Die plastische Chirurgin Cynthia Ann Wolfensberger liebt ihren Job. Sie selbst definiert sich allerdings überhaupt nicht über ihr Aussehen. Ihr geht es um die Geschichten hinter der Fassade.
EMOTION: Fallen Ihnen zuerst die Mängel ins Auge, wenn Sie jemanden anschauen?
Wolfensberger: Nein. Aber was ich in letzter Zeit häufig sehe, sind schlecht gemachte Schönheitsoperationen.
Sie selbst scheinen zu Ihrer Natur zu stehen. Sie färben sich nicht mal die Haare. Wie wichtig ist Ihnen Ihr Aussehen?
Ich definiere mich kaum über mein Äußeres, sondern über die Arbeit, die Beziehung zu Menschen und mein Muttersein. Das hat vielleicht damit zu tun, dass ich als Mädchen so herausgestochen bin. In den 60er- und 70er-Jahren gab es quasi keine Schwarzen in Zürich. Wo ich hinkam, fiel ich auf. Jöh, ein Negerlein, sagten alle. Mein Aussehen war für andere immer ein Thema. Was soll das, fragte ich mich. Das Aussehen macht mich doch nicht aus.
Und trotzdem haben Sie sich für den Beruf der plastischen Chirurgin entschieden. Warum?
Ich finde an meinem Beruf spannend, dass ich viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Problemen treffe. Dass ich spannende Geschichten höre und in Beziehungsgeflechte hineinsehe. Ich versuche zu verstehen, was die Person will. wenn die erwartungen realistisch sind, werfe ich alle meine Techniken in die Waagschale und finde die richtige Lösung. Das ist super.
Woher kommt Ihr Selbstvertrauen?
Ich bin in einem Clan aufgewachsen. Mein Urgrossvater hatte in Zürich ein Haus gebaut. Darin wohnten die Grosseltern, zwei Schwestern des Grossvaters, unsere Familie und später alle vier Brüder meines Vaters mit Familie. Alles wolfensbergers. Das gab extrem viel Kraft, Schutz und Boden. Richtig ausgegrenzt habe ich mich sehr selten gefühlt. Und wenn, sagte man mir, so Leute müssen einem leidtun, die checken es nicht.
Was für Frauen waren in Ihrer Familie?
Solche, die sich wenig geschminkt, aber immer geschmückt haben, wert auf schöne Kleider und gute Frisuren legten. Allesamt selbstsichere, starke Frauen.
Was für ein Schönheitsbild vermitteln Sie Ihrer 17-jährigen Tochter?
Meine Meinung interessiert sie herzlich wenig. Jedenfalls ist das Aus- sehen nicht das wesentliche in ihrem Leben. Sie geht an eine Schule, an der viele schlanke Mädchen sind. Sie gehört nicht dazu. Aber wenn ich sehe, was für knappe Kleider sie trägt, denke ich, dass sie zufrieden mit sich ist. Sie spricht weder vom Fettabsaugen noch davon, dass sie einen anderen Busen will. Würde sie an einer Nase leiden, die verquer im Gesicht stünde, bezahlte ich ihr vermutlich eine Nasenkorrektur. Selbst durchführen würde ich sie natürlich nie.
Was haben Sie selbst schon machen lassen?
Ich spritze regelmässig Filler in die Mundwinkel und mache zweimal im Jahr ein chemisches Peeling. Nur sieht ausser mir niemand den Unterschied. Ein einziges Mal habe ich mir Botox in die Zornesfalte gespritzt. Botox bewirkt, dass man an der Stelle keinen Schweiss absondert. Und als ich dann im Hochsommer zwischen den Brauen nicht schwitzte, fand ich das total seltsam. Davon abgesehen bin ich, was mein Aussehen betrifft, faul. Mich jeden Tag zu schminken, wäre mir schon zu viel Aufwand.
Schönheitszwänge bescheren Ihnen offenbar keine Unsicherheiten. Gab es in Ihrem Leben je eine größere Krise?
Meine Scheidung. Ich empfand es lange als persönliches Versagen, dass ich es nicht geschafft habe, meine Ehe erfolgreich zu führen.
Was hat Ihnen da wieder herausgeholfen?
Die Zeit und die Gewissheit, richtig gehandelt zu haben. Die Erkenntnis, dass es nicht an mir alleine lag und dass ich mit der Erziehung meiner Tochter eine gute Aufgabe mache, war für mich ein regelrechter Aha-Moment. Und natürlich, dass ich entgegen aller anfänglichen Widerstände und Selbstzweifel meine Praxis zum Laufen gebracht habe.
Cynthia Ann Wolfensberger, 51, ist plastische Chirurgin, hat eine 17-jährige Tochter und lebt in Zürich. Gerade hat sie das Angebot ihrer Praxis um Energiearbeit und ein Abnehmprogramm erweitert. www.doctorcynthia.ch