Unsere Autorin Sarah heiratete jung und ließ sich mit 26 wieder scheiden. Hier erzählt sie, warum sie weder die Hochzeit noch die Scheidung jemals bereute und was sie daraus gelernt hat.
Disclaimer: Ist ja gut, der Titel stammt nicht von mir, sondern vom kanadischen Blogazin "The Everygirl". Aber die Geschichte ist meine, so here you go:
Gefühle? Die hat man. Da braucht man doch nicht drüber zu reden. Das war schon immer mein Credo. Bis ich beschloss, mich von meinem Mann scheiden zu lassen, und ich merkte: ohne Reden geht es nicht. Unzählbare Stunden an Gesprächen mit den tollsten Freund:innen der Welt später kann ich versichern, dass das nicht mein einziges Learning war. Bereut habe ich sowohl die Hochzeit (die sich nach fast sieben Jahre Beziehung zu dem Zeitpunkt genau richtig anfühlte!) als auch die Scheidung jedoch keine Sekunde. Im Gegenteil, gerade die Scheidung war die bislang wichtigste Erfahrung meines Lebens. Doch das hab ich natürlich erst in der Rückschau erkannt. Aber der Reihe nach. Hier sind also meine fünf Learnings:
1. "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" ist der größte Bullshit!
Communication is key! Ich weiß, wir haben das alle schon tausend Mal gehört. Aber es stimmt so sehr, dass man es gar nicht oft genug betonen kann.
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In meinem Freund:innenkreis war ich die starke Schulter zum Anlehnen, wenn der Liebeskummer mal wieder um sich schlug. Ich höre gerne und geduldig zu, aber aus meiner Beziehung gab es nie etwas zu berichten. Die lief. Verliebt. Verlobt. Verheiratet. Bis es eben nicht mehr lief und ich uns ohne großes Gerede den Stecker zog. Keine lebenserhaltenden Maßnahmen, so hatte ich es in meiner emotionalen Patientinnenverfügung vermerkt. War das unfair? Ja! Denn es war natürlich Quatsch, dass es immer lief.
Es hatten sich Angewohnheiten und Verhaltensweisen eingeschlichen, die mich schon lange nervten, die ich aber immer mit einem Augenrollen vom Tisch gefegt hatte. "So ist er eben". Doch so funktionieren Beziehungen nicht. Denn wer aufhört, ehrlich zu sprechen, Verhaltensmuster auszudiskutieren – auch wenn es anstrengend ist und Kraft kostet – kann direkt das Beziehungshandtuch werfen. Klar, man muss nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen, aber inzwischen spreche ich Irritationen direkt an. Das fällt schwer, mir zumindest! Denn wer meckert schon gerne?
Um eine respektvolle, wohlwollende, ja liebevolle Gesprächskultur für die kleinen Reibereien des Alltags zu etablieren, haben mein aktueller Partner und ich in den ersten Monaten unserer Beziehung den "Seelsorge-Sonntag" eingeführt. Denn ich musste diese offene Kommunikation in der Beziehung erstmal lernen. Und Hand aufs Herz: Damit bin ich sicher nicht alleine, oder? Wir haben uns also jeden Sonntag ein Stündchen Zeit genommen, uns zusammen aufs Sofa gekuschelt und uns gegenseitig erzählt, wie es uns gerade (wirklich!) geht und wie wir uns in der Beziehung fühlen, und haben unsere Sorgen geteilt. Inzwischen brauche ich kein festes Date mehr, um diese Art Gespräch zu führen. Aber wenn ich merke, wie sich Frust in mir anstaut und ich ihn nicht artikulieren kann, hab ich immer einen kleinen Satz als Hintertür: Schatz, ich glaube wir brauchen mal wieder einen Seelsorge-Sonntag!
2. Kritisches Nachfragen ist okay – unter Freund:innen sogar angebracht!
Die Nachricht meiner Trennung schlug um sich wie ein Lauffeuer. Ich hatte auch nichts anderes erwartet. Wenige Monate zuvor (10 um genau zu sein) tanzten wir mit Freund:innen und Familie auf unserer Hochzeit. Für die Außenwelt kam meine Entscheidung aus dem Nichts.
"Ich habe mich schon manchmal gefragt, ob du wirklich glücklich bist", sagte jedoch eine sehr gute Freundin später zu mir und nahm mich in den Arm. Warum hatte sie mich nicht vor der Hochzeit danach gefragt? Es ist die Angewohnheit, dass wir in kritischen Nachfragen Argwohn vermuten, sie als Kritik und Zweifel verstehen. Natürlich will niemand vor der eigenen Hochzeit Zweifel hören. Doch wenn sich selbst die engsten Vertrauten vor unangenehmen Gesprächen scheuen, wer öffnet uns denn dann die Augen, wenn wir es selbst nicht mehr können?
