Wenn es nach unserer Kolumnistin ginge, könnte das neue Jahr ganz ohne Silvester kommen. Und am besten auch ganz ohne Vorsätze! Da ist sie radikal – wenn sie nicht der Typ "sanfte Veränderungen" wäre
Zum Jahresende gibt es eine Frage, die sollte man sofort mit: "Ich fahre leider nach Timbuktu und bin erst Ende Januar wieder da" beantworten. Denn diese Frage heißt:
"Und was macht ihr so Silvester?" Gestellt wird sie überwiegend von gesetzten Ehepaaren, die Angst haben, sich zu zweit so zu langweilen, dass sie sich am letzten Tag des Jahres lieber mit anderen amüsieren wollen. Ich gestehe, ich gehöre auch dazu. Obwohl ich weiß, dass, wer den Riesenfehler macht, zu sagen: "Wissen wir noch nicht so richtig, wahrscheinlich bleiben wir ganz gemütlich zu Hause", sofort ein Riesenproblem hat. Nämlich alle befreundeten Ehepaare, die jetzt hocherfreut sagen: "Das passt ja gut, wir auch nicht, dann kommen wir am besten zu euch, weil ihr die größere Wohnung habt." Und in die Schrecksekunde hinein wird dann entspannt versprochen: "Wir bringen auch jeder etwas mit."
Silvester
Silvester. Auftritt, liebe Gäste. Während man selbst noch in der Dusche steht, tauchen sie gut gelaunt mit einer sehr überschaubaren Salatschüssel auf und lehnen sich dann entspannt zurück. Den "kleinen" Rest - Getränke, Geschirr, Knallerei, Aufräumarbeiten am nächsten Tag, wenn die lieben Selbsteinlader ausschlafen, den liefern zähneknirschend die unfreiwilligen Gastgeber. Ich sage nur: Timbuktu!
Keine guten Vorsätze
Und gleich noch ein guter Tipp fürs neue Jahr: Keine guten Vorsätze! Es ist leicht, am Neujahrsmorgen, verkatert und vergiftet, vor einer Kanne grünen Tees mit biologisch einwandfreien Ingwerstücken zu sitzen und sich ganz fest vorzunehmen: "Von heute an werde ich gesünder leben, kein Wein, keine Zigaretten, kein Weißmehl mehr, dafür jede Menge Sport. Und meine Kinder werde ich zu guten Büchern zwingen. In meiner Familie gibt es keine digitale Demenz.“
Gute Vorsätze halten nur kurz
Vielleicht joggt man danach eine Woche lang frustriert im Park herum und kaut an einer nachhaltigen Tofusprosse, vielleicht zieht man bei seinen Kindern den Computerstecker raus und verbreitet allgemeine schlechte Laune. Sind Ihnen jedoch gnadenlos konsequente Menschen, die abends noch den Aschenbecher vollqualmen und am nächsten Morgen bereits nervige Nichtraucher sind, genauso suspekt wie mir, dann bleiben Sie wahrscheinlich auch bereits in der zweiten Woche im Bett, schnipseln mit schlechtem Gewissen Apfelschnitze ins Schokoknuspermüsli und stöpseln den Stecker wieder rein.
Die sanfte Veränderung
Ich bin deshalb - aus Erfahrung klug geworden - für die sanfte Veränderung, für eine, die man nicht so richtig merkt. Süßstoff statt Zucker. Decaf statt Kaffee. Da ich ein Obstmuffel bin und die Mutter zweier wartungsintensiver großer Kinder, stand voriges Jahr auf meiner Vorsatzliste nur ein Satz: So viel Obst wie möglich, so wenig Meckern wie nötig. Ich habe viel Saft getrunken und den zweiten Punkt nicht geschafft. Aber ich bemühe mich. Es hätte schlimmer kommen können.
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Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...