Zugegeben, unsere Kolumnistin hadert schon mal mit den Zeichen des Älterwerdens. Aber deshalb auf dem Crosstrainer leben? Bloß nicht!
Es gehört zu den Unbegreiflichkeiten des weiblichen Körpers, dass er nach seinem 40. Geburtstag ungefragt und unwillkommen ein Hormon namens Cortisol ausschüttet. Es ist ein Stresshormon, was vermutlich so heißt, weil uns jetzt das Alter mit all seinen Freuden wie Krähenfüßen Hängebusen und freiliegenden Zahnhälsen droht. Aber der Ort, an dem Cortisol seinen ganzen Schrecken ausschüttet, ist besonders fies. Wie mir mein Frauenarzt sagte, sorgt es für die "Verdickung der weiblichen Körpermitte".
Wozu eine verdickte Körpermitte gut sein soll, gerade dann, wenn auch der Restkörper nachlässt, konnte mir mein Arzt nicht sagen. Ein Relikt aus der Steinzeit, um ältere Frauen vor Kälte zu schützen? Ein Fettpolster, damit wir Männer nicht mehr in Versuchung führen? Muslimische Frauen tragen Schleier, orthodox jüdische eine Perücke, bei uns reicht der Rettungsring in Leibesmitte, um Kerle abzuschrecken?
Zum Glück stimmt das überhaupt nicht. Ich kenne keinen einzigen Mann, dessen Begehrlichkeiten durch einen kleinen oder auch größeren Fettring seiner Liebsten verschwinden würde. Im Gegenteil. Wenn ein Mann zwischen Kuh und Ziege wählen darf, geht eigentlich immer die Kuh als Siegerin vom Platz, beziehungsweise in sein Bett. Wir Frauen dagegen wollen Ziegen sein, und dafür ist uns nichts zu beschwerlich, zu teuer oder zu lächerlich.
Unerwünschte Fettzellen
Der Tag beginnt mit der Joggingrunde im Morgengrauen und endet statt mit lecker Abendbrot mit Dinner Cancelling. Ästhetische Chirurgen bohren dünne Schläuche in uns, um unerwünschte Fettzellen abzusaugen, und wenn wir Pech haben, gibt es dafür "Cellulitis am Bauch", wie kürzlich die Teenietochter einer Freundin kommentierte, weil die Fettabsaugung etwas schiefgelaufen war.
Es ist ein bisschen tragisch, weil total unsouverän, wenn eine Frau, die Erfolg im Beruf hat, die Kinder geboren hat und mitten im Leben steht, nicht einsehen kann, dass sich ihr Körper verändert. Statt ihm dankbar zu sein, dass er bis jetzt so gut durchgehalten, diverse Quatschdiäten und andere Strapazen überstanden hat, verlangen viele von uns von ihm Unmögliches: die ewige Konfirmandinnenfigur.
Sushi ohne Reis
Merkwürdigerweise sind es gerade die Superschlanken, die es oft nicht aushalten, wenn sich jenseits der 35 hier und da ein kleines Pölsterchen festkrallt. "Ich brauche das Gefühl von Leichtigkeit, und das habe ich nur, wenn ich ganz dünn bin", sagt eine Freundin, die sich bei einer Größe von 1,82 Meter und 65 Kilo zu dick fühlt und beim Sushi den Reis abkratzt. Eine andere steht jeden Tag zwei bis drei Stunden auf dem Crosstrainer und ist stolz, eine Jeansgröße kleiner als ihre 17-jahrige Tochter zu tragen.
Ist das nicht die totale Lebenszeitverschwendung? Zumal doch nichts langweiliger und unerotischer ist als altersmagere, zugebotoxte Frauen, die mit ihrer superglattgestrafften Aufjunggequältheit so attraktiv wirken wie eine Dörrpflaume. Korrektur: wie ein Dörrpflaumenkern.Ich habe noch nie eine Diät gemacht und werde es auch in Zukunft nicht tun. Wenn ich nämlich in den Spiegel schaue, sagt er zu mir: Es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine), Frauen (ist ja eine).