In seinem Roman erzählt Abbas Khider, selbst Migrant, aus der Flüchtlingsperspektive. Selten ist Literatur so sehr auf der Höhe der Zeit wie in "Ohrfeige" – und dabei schlau und unterhaltsam
Zugegeben, es scheint vermessen, jetzt schon zu behaupten: Dieses Buch ist ein Buch des Jahres. Mache ich trotzdem. Wenn es nach mir ginge, würde es auch gleich verfilmt. Und wenn nicht ein, zwei Szenen vorkämen, die wohl das Prädikat „Freigegeben ab 18“ bekämen, würde ich dafür plädieren, es zur Schullektüre zu machen. Überhaupt sollte jeder, der in irgendeiner Form etwas mit der Flüchtlingssituation zu tun hat – also genau genommen alle – es lesen. Denn Abbas Khider hat mit „Ohrfeige“ das Buch geschrieben, das wie bisher kein anderer deutscher Roman einfängt, was es bedeutet, als Asylsuchender hierherzukommen. Scharfsinnig, witzig, ironisch, unbequem ehrlich, in Momenten rührend, in anderen bitterböse, immer mit feiner Lakonie, erzählt er aus einem deutschen Parallelalltag, den sich trotz all der Nachrichten kaum jemand vorstellen kann. Abbas Khider weiß, wovon er schreibt. Wie seine Hauptfigur floh er in den 90er-Jahren aus dem Irak. Heute lebt er in Berlin und hat inzwischen verdientermaßen ein paar Literaturpreise gewonnen. „Ohrfeige“ ist sein vierter Roman. Dass er sich am Schluss ein bisschen aus der Geschichte mogelt – geschenkt. Dafür war’s einfach zu gut.
Neudeutsche Wirklichkeit:
Ohrfeige von Abbas Khider
(Hanser, 19,90 Euro)