kindersitz aus ihren Fahrstil kritisierte: "Sneller, Mami!", war das süß. Dass ihr Sohn jetzt, 20 Jahre später, "ne neue Tusse am Start" hat, findet unsere Kolumnistin nicht so niedlich.
Dass Frauen das stärkere Geschlecht sind, steht für mich außer Frage. Als Älteste von vier Schwestern bin ich mit einem Vater aufgewachsen, der von seiner Ehefrau Taschengeld bekam. Ich habe immer mein eigenes Geld verdient und halte Männer für wichtig, aber nicht für überlebenswichtig. Machos sind deshalb eine Spezies Mann, die auf einen anderen Stern gehören. Besser: in ein anderes Planetensystem.
Ganze Kerle genießt man im Bett, im Alltag sind sie ungenießbar. Eine selbstbewusste, entspannte Haltung, die ich ganz gut einnehmen konnte. Bis jetzt. Denn nun ist aus meinem süßen Zuckerjungen, der seine warmen Kinderärmchen um meinen Hals schlang und mir "Du bist die allerbeste Mami auf der ganzen Welt" ins Ohr flüsterte, ein junger Mann geworden, für den der Begriff "Chauvi" neu definiert werden müsste.
"Männer fahren keine roten Autos!", empörte er sich bereits als Vierjähriger, als ihn eine Freundin von mir mit ihrem roten Fiat mitnehmen wollte. Erst nachdem sie ihn mit einer Tüte Gummibärchen bestochen hatte, stieg er ein. Saß ich hinterm Steuer, kritisierte er vom Kindersitz aus meinen verschnarchten Fahrstil und rief: "Sneller, Mami, sneller."
Ich fand das – wie fast alles an ihm – unfassbar niedlich und habe wohl deshalb den Moment verpasst, in dem aus dem Knuddelmonster mit den Patschefüßchen ein Chauvimonster mit riesigen Schweißfüßen wurde. Egal wie aufgeklärt und frauenaffin meine Erziehung war. "Mädchen haut man nicht", schimpfte ich, als er im Kindergarten der kleinen Rosie eine Ohrfeige gab. "Aber sie hat mich doch zuerst gehaut", wehrte er sich. Was sagt man da als politisch korrekte Mutter? Kleine Mädchen dürfen kleine Jungs hauen, aber nicht umgekehrt? Man wechselt also das Thema – und hat ein paar Jahre später einen Pascha in der Wohnung, dessen Lieblingsposition die liegende ist, aus der heraus er ruft: "Mama, kannst du mal?"
Bruder geht vor Luder
Wie die meisten Sohnemütter, die ich kenne, egal ob sie Alice Schwarzer gut fanden oder schon immer so anstrengend waren wie eine Kreissäge, war auch ich insgeheim entzückt, wenn mein Junge sich so richtig jungenmäßig benahm – da durfte beim Fußbällekicken ruhig die eine oder
andere Fensterscheibe zu Bruch gehen.
"Ob er vielleicht schwul ist?", fragte mich einmal eine Freundin tief besorgt, weil ihr Sohn so gern mit den Barbies seiner Schwester spielte. Diese Erleichterung, als sie ein paar Jahre später ein Pornoheft unter seinem Bett fand! Und weil ich so ticke wie sie, habe ich jetzt einen Macho als Sohn. Der "Hab ’ne neue Tusse am Start" sagt und damit das reizende Mädchen meint, das ihm kleine Liebeszettel schreibt, die er achtlos herumflattern lässt. Und der nach dem Motto "Bruder geht vor Luder", zu seinen Kumpels flüchtet, wenn seine "Tusse" stressig wird.
Umso überraschter war ich, als ich vor Kurzem sah, dass er mit dem Hund seiner Freundin Gassi geht, wenn sie fürs Studium büffelt. Nein, nicht mit einem Schäferhund oder Boxer, sondern einem Tierchen mit dürren Beinen, über das man stolpert, wenn man nicht genau hinsieht. Richtig uncool eben. Das gibt mir Grund zur Hoffnung, dass sein Macho Gehabe nur eine Masche ist – oder zumindest eine Phase, die bald vorübergeht. Es hätte also schlimmer kommen können.
Evelyn Holst hält Ausschau. Hinter dem Fenster ihrer Hamburger Wohnung. Und natürlich vor der Haustür. Immer wieder stellt sie fest: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn …