Er glaubt immer noch an die Liebe. Daran, dass Männer und Frauen lernen können, sich zu verstehen. Nur: Wie das genau geht, ist nach wie vor unklar. Deshalb rät er allen Menschen ab zwölf: Kümmert euch auch um die anderen Träume!
Leo und ich sitzen in der Strandbar. Er trinkt Cola, ich trinke ein Bier. Wir schweigen uns an, wie Männer das tun, wenn sie reden.
Leo ist zwölf.
Er ist weggeschwommen, weil seine Schwestern und meine Töchter ihm auf die Nerven gegangen sind. Seine Mutter und ich sind zum ersten Mal zusammen im Urlaub, obwohl wir befreundet sind, seitdem sie neu in die zweite Klasse kam. Das war Anfang der Achtzigerjahre. Wir hatten nur immer zu viel mit unseren Beziehungen zu tun und deshalb viel zu wenig Zeit füreinander. Das Gute, wenn man getrennt ist, ist die Zeit für so was.
"Ich hatte auch zwei Schwestern", sage ich, "auch eine ältere und eine jüngere. Du stehst ganz schön was aus." Er nickt, während er an seinem Strohhalm saugt. Und er hat recht. Als einziger Junge in einem von Frauen dominierten Haushalt steht man was aus. Ich weiß das. Ich war selbst lange Leo.
Ich würde gern etwas sagen, das er mitnehmen kann, um es auszupacken, wenn es mal wieder rund geht. Aber wie immer, wenn man versucht, etwas Kluges zu jemand anderem zu sagen, spricht man eigentlich mit sich selbst. "Weißt du", sage ich, "wenn jemand Streit sucht, ist das meistens nicht, weil er sich über dich aufregt, sondern weil er unzufrieden mit sich ist." Leo zieht an seinem Strohhalm und nickt. Er ist das beste Publikum, das man sich nur wünschen kann, wenn man mit sich selbst redet. Eins von der Sorte, bei der man nicht aufhören kann zu reden, weil man denkt, es höre gerne zu.
Wir reden über Fußball, weil Leo Torwart ist, die besonderste Form des Fußballers, und über den verdammten HSV. "Als ich so alt war wie du", sage ich, "da wurde der HSV noch Deutscher Meister. "Jetzt hört er wirklich zu, weil es Wunder sind, von denen ich spreche, deshalb sage ich auch noch: "Irgendwann wirst du einen riesigen Vorteil haben, weil du mit Frauen aufgewachsen bist. Du verstehst sie besser. "In Wahrheit hat das bei mir auch nur so weit genützt, dass ich besser verstehen konnte, wieso etwas nicht funktioniert. Ich konnte Spuren in den Trümmern finden. Ein Haus bauen konnte ich nicht.
Ich glaube daran, dass man im Leben tun sollte, was man tun muss, um glücklich zu sein. Und nur weil es einen Menschen gibt, mit dem sich das Zusammensein wie das ganze, große Glück anfühlt, muss man auch das andere weiter tun, weil es sich sonst irgendwann anfühlt, als hätte das eine Glück das andere verhindert. Man muss all seine Träume in diese Beziehung tragen, ohne auch nur zu wünschen, dass der andere sie für dich wahr macht. Mit jemandem sein, ohne zu wünschen, dass er anders wäre, und ihn dabei begleiten, dass er sich verändern wird. "Leo", sage ich, "ich weiß, wie das nervt, aber deine Schwestern sind so eine Art Training. Nutz das, so gut es geht, und danach gehst du schlafen. Und morgen geht’s wieder von vorne los. "Auf dem Weg zurück zu unseren Handtüchern laufen wir durchs Wasser, weil der Sand so heiß ist. "Es ist keine einzige Wolke am Himmel", sagt Leo. Und ich sage ihm nicht, dass sich das ändern wird.