Programmieren lernen ohne Berührungsängste. Das gelingt, wenn Frauen Frauen schulen. Anja Schumann von moinworld macht sich für Frauen in der Tech-Branche stark.
Programmieren lernen - Frauen für Frauen
Nerd, männlich, 30 und unkommunikativ – so sieht noch der typische Programmierer in vielen Köpfen aus. "Doch dass Frauen die Geschichte der Informatik mitgeschrieben haben und dass Softwareprogrammierung früher ein weiblicher Job war, ist kaum jemandem bekannt", klärt Anja Schumann, Gründerin und Vorstand von moinworld, auf. Was sich in der Tech-Branche ändern muss und wie sie mit den Women Techmakers gegen diesen Stereotypen kämpft, hat sie uns erzählt.
EMOTION: Was steckt hinter moinworld?
Anja Schumann: moinworld ist als gemeinnütziger Verein aus dem Women Techmakers Meetup in Hamburg hervorgegangen. Mit der Gründung des Meetups wollte ich eine Bewegung starten, die zeigt, dass es auch Tech Events geben kann, die nicht männlich dominiert sind und offen für jede/n, die sich für das Thema interessiert.
Ich konnte Google als ersten Partner des Meetups gewinnen. Daher stammt auch unser erster Name: "Women Techmakers" – so heißt Google’s globale Diversity Initiative.
Ich kümmere mich als Vorstand des Vereins inzwischen hauptberuflich um dessen Aktivitäten. Finanziert wird der Verein vor allem durch Unternehmen wie Siemens, XING SE, Airbus, Share Now, Lotto24 und news aktuell deren Ziel es ebenfalls ist, ihre Tech-Teams diverser aufzustellen.
Und welches Ziel hat der Verein?
Nicht einmal ein Zehntel der IT-Abteilungen sind heute mit weiblichen Mitarbeitern besetzt. Gleichzeitig suchen Unternehmen, nicht nur in Deutschland, fähige ITlerinnen. Es muss sich dringend etwas am Arbeitsmarkt verändern, um unsere Innovationsfähigkeit in einer digitalisierten Welt langfristig zu sichern. Leider passiert auf dem Gebiet, Frauen für Technologien zu begeistern, immer noch viel zu wenig.
Wir als moinworld verfolgen daher das Ziel, mehr Frauen für IT und die Tech-Industrie zu begeistern, Vorbilder sichtbar zu machen und unbewusste Vorurteile abzubauen.
Es ist ein Denkfehler, dass Frauen und Technik nicht zusammen gehören.
Anja Schuman, Gründerin der Women Techmakers und Moinworld e. V.Tweet
Wieso sind deiner Meinung nach immer noch zu wenige Frauen in der Tech-Branche vertreten?
Tatsächlich treffe ich auf Menschen, die meinen es liegt daran, dass das Fach für Frauen zu hart ist, dass Frauen eher emotionale Wesen sind, denen das logische Denken nicht liegt oder, dass man in digitalen Berufen schlechter Familie und Beruf, vereinen kann. Das ist natürlich alles Quatsch.
Es fängt an mit der Sozialisation als Mädchen. Im familiären Umfeld werden Mädchen selten ermuntert, sich in naturwissenschaftlich-technischer Richtung zu orientieren. Es ist immer noch akzeptiert und unterbewusst auch bei Frauen selbst verankert (unconscious bias) das "Frauen und Technik" nicht zusammen gehören.
Auch im schulischen Umfeld gibt es noch Lehrer, die Schülerinnen, oft auch unbewusst, spüren lassen, dass Fächer wie Mathematik, Physik, Informatik etc. "nichts für Mädchen" sind und eine Unbegabung in diesen Fächern für Mädchen natürlich ist.
Aufgrund ihrer Sozialisierung machen auch noch viel zu wenige Frauen bei vielseitigen Interessen ihre Berufswahl abhängig von den besten Berufs- und Verdienstaussichten. Wiederum andere Frauen fürchten ein Studium der Informatik oder Elektrotechnik würde sie unweiblich und weniger attraktiv machen.
Das aktuelle Ungleichgewicht der Geschlechter in der Informatik sorgt zusätzlich dafür, dass es zu wenige sichtbare Vorbilder für Mädchen gibt, die einen entsprechenden Studien- und Berufsweg eingeschlagen haben. So nehmen Frauen die Informatik häufig gar nicht als attraktives Berufsfeld wahr.
