Katarzyna Mol-Wolf im Gespräch mit Prof. Angelika Niebler, Vorsitzende der Frauenunion der CSU. Teil fünf unserer Interview-Serie zur Bundestagswahl
Im Wahljahr 2017 ist es uns wichtig, unsere Leserinnen zum Engagement der einzelnen Parteien zu informieren. Mein Frauenbild der CSU war von verschiedenen Erfahrungen geprägt, die ich mit der Partei in Bayern gemacht habe, wo ich mehr als drei Jahrzehnte gelebt habe. Diese Erlebnisse entsprachen so gar nicht dem Bild, dass die CDU- und CSU-Politikerinnen in Berlin vorlebten und zu vermitteln versuchten. Nachdem ich meinen rückschrittlichen Eindruck von der CSU mit einer Freundin teilte, vernetzte sie mich kurzerhand mit Prof. Angelika Niebler, der Landesvorsitzenden der Frauen-Union Bayern. Die Chance, das Frausein in der CSU aus erster Hand kennenzulernen, wollte ich mir nicht nehmen lassen. Wir trafen uns zu einem Kaffee in unserem Münchner Redaktionsbüro.
Katarzyna Mol-Wolf: Frau Prof. Niebler, wie sind Sie zur CSU gekommen?
Prof. Angelika Niebler: Letztlich über meinen Mann. Als wir uns kennenlernten, war er bei der Jungen Union engagiert. Ich bin dann so reingewachsen.
Sind Sie auch gleich Parteimitglied geworden?
Erst ein Jahr später. Ich war auf einem Gymnasium, das den Ruf hatte, die roteste Schule in München zu sein, bin also schon von unterschiedlichsten Seiten politisch sozialisiert worden. Dennoch bin ich der CSU mit großer Überzeugung beigetreten, weil mir die Grundausrichtung der Partei gefallen hat. Ich finde, wir machen sehr verantwortungsvolle Politik.
Auch eine moderne Frauenpolitik?
Unbedingt! Was unsere Frauenpolitik auszeichnet, ist die Wahlfreiheit. Ich finde, dass sich der Staat nicht bei der Frage einmischen sollte, wie man lebt oder sein Familienleben gestaltet. Ob man Single ist oder Familie hat, ob man seine Kinder zu Hause erzieht oder in die Kita gibt: Die Lebenswirklichkeiten sind heute vielfältig. Es ist wichtig, dass der Staat die Rahmenbedingungen schafft – zum Beispiel für die externe Kinderbetreuung –, aber ansonsten ist es die Sache jedes einzelnen, wie er glücklich werden will. Jedes Lebensmodell, für das sich jemand eigenverantwortlich entscheidet, sollte respektiert werden. Viele Ihrer Wähler wohnen auf dem Land, wo das Leben immer noch ein bisschen anders tickt. Ich sehe es als große Herausforderung, Ihr modernes Frauenbild auch dorthin zu übertragen.
Was unsere Frauenpolitik auszeichnet, ist die Wahlfreiheit!
Prof. Angelika Niebler, Vorsitzende der Frauenunion der CSUTweet
Sie vertreten mit Ihrer Meinung ja wahrscheinlich nicht die Mehrheit in der Partei, oder?
Doch! Das wird von der ganzen Partei mitgetragen. Ich glaube, unser Problem ist eher, dass wir von außen anders wahrgenommen werden und man uns noch das klassische Rollenbild zuschreibt. Dabei leben wir es in der Partei schon lange anders. In Bayern sind die Lebensmodelle bunt gemischt. Je ländlicher die Strukturen, umso mehr traditionelle Familienbilder gibt es natürlich noch, aber auch die schon nicht mehr in Reinform, Und das heißt dann ja auch lange noch nicht, dass man nicht trotzdem gegenüber anderen Lebensmodelle tolerant wäre!
Horst Seehofer ist ja nun auch nicht unbedingt der größte Anhänger von Frauenquoten.
Doch! Auch hier muss ich Ihnen widersprechen: Ohne Horst Seehofer hätten wir die 40%-Quote in den CSU-Landes- und Bezirksvorständen gar nicht durchsetzen können. Bevor wir die Debatte in der CSU losgetreten hatten, habe ich ihn gefragt, ob er zu der Quote steht, was er klar bejaht hat. Er war auch derjenige, der zu den Quotengegnern gesagt hat: "Wer sich hinstellt und erklärt, wir hätten kein Problem in der CSU, möge sich nur umsehen. Wenn unter 100 Anwesenden auf CSU-Veranstaltung nur 20 Frauen sind, dann gibt es ein Problem."
