Die Ungleichheit in unserer Gesellschaft wächst – und gefährdet den Zusammenhalt. Höchste Zeit für eine faire Debatte über Gerechtigkeit, findet unsere Kolumnistin.
"Über Geld redet man nicht", hieß es früher, das galt als unfein. Heute wird ständig darüber geredet. Wir hören verblüfft, dass VW-Chef Martin Winterkorn 2012 statt 20 "nur" 14 Millionen erhielt – und damit 223-mal so viel verdient wie ein „normaler“ VW-Angestellter. Wir nehmen staunend zur Kenntnis, dass die Chefs der 30 DAX-Konzerne im Schnitt 5,33 Millionen Euro pro Jahr verdienen (und sich ihr Einkommen in zehn Jahren mehr als verdoppelt hat), während die Durchschnitts-gehälter der meisten stagnieren und jeder Fünfte für weniger als 10,36 Euro pro Stunde arbeitet.
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Solche krassen Unterschiede verletzen unser Gerechtigkeitsgefühl: Drei Viertel aller Deutschen halten die Managergehälter für zu hoch. Wachsende Ungleichheit zerstört das Vertrauen, dass Leistung sich lohnt. Das gefährdet den Zusammenhalt einer Gesellschaft. So sahen das auch die Schweizer, als sie sich für ein Gesetz zur Begrenzung von Managergehältern aussprachen. Gut so! Lange Zeit war das Argument unumstritten: Wer hohe Umsätze erwirtschafte, verdiene es, exorbitant bezahlt zu werden. Doch seit wir erleben, dass Unternehmensverluste "sozialisiert", also von uns allen getragen werden müssen, wird diese Vorstellung immer unhaltbarer.
Angesichts hoher Abfindungen für Versager, die Milliardenverluste einfahren, können wir auch nicht mehr an die gerechtigkeitsstiftende Kraft des Marktes glauben. Da ist die Idee, auch bei uns Obergrenzen für Gehälter und Boni einzuführen, naheliegend. Denn weder moralisch noch leistungsmäßig sind solche Einkommensunterschiede zu rechtfertigen. Und das ist keine Debatte über Neid, sondern über Gerechtigkeit. Gut, dass wir endlich darüber reden!"
Die Psychologin und Autorin Catharina Aanderud lässt sich auf Reisen und vom Leben inspirieren.