Das Frauen die Geschichte der Informatik mitgeschrieben haben und dass Softwareprogrammierung früher ein weiblicher Job war, ist kaum jemandem bekannt. Die Mathematikerin Ada Lovelace gilt beispielsweise als die Begründerin der Informatik. Grace Murray Hopper war die Erfinderin des Compilers. Es ist durchaus spannend sich mit der Geschichte der Softwareprogrammierung zu beschäftigen und zu erfahren, warum Programmieren in der Geschichte plötzlich zu einem Fach männlicher Nerds wurde.
Was müsste sich ändern, damit mehr Frauen in technische Berufe einsteigen?
Nach Yuval Harari ist die wichtigste Fähigkeit für eine Zukunft in der Algorithmen unser Leben bestimmen "get to know yourself". Dazu gehört auch, dass wir über unsere Biases und ihre Auswirkungen Bescheid wissen. Es ist ein Denkfehler, dass Frauen und Technik nicht zusammen gehören. Ohne eine entsprechende öffentliche Diskussion und Aufklärung über diese Denkfehler wird sich hieran nichts ändern.
Weiterhin muss sich das Image der Informatik ändern. Der wohlgenährte Nerd-Kult des Außenseiters, der lieber still im Kämmerlein arbeitet, wenig kommunikativ ist und außer Computern wenig Interessen hat, schadet der Gesellschaft. Anspruchsvolle IT-Jobs erfordern kommunikationsstarke, kreative Persönlichkeiten mit Fingerspitzengefühl und Diplomatie, die Lösungen für Nutzer entwickeln können und keine Nerds.
Ein funktionierendes Beispiel wie das Image des Faches Informatik verbessert werden kann, sind sogenannte Bindestrich Informatikstudiengänge. So beträgt der Anteil an Frauen in der Medizininformatik 44 Prozent. Studiengänge müssen zeigen, wofür es sich lohnt, Informatik zu studieren, was die Möglichkeiten sind, die sich mit Informatik verbinden lassen, auch in Zukunft.
Ebenfalls muss die Gesellschaft dafür sorgen, dass Mädchen im Grundschulalter bereits für das Feld der IT begeistert werden. Studien deuten darauf hin, dass Mädchen ca. im Alter von sechs Jahren aufgrund der Sozialisierung das Selbstbewusstsein verlieren, was die Kompetenz ihres eigenen Geschlechts und Naturwissenschaften anbelangt.
So machen wir Mädchen zu aktiven Gestalterinnen der digitalen Zukunft, denn Technikbegeisterung ist bei Frauen sehr wohl vorhanden.
Anja Schuman, Gründerin der Women Techmakers und Moinworld e. V. Tweet
JavaScript ist ja eine von vielen Programmiersprachen, die man bei euch lernen kann. Wie finde ich heraus, welche für mich die richtige ist?
Programmieren kann man mit jeder Sprache lernen. Der wichtigste Teil von der Idee zum Programm findet sowieso im Kopf statt: die Zerlegung eines Problems in überschaubare Funktionseinheiten.
Wenn man erst einmal die Logik einer Programmiersprache verstanden hat, ist es auch relativ leicht, sich andere anzueignen. Es kommt auch ein bisschen darauf an, was ihr machen möchtet.
Wollt ihr einen allgemeinen Einstieg in das Thema Programmieren, würde ich die Programmiersprache Python empfehlen. Python wird zwar vor allem auch im Data Science Bereich genutzt aber man kann damit auch alle möglichen Dinge automatisieren.
Wenn du verstehen möchtest, wie man Datenbanken durchsuchen und aus ihnen Daten bekommen kann, würde ich unseren nächsten SQL Kurs empfehlen.
Wenn ihr für das Web entwickeln möchtet, wäre ein Einstieg in HTML und CSS sowie JavaScript sinnvoll.
Wir haben darüber hinaus auch die vom MIT entwickelte, visuelle Programmiersprache Scratch im Angebot mit der insbesondere Kinder einen leichten Einstieg in das Thema finden können.
Brauche ich irgendwelche Vorkenntnisse?