Was tun Sie aktiv, um das zu verändern? Ich habe eine fünfjährige Tochter und möchte die Veränderung gerne noch erleben.
Dann müssen Sie Ihrer Tochter sagen, dass sie sich engagieren muss. Man muss für seine Interessen kämpfen, geschenkt bekommt man nichts. Sehen Sie mich an: Ich bin stellvertretende Parteivorsitzende, obwohl die Quote auch auf mich zurückzuführen ist. Mein Einsatz dafür hat mir also nicht geschadet. Alle Frauen in der Führungsetage der CSU haben mitgemacht, wenn auch nicht alle gleichermaßen aus Überzeugung. Trotzdem waren sie solidarisch und haben die Quote mit durchgefochten. Wir haben das auch als Signal an die Partei verstanden, dass wir uns wirklich um die Frauen bemühen und ihren Anliegen mehr Gewicht geben müssen.
Welche Stärken bringen Frauen ein, auf die die Politik nicht verzichten kann?
Der unterschiedliche Blickwinkel ist wichtig. Frauen haben oft einen anderen Ansatz, in der Art, wie sie argumentieren oder Sachen aufbereiten. Und es ist auch wichtig, dass wir Frauen unsere Themen auf die Agenda setzen.
Was sind jetzt Ihre Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Frauen in der CSU?
Nach wie vor müssen wir Frauen motivieren, sich überhaupt politisch zu engagieren. Das ist eine Riesenaufgabe. Und ich merke schon, dass Frauen ungern konfrontativ auftreten. Aber Politik ist ein hartes Geschäft, in dem man auch viel einstecken muss. Es geht nicht immer nur sachlich zu, da werden manchmal auch viele Emotionen hochgespült. Man darf es dann nicht persönlich nehmen, wenn man angegriffen wird.
Können Männer das Ihrer Ansicht nach besser?
Oft ja. Wenn sie mal nicht gleich im ersten Anlauf gewinnen, denken sie: Dann eben bei nächster Gelegenheit. Ich möchte Frauen dazu motivieren, auch so mit Niederlagen umgehen zu lernen und bei Gegenwind nicht gleich aufzugeben. Zum Beispiel haben wir schon vor 20 Jahren die Ganztagsbetreuung gefordert. Damals war das Thema nicht gerade populär, ich musste also lernen, dass man manchmal auch die richtige Zeit abpassen muss. Sie können die tollste Idee haben, wenn das Momentum dafür nicht da ist, fliegt sie in der Politik auch nicht.
Christine Lagarde hat einmal einen schönen Satz gesagt: "Um in Männerkreisen nach oben zu kommen, braucht man als Frau eine dicke Krokodilhaut. Die Kunst ist nur, sie abzustreifen, wenn man oben angekommen ist." Wir brauchen ja nicht mehr Frauen in den Führungsebenen, die wie Männer agieren, sondern gerade da die Talente, die wir als Frauen mitbringen. Es wäre ja traurig, wenn man sich alles abtrainiert, nur um nach oben zu kommen. Wie verändern wir die Kultur in dieser Hinsicht?
Ich glaube, durch Vorbilder. Wir müssen einfach anders miteinander umgehen und das vorleben.
Man muss für seine Interessen kämpfen, geschenkt bekommt man nichts.
Prof. Angelika Niebler, Vorsitzende der Frauenunion der CSUTweet
Haben Sie denn Vorbilder, die Sie inspiriert und motiviert haben?
Es gibt auf jeden Fall Frauen und Männer, die mich beeindruckt haben. Zum Beispiel meine irische Europaparlaments-Kollegin Mairead McGuinness. Als sie als stellvertretende Fraktionsvorsitzende vor einigen Jahren kandidierte, hatte sie einen männlichen Mitbewerber. Als sich abzeichnete, dass sie als Frau gewinnen könnte, haben die Männer in der Fraktion noch eine andere Frau ins Rennen geschickt, damit sich die Stimmen unter den Frauen splitten. So kam es dann auch, der männliche Kandidat machte das Rennen. Wie reagierte Mairead nach der Wahl?
Sie ergriff das Wort und sagte: "I had the best time of my life to campaign for that job, because I learned a lot. And I just want to tell you, that I will be like Arnold Schwarzenegger: I will be back." Dafür bekam sie stehende Ovationen. Als sie ein halbes Jahr später wieder für einen Posten in der Führungsebene kandidierte, erhielt sie fast 100 Prozent der Stimmen. Solche Beispiele sollten uns Frauen anspornen. Berufliche oder politische Niederlagen darf man nicht persönlich nehmen. Sie sind Teil der Lernkurve im Beruf und in der Politik. Man darf sich nie entmutigen lassen.
