EMOTION-Coachin Ulrike Krasemann coacht Führungskräfte. Und sagt: Die Art und Weise, wie wir aufwachsen, hat großen Einfluss auf unser Verhalten - auch im Job. Wie man die eigenen Muster erkennt und wie sich die alten überschreiben lassen, verrät sie hier.
Kinder nehmen häufig unterbewusst bestimmte Rollen im Familiengefüge ein. Zum Beispiel die Hochbegabte, die zwei Klassen übersprungen hat, von der die Eltern in jeder Lebenslage Höchstleistungen erwartet haben, die in der Schule "Streberin" genannt und zur Außenseiterin wurde; oder die Schlichterin, die dauernd zwischen Familienmitgliedern vermittelt hat, immer im Sinne der Familie gehandelt hat, deren eigene Bedürfnisse dadurch auf der Strecke geblieben ist.
Über die Coachin
Ulrike Krasemann ist systemische Coachin und begleitet Frauen, die eigenverantwortlich, bewusst und authentisch führen möchten. Zuvor hat sie 20 Jahre als Beraterin für Agenturen, Verlage und Konzerne gearbeitet. Auf ihrer Website kann man den "Antreibertest", der Auskunft darüber gibt, welche fünf Grundverhaltensweisen und Glaubenssätze wir in unserer Kindheit mit auf den Weg bekommen haben, kostenlos machen.
Was das mit unserem Führungsverhalten zu tun hat
Unsere familiären Prägungen haben auch Einfluss auf unser Verhalten im Job. Die Dynamiken in Teams am Arbeitsplatz ähneln vielerorts der von Familien. Auch hier gibt es verschiedene Rollen, die bewusst oder unterbewusst eingenommen werden. Dadurch fällt man teilweise in alte Denk- und Verhaltensmuster zurück. Ein Beispiel aus dem Berufsalltag:
Ich sitze als Führungskraft im Meeting und werde ganz plötzlich vor versammelter Mannschaft von meinem Vorgesetzten wie ein Schulmädchen zurechtgewiesen. Wenn ich das Muster nicht als solches erkenne, nicht weiß, woher es kommt und es nicht durchbreche, reagiere ich so, wie ich es aus der Rolle meiner Kindheit kenne: indem ich etwa emotional werde oder gleich ganz verstumme. Egal wie ich aus diesem Autopilotmodus heraus reagiere, das Ergebnis ist meist unbefriedigend. Willkommen in der Wiederholungsschleife der sogenannten Familiendynamik!
Wie kommt man aus diesen alten Mustern heraus?
Zunächst geht es darum, unsere Prägungen und die Dynamik, die damit einhergeht, zu durchschauen und uns die Muster bewusst zu machen. Um etwas zu verändern, reicht die Erkenntnis alleine allerdings nicht. Wir müssen ins Handeln kommen. Im Coaching gehen wir gemeinsam mit Klient:innen auf familiäre Spurensuche. Bei diesem Ansatz handelt es nicht um eine Therapie, sondern um eine Form der Selbstanalyse und -reflexion, die die Klient:innen befähigt, aus einem anderen Bewusstsein heraus zu reagieren. Es geht darum, sie zu ermutigen, neue Kommunikationspfade „einzulaufen“, die sie im Führungsalltag einsetzt.
Denn nicht nur die Familie, sondern auch das Team am Arbeitsplatz ist sozusagen ein System, das aus einer Reihe dynamisch miteinander verbundener Elemente besteht. Wenn sich ein Element verändert, hat das Auswirkungen auf das gesamte System. Immer mehr Führungskräfte nutzen diese Art des Coachings, weil es nachhaltig ist und die Komplexität ihres Persönlichkeitspuzzles aufzeigt. Dabei geht es vor allem darum, das Reflexionsfeld zu erweitern und die Wiederholungsschleifen zu erkennen. Mit der Zeit können alte Muster so nachhaltig überschrieben werden.
Was hilft auf diesem Weg?
- Der Willen, wirklich etwas verändern zu wollen
- Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – für unsere eigenen Worte und Taten, die Ergebnis unserer unerfüllten Bedürfnisse sind
- Ausdauer: Denn alte Überzeugungen und Verhaltensweisen, die sich aus der Familiendynamik unserer Kindheit entwickelt haben, lassen sich nicht in zwei Sitzungen auflösen
Und das kannst du ganz konkret tun
1. Fange an, deine teils unterbewussten Verhaltensweisen zu beobachten. Frage dich:
- In welchen Situationen reagierst du immer gleich?
- Welche Gefühle werden in diesen Situationen in dir ausgelöst?
- Kennst du sie vielleicht aus deiner Kindheit? Wann hast du sie zum ersten Mal gespürt?
- Welche Überzeugungen oder Glaubenssätze haben sich daraus entwickelt?
2. Schließe die Empathielücke von damals, indem du den Bedürfnissen, die hinter deinen Gefühlen stecken, auf den Grund gehst und ihnen Raum gibst. Schau dir an, was du brauchst – oder vielleicht damals gebraucht hättest, als diese Gefühle zum ersten Mal aufgetaucht sind.
3. Suche dir, wenn du das Gefühl hast, dass du Unterstützung auf diesem Weg brauchst, eine Begleiterin oder einen Begleiter – etwa eine Bezugsperson oder einen Coach bzw. eine Coachin.
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