Auch schon die Weihnachtshits-Playlist auf Spotify angeschmissen? Wer mal ein wenig genauer hinhört, der oder dem dürfte bei manchen Liedzeilen schnell mal das Plätzchen im Hals stecken bleiben – denn viele Texte sind einfach völlig daneben und aus der Zeit gefallen.
Die meisten Weihnachtshits klingen auf den erst Blick nach Schneegestöber, Kaminfeuergemütlichkeit und Tannenbaumromanik. Klar, Weihnachten ist halt das Fest der Liebe und ich bin ehrlich: die einzige Zeit im Jahr, in der ich mich dabei nicht vor mir selbst schäme, endlos schnulzige Songs zu hören. Also ja, auch bei mir läuft "Last Christmas" ab dem ersten Dezember in Dauerschleife und da ticke ich wohl wie die meisten Menschen – denn irgendwie gehören Mariah Carey, Wham und Chris Rea einfach dazu, zum Weihnachtsfeeling. Und das ist ja meist das Argument, mit dem man versucht, eigentlich fragwürdige und problematische Dinge zu rechtfertigen: "War halt schon immer so" oder "Gehört einfach dazu" – ob das nun der klimaschädliche Tannenbaum ist, die tote Gans auf dem Weihnachtstisch oder eben Weihnachtslieder, die Stereotype aufgreifen, frauenfeindlich oder rassistisch sind. Leider ist es auch kein sonderlich gutes Argument. Sollten wir diese Songs daher alle aus unseren Playlists verbannen? Eher unrealistisch – denn sie werden sicherlich auch noch die nächsten zwanzig Jahre durchs Radio trällern. Aber man sollte sich schon über die problematischen Botschaften dahinter bewusst sein. Hier ein paar Beispiele für alle, die gerade nicht wissen, was an "All I want for christmas" denn bitte problematisch sein sollte:
"Do they know it's Christmas time" – Band Aid (1984)
Wer kennt ihn nicht, den Weihnachtshit von Band Aid? Der Kontext des Songs ist vielleicht eher den wenigsten bekannt: "Do they know it's Christmas time" stand im Zentrum des erfolgreichen Charity-Projektes "Live Aid", an dem sich knapp 50 britische und irische Popstars beteiligten und Geld für Hilfsprojekte in Afrika sammelten. Was eigentlich nach guter Absicht klingt, wurde eher kritisch rezipiert – und zwar wegen seiner kolonialistischen, eurozentrischen und überheblichen Perspektive, mit der nach Afrika geblickt wird. Ein Blick auf den Songtext mit Zeilen wie "die anderen" "wissen sie überhaupt, dass Weihnachten ist?" oder "heute Nacht, Gott sei Dank, sind sie es, und nicht du" strotzen nur so vor Herablassung und Stereotypen, denen sich immer wieder bedient wird, um die Situation in Afrika zu beschreiben. Allein schon die Frage, ob Afrikaner:innen überhaupt wüssten, dass Weihnachten sei zeugt angesichts der Tatsache, dass auf dem Kontinent fast die Hälfte aller Menschen dem Christentum angehören, von Unwissenheit und Ignoranz. Ähnlich schlimm sind Zeilen wie "Wo ein Liebeskuss dich töten kann und in jeder Träne der Tod ist", mit dem das klassische afrikanische Elendsklischee bedient wird.
"Baby it's cold outside" – Michael Bublé (2011)
Noch so ein Klassiker, der zur Weihnachtszeit im Radio rauf und runter gespielt wird. Dass Michael Bublé den Songtext des Originalsongs (Frank Loesser, 1944) bei seinem Cover einfach so übernommen hat, darf man ihm vorwerfen – denn das Lied ist eine einzige Verherrlichung von sexueller Belästigung. Hier ein paar Dialogfetzen aus dem Duett, die das deutlich machen:
Sie: Ich kann wirklich nicht länger bleiben
Er: Baby, es ist aber kalt draußen
Sie: Ich muss jetzt gehen
Er: Baby, es ist aber kalt draußen
(...)
Sie: Die Nachbarn könnten schon was denken
Er: Baby da draußen ist es schlecht
Sie : Sag, was ist in diesem Drink?
Er: Da draußen kriegt man jetzt kein Taxi mehr
(...)
Er: Ich nehme deinen Hut ab
Sie: Warum, danke. Ich sollte nein, nein, nein sagen, Sir
Er: Hast du ein Problem damit, wenn ich dir näher rücke
Kurz und knapp: Die Frau will nach Hause, der Mann will sie überreden, noch länger zu bleiben. Es bleibt nicht nur bei einem Überredungsversuch und er lässt schlicht und einfach nicht locker. Selbst ein "Nein" akzeptiert der schmierige Typ nicht. Schlimmer noch: Er rückt ihr sogar noch näher auf die Pelle, nimmt ihr den Hut ab und setzt sich näher an sie heran. Am schockierendsten an der ganzen Sache ist, dass er ihr vermutlich auch noch etwas in ihr Getränk gekippt hat, um sie zu manipulieren. Muss man an dieser Stelle noch mehr dazu sagen?
Santa Baby – Kylie Minogue (2000)
Das Original von "Santa Baby" wurde bereits 1953 von Eartha Kitt aufgenommen und danach immer wieder gecovert, am bekanntesten ist wohl die Version von Kylie Minogue – aber auch Madonna und Marilyn Monroe haben den Song schon gesungen. Eins haben alle Versionen aber gemeinsam: den sexistischen Inhalt. In jedem Song wünscht sich eine Frau von Santa teure Geschenke, was sie mit lasziver Stimme kundtut. Als wäre es nicht bedenklich genug, dass eine Frau sich "gut benehmen" muss, damit ein Mann sie mit Geschenken dafür belohnt, kann man bei der Liedzeile "Think of all the fun I’ve missed, think of all the fellas that I haven’t kissed; next year I could be just as good, if you check off my Christmas list" einfach nur noch den Kopf schütteln: Anscheinend will uns hier gesagt werden, dass eine Frau sich schlecht benimmt, wenn sie mehrere Männer geküsst hat.
Miley Cyrus hat's besser gemacht und den Song mit feministischer Botschaft gecovert: Darin wünscht sie sich Equal Pay und Gleichberechtigung zu Weihnachten, yeah!
Its' beginning to look a lot like christmas – Michael Bublé (2011)
Wie wir schon gemerkt haben, scheint Michael Bublé kein Interesse daran gehabt zu haben, Genderklischées aus alten Weihnachtssongs zu hinterfragen. Merkt man auch hier wieder: Die Coverversion vom Originalsong (von Perry Como und Bing Crosby aus dem Jahr 1951) bedient leider wieder staubige Stereotype: "A pair of hopalong boots and a pistol that shoots, Is the wish of Barney and Ben. Dolls that will talk and will go for a walk, Is the hope of Janice and Jen" – klar: Die Jungs wünschen sich Cowboystiefel und Pistolen und die Mädchen möchten Puppen haben. Uff – müssen solche Klischées echt noch sein?
All I want for christmas – Mariah Carey (1994)
Hinter "All I want for christmas" würden wohl die wenigsten einen sexistischen Inhalt vermuten. Was auf den ersten Blick nach einem süßen und romantischen Hit klingt, verbirgt aber leider wieder eine problematische Botschaft: der Mythos, dass alle Frauen einen Mann brauchen, um glücklich zu sein. Dass das Hauptziel von Frauen im Leben darin besteht, Mr. Right zu finden – denn ohne ihn wäre das Leben ja total unerfüllt, langweilig und bedeutungslos. Ähm ja, ist klar.
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