Klar, niemand ist für mein Glück verantwortlich, außer ich selbst. Allerdings wünsche ich mir durchaus ein Umfeld, dass mir auch mal die Meinung geigt, wenn nötig. Das ist ganz schön schwierig, denn was wir unseren Freund:innen ja vor allem vermitteln wollen, ist das Gegenteil von Argwohn. Nämlich: I have your back! Doch das lässt sich vereinen. Bei Entscheidungen von Freund:innen, bei denen ich mir nicht zu tausend Prozent sicher bin, dass es die richtige ist, sage ich seit meiner Scheidung liebevoll: "Ist es, was du willst? Also ganz in echt? Denn hier habe ich folgende Bedenken. Wenn du mir aber sagst, es ist, was du willst, bin ich deine persönliche Cheerleaderin und kein weiterer Zweifel wird je meine Lippen verlassen. Wenn du fällst, habe ich Pflaster und Taschentücher parat!" We are in this together!
3. Eigene Freund:innenkreise sind elementar
Apropos Freund:innen: Natürlich ist es ein Traum, wenn sich die Freund:innenkreise in einer Partnerschaft überschneiden. Doch es ist ultimativ wichtig, dass beide ihren jeweils eigenen engsten Kreis für sich behalten. Natürlich verschwimmen hier manchmal sie Grenzen und den besten Freund meines jetzigen Partners finde auch ich richtig klasse. Aber egal, wie gut wir uns verstehen, feststeht, bei einer Trennung ist und bleibt er: der beste Freund meines Partners – und eben nicht mehr ein Freund von mir.
Das sollte klar sein, aber im Alltag verhält es sich meiner Erfahrung nach oft anders. Als ich mich von meinem Ex scheiden lassen habe, nahm ich ihm nicht nur die Partnerschaft, sondern auch einen wesentlichen Teil unseres sozialen Netzes. Denn die meisten (gemeinsamen) Freund:innen hatte ursprünglich ich kennengelernt. Nun könnte ich sagen: Sein Problem. Aber auch bei den Beziehungen in meinem Umfeld beobachte ich dieses Phänomen immer häufiger. Von daher hier der große Appell an alle glücklich Verliebten: Achtet auf eure (eigenen!) Freund:innenschaften!
4. Wenn es sich richtig anfühlt, muss dich niemand verstehen
Oder wie dieser Abschnitt eigentlich heißen sollte: Wenn du verheiratet bist, fühlt sich jede:r dazu berufen, sich einzumischen. Mache sprachen mich direkt darauf an, ob ich das nicht auch schon vor der Hochzeit hätte wissen können (und meinten müssen), von anderen erfuhr ich es über Ecken. Für keine andere Lebensentscheidung habe ich so viel Gegenwind und Unverständnis bekommen. Ein bisschen bin ich vielleicht auch selbst Schuld, da ich diesen Schritt weder angedroht noch besprochen habe. Aber der einzige Mensch, dem ich in dieser Angelegenheit überhaupt Rechenschaft schuldig gewesen wäre, ist mein Exmann. Doch ausgerechnet der akzeptierte die Entscheidung ohne großes Drama. Denn auch, wenn wir es versäumt hatten, die Tiefen zu ergründen, spürte er wie ich, dass wir unumkehrbar in einer Sackgasse gelandet waren.
Keine Entscheidung habe ich mir so schwer gemacht wie diese. Ja, es ging schnell – kurz, aber schmerzhaft wie ein Pflaster, dass beim Herunterreißen etwas von der aufgeweichten Haut abzieht. Doch bereut habe ich die Entscheidung nie. Nicht eine Sekunde. Wenn es sich richtig anfühlt, muss dich niemand verstehen. Das Einzige, auf das es ankommt, ist, dass du dir gegenüber ehrlich bleibst und deiner Intuition folgst. Das gilt übrigens genauso für jeden anderen Lebensbereich. Insofern hat mich die Scheidung zwar ordentlich aus den Fugen geschmissen, aber aus keinem anderen Lebensabschnitt bin ich so gestärkt hervorgegangen, wie aus diesem.
5. Beziehungskonzepte sind nicht statisch und müssen angepasst werden
One last thing: Wenn man den Traum hat, mit einem bestimmten anderen Menschen glücklich alt zu werden (und diesen Traum muss man keineswegs teilen), dann kann man gewiss sein: Es wird Streit geben. Und zwar viel. Wir erfahren so viele verschiedene Lebensphasen zusammen, da kann man schlicht nicht immer das gleiche Tempo draufhaben, wie der oder die Partner:in. Müssen wir auch gar nicht. Beziehungskonzepte sind nicht statisch, die müssen wir immer wieder neu aushandeln.
Nur weil die Beziehung monogam startet, muss sie das nicht bleiben, wenn sexuelle Wünsche auseinander gehen. Und wer die Beziehung einmal geöffnet hat, kann sie auch wieder schließen. Wir brauchen uns kein Schlafzimmer, ja nicht einmal eine Wohnung teilen, wenn sich das richtig anfühlt. You do you – und spätestens wenn der Status quo drückt, dann wird es Zeit für einen Seelsorge-Sonntag und alle Karten kommen auf den Tisch.
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