"Wir wollen das Megafon für Frauen sein", sagt Jordan Brooks, Managerin der US-Plattform United State of Women (USOW). Was hält das riesige Aktivistinnen-Netzwerk zusammen?
Working Women: Frau Brooks, seit zehn Jahren ist die Frauenbewegung nun Ihr Beruf. Wie hat sich Ihre Idee vom Feminismus dadurch verändert? Jordan Brooks: Ich habe gelernt, dass die Frauenbewegung inklusiver werden muss. Jeder Mensch, egal welcher Abstammung, sexuellen Orientierung oder Religion, muss sich im Feminismus zu Hause fühlen können. Ich finde nicht, dass wir das bisher geschafft haben. Um das umzusetzen, müssen wir besser zuhören. Wir können nicht einfach Themen für unsere Bewegung instrumentalisieren. Wenn wir den Mindestlohn zum Frauenthema machen, müssen wir erst mit Frauen sprechen, die vom Mindestlohn leben, und herausfinden, was sie bewegt.
Auf der Website bekennt sich USOW zu 47 Aktionsthemen von MINT-Berufen bis Klimawandel. Wie bringt man die landesweit unter einen Hut?
Daran arbeiten wir selbst noch. Wir wollen für alle da sein und wir werden immer offen für neue Projekte und Themen sein. Aber in den kommenden Monaten werden wir messbare Themen in den Fokus rücken müssen. Ich bin sicher, dass Verhütung, Gewalt gegen Frauen und finanzielle Gleichberechtigung dazugehören werden.
Wir als Frauen eines Landes müssen auch in der Lage sein, uns für Dinge, die uns alle angehen, zusammenzutun und gemeinsam zu kämpfen.
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Aber USOW will weiterhin alle Anliegen unterstützen. Beschneiden sich die Themen nicht gegenseitig?
Das glaube ich nicht. Jede Frau und jede Organisation hat ganz persönliche Beweggründe, wegen derer sie sich engagiert. Das soll auch so sein. Aber wir als Frauen eines Landes müssen auch in der Lage sein, uns für Dinge, die uns alle angehen, zusammenzutun und gemeinsam zu kämpfen. Vor allem dann, wenn für das entsprechende Thema ein Sieg in Aussicht steht. Wir haben das in der Flüchtlingskrise erlebt: Organisationen, die nie mit Flüchtlingen gearbeitet haben, haben sich engagiert. Wir können und müssen in der Lage sein, die gesamte Kraft von USOW hinter das Thema der Stunde zu bringen.
Was genau ist dabei Ihre Aufgabe?
Vor allem viel reden. Ich tausche mich ständig mit anderen Organisationen und Vereinen aus. Im Grunde erarbeite ich unsere Strategie. Wie sichern wir unseren Zusammenhalt als Bewegung? Wie entwickeln wir uns weiter?
Sie sind Navigatorin der Bewegung?
Ganz genau. Jeder Tag ist anders, aber ähnlich wie im Weißen Haus vermittle ich viel, stelle sicher, dass unsere Kampagnen gelauncht werden und so weiter.
Die Wahl von Donald Trump, der Women's March – Frauen weltweit waren so wütend, so engagiert. Wie behält man diesen Schwung bei?
Es ist tatsächlich meine größte Angst, dass die Menschen selbstgefällig werden. Dass sie sich mit der Situation arrangieren und die Energie verloren geht. Es liegt an uns, den Leuten immer wieder zu beweisen, dass ihre Arbeit etwas bewirken kann. Trotz aktueller Entwicklungen, die für uns Frauen wirklich beängstigend sein können.
Es liegt an uns, den Leuten immer wieder zu beweisen, dass ihre Arbeit etwas bewirken kann.
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Was ist mit denen, die schon glauben, dass es nichts zu tun gibt? Wie die Frauen, die Trump gewählt haben?
Diese Frauen müssen wir da abholen, wo sie ihre Probleme sehen. Also nicht bei politischen Fragen, sondern bei Themen, die alle Frauen etwas angehen. Verhütung und Abtreibung z. B., oft auch Equal Pay.
Frauen zu Hause abholen – darauf zielt auch Ihr "Galvanize Program" ab.
Ja. "To galvanize" steht für Aufrütteln. Mit diesen Events begegnen wir Frauen vor Ort, mit ihren Sorgen und Wünschen. Man hat eher ein offenes Ohr für seine Nachbarn als für eine Politikerin oder Aktivistin aus New York oder Washington. Wir haben lokale Komitees, die sich mit der Infrastruktur, aber auch den Stimmungen auskennen. Bei den Treffen stellen wir Community-Programme vor, vernetzen Frauen und informieren, wie man etwa Non-Profits organisiert. So entsteht eine nationale Bewegung. Durch Frauen, die Freundinnen, Nachbarinnen und Gemeindemitgliedern von ihrem Engagement berichten.
Mit Frauen wie Sheryl Sandberg und Michelle Obama haben die USA machtvolle Role Models. Wie wichtig sind die für eine Bewegung?
Sehr wichtig! Wir suchen stets nach neuen Anführerinnen. Aber das müssen nicht die Michelle Obamas dieser Welt sein. Wir brauchen Aktivistinnen von nebenan wie Marley Diaz. Die 11-Jährige hat mit der Aktion #1000blackgirlbooks Bücher mit schwarzen Protagonistinnen an US-Schulen gebracht. Solche Role Models sollen unsere Bewegung anführen.
Sie war im Team von Michelle Obama, dann Vize des White House Council on Women and Girls. Seit Februar 2017 ist sie COO von unitedstateofwomen.org