Es ist ein wichtiger Punkt, wenn Sie sagen, dass es nicht nur beim Staat und den Unternehmen, sondern durchaus bei uns Frauen selbst liegt, wie wir vorankommen. Was können wir selbst ändern, um schneller zur gleichberechtigten Teilhabe zu kommen?
Wir müssen selbstbewusster werden. Unsere Erfolge verkaufen wir Frauen viel zu wenig. Ich erlebe immer wieder, wie viele männliche Kollegen einen kleinen Erfolg über Monate wie eine Monstranz vor sich hertragen und ein großes Thema daraus machen.
Ilse Aigner hat zu diesem Thema einen schönen Spruch gesagt: "Die Henne weiß auch, dass jeden Morgen die Sonne aufgeht, muss aber nicht jeden Morgen krähen."
Das bringt es sehr treffend auf den Punkt.
Auf der anderen Seite sagen Sie, es sei auch wichtig, ein bisschen mehr zu krähen.
Was man erfolgreich umgesetzt hat, muss man einfach auch als seinen eigenen Erfolg verkaufen. Frauen sind gut im Erledigen von Dingen, aber nicht im Marketing danach. Ich habe ein schönes Beispiel, mit dem ich meinen Mann immer necke: Wenn er nach Hause kommt, tritt er manchmal ins Wohnzimmer und erklärt unseren Söhnen raumgreifend: "Gute Nachricht für euch: Papa ist da!" Meine Freundin fragt immer, ob eine von uns jemals auf die Idee käme zu sagen: "Gute Nachricht: Mama ist wieder da!"
Für das weibliche Selbstbewusstsein wäre es auch wichtig, dass gleiche Arbeit mit gleichem Lohn bezahlt wird. Was kann die Politik auf dem Weg zu Equal Pay jetzt noch tun? Was können wir Frauen selber tun, um hier weiterzukommen?
Das Lohnentgeltgleichheitsgesetz ist ja nun verabschiedet worden. Jetzt muss man die Frauen motivieren, ihre Ansprüche auch zu formulieren. Es frustriert mich, wenn sich bei einer neuen Stelle Hochschulabsolventen und -absolventinnen bewerben, die alle gleich gut ausgebildet sind, und die Frauen verlangen rund ein Drittel weniger Gehalt als die Männer. Irgendwas machen Frauen da also auch falsch. Mein Wunsch wäre, dass Frauen es schaffen, ihre Leistung nicht länger unter Wert zu verkaufen. Auch da helfen Netzwerke, weil man so erfährt, wie man sich einsortiert.
Wie erleben Sie Frauen im Umgang miteinander – auch in Ihrer Partei? Ich habe Frauen untereinander eigentlich durchweg sehr solidarisch erlebt. Die Frage der Solidarität unter Frauen ist auch eine Frage der Klugheit. Kluge Frauen sind solidarisch, was nicht heißt, dass man immer einer Meinung ist, sondern dass man professionell miteinander umgeht. Ungeachtet dessen glaube ich, dass wir Frauen unsere Netzwerke noch weiter ausbauen müssen. Dies gilt auch für meine Partei, die CSU, und die Frauen-Union Bayern, die über 24.000 Mitglieder hat. Und wir brauchen auch Vorbilder, wie zum Beispiel Ilse Aigner, die ihren Job hervorragend macht und perfekt zu Bayern passt. Ihr müssen alle Wege offenstehen.
Was würden Sie in der CSU gerne ändern?
Im Großen und Ganzen finde ich, dass unsere Partei gut unterwegs ist. Vor allem ist sie sehr basisdemokratisch. Wir haben zum Beispiel Dialogkonferenzen, bei denen alle CSU-Mitglieder, aber auch Menschen ohne Parteibuch Themen ansprechen können, die ihnen am Herzen liegen. Davon nehme ich wahnsinnig viel mit in die tägliche Arbeit. Auch das Thema Mütterrente ist zum Beispiel durch so viele Debatten in der Frauen-Union Bayern angestoßen worden – jetzt ist im Bundestag die gerechtere Mütterrente verabschiedet worden. Ein Riesenerfolg für uns! Ich würde mir eigentlich nur wünschen, dass mehr von der Wertschätzung, die unsere Partei den Frauen entgegenbringt, nach außen getragen wird.
Für alle Frauen, die jetzt in die Politik gehen wollen: Welche Eigenschaften müssen sie mitbringen?
Das angesprochene dicke Fell, Durchsetzungsvermögen und Ausdauer. Vor allem aber Empathie und ehrliches Interesse an den Leuten, wenn einem das Land und die Menschen nicht wichtig sind, gehört man nicht in die Politik.
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