Für alle Kurse im Anfängerlevel braucht ihr keine Vorkenntnisse. Es gibt natürlich manchmal unterschiedliche Kenntnisstände in den Kursen. Das wichtigste beim Programmieren lernen ist aber auch, sich nicht mit anderen zu vergleichen die schon länger dabei sind.
Bei uns hilft man sich gegenseitig. Und unsere Mentoren sind natürlich auch weiter als ihr. Trotzdem helft ihr ihnen, ihr Wissen noch einmal auf ein ganz anderes Level zu bringen, in dem ihr Fragen stellt.
Wie lange dauert so ein Kurs und was kann ich danach?
Die meisten unserer Kurse gehen über vier Wochen. Danach könnt ihr die Grundlagen und seid hoffentlich motiviert eure Kenntnisse weiter zu vertiefen. Ihr könnt entscheiden, ob das via der vielfach online zur Verfügung stehenden Kurse passieren soll oder ihr danach weitere face-to-face Kurse besuchen wollt.
Möchte man weiter in das Thema Programmieren einsteigen, ist es auch super, sich ein eigenes Projekt zu suchen anhand dessen man lernen und Fehler machen kann.
Wie kann man bei euch Mentorin werden?
Wir freuen uns natürlich immer über neue Tutoren! Am besten ihr sprecht uns an, sagt uns wie ihr beitragen wollt und wir besprechen alles weitere mal persönlich. Es besteht auch die Möglichkeit, dass ihr erst einmal mit anderen Mentorinnen zusammen einen Kurs gebt, um zu schauen wie es andere machen und ob das was für euch ist.
Nicht nur Frauen zeigen anderen Frauen das Programmieren. Ihr habt auch Kurse, die von Mädchen für Mädchen gegeben werden. Kannst du uns dazu mehr erzählen?
Im Februar sind wir mit einem neuen Projekt gestartet, um speziell Mädchen im Vor- und Grundschulalter anzusprechen. Besonders an dem Projekt ist nicht nur das junge Alter (5-10 Jahre) der Workshop-Teilnehmerinnen, sondern auch das Alter der Trainerinnen. Denn unterrichtet werden die Vor- und Grundschülerinnen von jungen Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren.
Gelehrt werden die visuellen, vom MIT Media Lab für Kinder entwickelten Programmiersprachen Scratch und Scratch Junior. Bei einigen Kursen können sogar auch interessierte Mütter am Kurs aktiv teilnehmen und selbst erste Programmiererfahrungen sammeln.
Unsere jungen Mentorinnen können selber zwar schon Programmieren, aber dadurch, dass sie die Möglichkeit haben, bei uns selber Kurse zu geben, werden sie noch auf ganz andere Weise gestärkt.
Alicia ist Content- und Projektmanagement Digital bei EMOTION und hat einen Programmierkurs besucht:
"Ich selbst habe Anja Schumann auf der Social Media Week in Hamburg kennengelernt. Als ich ihr von meinem Versuch mit einer App das Programmieren zu erlernen erzählte, lud sie mich gleich zu einem Kurs bei moinworld ein.
Da ich bereits html Kenntnisse habe, empfiehl sie mir den JavaScript Kurs. Vier Wochen an vier Dienstagabenden trafen wir uns: meine Mentorin Vera und sieben Teilnehmerinnen.
Zugegeben ich war etwas nervös, weil ich nicht wusste auf welchem Stand die anderen sein würden, deshalb schaute ich mir einen Abend vorher noch einmal Tutorials im Netz an. Nach dem ersten Kurs war klar, dass andere genau so unwissend waren wie ich. Aber das war kein Problem – denn erst einmal ging es an die Basics und alle im Kurs waren sehr geduldig und hilfsbereit.
Beim zweiten Treffen hatte sich Vera dann die Mühe gemacht uns neben den Online-Tutorials die für uns bereitgestellt wurden ein extra Skript zu verschriftlichen. So konnten wir bei jeder Aufgabe die wir lösen sollten – learning by doing – einmal vom Skript spicken.
Von vier Kursen wird man nicht gleich zur Programmiererin und etwas Selbstdisziplin ist auch gefordert. Aber mir persönlich hat es viel Spaß im Kurs gemacht und ich wurde mit jeden weiteren Schritt auch ein wenig stolzer."