Dass sich Frauen aus Unsicherheit leider immer noch häufig unter Wert verkaufen, hält unsere Kolumnistin für ein weibliches Alleinstellungsmerkmal.
"Sehr schöne Geschichte", sagte kürzlich ein Redakteur zu einer Kollegin, "deshalb wollen wir sie auch ins Netz stellen." Beglückt durchrieselt mit "Ich bin so toll und alle haben mich lieb" legte sie den Hörer auf und hatte gleich zwei Riesenfehler gemacht. Weil sie nicht über Geld geredet und nicht: "Mein Auftrag war Print, Sie bezahlen doch sicher OnlineBeiträge extra", gesagt hat. Und so wird auf ihrem Konto demnächst ein viel zu kleines Printhonorar landen. Und sie wird sich ärgern, dass sie sich wieder einmal unter Wert verkauft hat. Lassen Sie uns deshalb über Geld reden. Ich weiß, lästiges Thema. Aber warum verdienen Männer noch immer mehr als Frauen? Weil sie in Verhandlungen: "Ist das ein Witz? Ich möchte das Doppelte", fordern, während die meisten Frauen bei der Frage: "Was stellen Sie sich denn so vor?", erst einmal ihr klopfendes Herz unter Kontrolle bringen müssen. Stress pur! Alles verschwimmt, kein klarer Gedanke. Und dann sagen wir: "Was denken Sie denn so?" Und schon denkt unser Gegenüber: "Süße kleine Maus, die ist auch mit dem Minimum zufrieden." Sind wir aber nicht. Aber wir haben ein Problem mit dem forschen Auftritt, wenn es um unsere Leistung und unser Geld geht.
Unsicherheit ist leider noch immer weibliches Alleinstellungsmerkmal
Ein Lehrer behandelt unseren Teenager schlecht? Eine freche Oma drängelt sich an der Kasse vor? Jemand nimmt uns den Parkplatz weg? Oder knistert im Kino mit Popcorn? Wir machen den Mund auf. Aber sobald es darum geht, für gute Arbeit gutes Geld zu bekommen, knicken wir ein. Stapeln viel zu tief. Fürchten Liebesverlust. Haben Angst, dass ein Auftraggeber sagen könnte: "Ein bisschen unverschämt, junge Frau. Ich fürchte, Sie überschätzen sich." Was eine Frechheit wäre, aber bestimmt nicht unsere. Diese Unsicherheit ist leider noch immer weibliches Alleinstellungsmerkmal, Männern ist sie völlig unbekannt. Aber Männer sehen ja auch im Spiegel immer den Mann, der alle Frauen glücklich macht, während wir ... Ach, lassen wir das lieber.
Wie können wir das ändern? Ich habe einen Kollegen gefragt, der sich selbst einen Verhandlungsfuchs nennt. In deinem Fall ist die Sache ganz einfach, sagt er, du kriegst einen Auftrag. Du bedankst dich und sagst: Lassen Sie uns überlegen, wie lange ich dafür brauche. Ich schätze, drei Tage. Mein Tagessatz ist 500 Euro (schön wär’s!). Immer so hoch ansetzen, rät er, dass man noch zufrieden ist, wenn man runtergehandelt wird. Wie auf dem türkischen Basar. Und er hat mir noch einen Trick verraten, den ich mit Vergnügen weiterreiche. Männer, die eine Frau gerade finanziell übervorteilt haben, reichen ihr gern die Hand. Weil damit der Deal besiegelt ist und nicht rückgängig gemacht werden kann. Wenn mein Kollege also noch Verhandlungsbedarf hat, sagt er: "Wir sind noch nicht ganz am Ende" und streckt seine Hand nicht aus. Tja, manchmal sind Männer einfach schlauer als wir. In diesem Fall – es hätte schlimmer kommen können.
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Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...