Schön, dass so viele Rentner Spaß haben, findet unsere Kolumnistin Bettina Röhl. Bleibt die Frage: Reicht das?
In unserem Österreich-Urlaub saß diese Clique von vier Ehepaaren jeden Abend am Nachbartisch neben uns. Acht fröhliche, gesunde, humorvolle Rentner, zwischen 65 und 75 Jahre alt, vier Frauen und vier Männer aus Dresden, Frankfurt und München, die sich teils noch aus Schulzeiten kannten, wie sie uns erzählten, sich dann nach der Wende wiedergefunden hatten und nun seit 15 bis 20 Jahren jedes Jahr gemeinsam in Urlaub fahren. Zwei Wochen im Winter zum Wellness, zwei Wochen im Sommer zum Wandern. Jeden Tag machten sie ausgiebige Ausflüge und jeden Abend warfen sie sich in neue, schicke Garderoben, lachten, scherzten, aßen viel und
verabredeten sich zu Skat, Würfelspielen und Schnäpschen.
Einer von ihnen hatte ein iPad, das er zückte, um mir die neuesten Bilder der Gruppe im Außenwhirlpool zu zeigen und auf einer ausgelassenen Party in einem Restaurant. Wow, dachte ich, was für ein Leben! Und wer würde es den Rentnern nicht gönnen, dass es ihnen gut geht. Aber als dieser Mann mich nach dem fragte, was mich beschäftigt, und ich anfing, über Bildungspolitik, Integrationsprobleme, die Euro-Krise und die Zukunft unserer Kinder zu sprechen, merkte ich schnell: Fehlanzeige. "Oh Gott, lassen Sie mal", sagte er. "Lassen Sie uns feiern und nicht mit all diesen Problemen beschäftigen." Das war nun echt lustig, fand ich. Das ständige Feiern hatte man doch früher immer der Party-Jugend vorgeworfen und nun sind es plötzlich die Alten, die sich nicht mehr um die Gesellschaft kümmern, sondern lieber Spaß haben wollen?
Wo ist die Solidarität mit der jüngeren Generation?
Diese Luxusrentner unterhielten sich über Kreuzfahrtreisen, Benzinpreise, Cholesterinwerte und machten Scherze über Viagra. Nur ganz, ganz selten, und das war wirklich auffällig, unterhielten sie sich über ihre erwachsenen Kinder oder ihre Enkel. Das war der Moment, der mich stutzig werden ließ: Wo sind eigentlich die Omas von früher, die vorbeikamen, um ihren erwachsenen Kindern bei der Wäsche zu helfen und sich ganz nebenbei um die Enkel zu kümmern? Wo die Opas, die stolz zusahen, wie die Enkel groß wurden und sich freuten, wenn sie auch mal mit Rat und Tat zur Seite stehen konnten? Und überhaupt: Wo ist die Solidarität mit der Generation, die mitten im Arbeitsleben steht, Kinder aufzieht und übrigens das Geld verdient, von dem zurzeit die Renten bezahlt werden?
Die Rentner aus unserem Urlaub waren jeder für sich genommen sympathisch. Umso erschütternder finde ich, dass sie, vielleicht ohne es wirklich zu realisieren, längst die Bindung zu ihren Kindern verloren haben – und noch viel mehr zu der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Bettina Röhl trifft viele Menschen. Die Publizistin und Buchautorin ist bekannt für ihren kritischen Blick - dabei mag sie es eigentlich harmonisch.