Wir träumen davon, uns weiterzuentwickeln. Aber manchmal geht der Schritt nach vorn nach hinten los. Was bedeutet es für die Liebe, wenn Wunsch und Wirklichkeit nicht zusammenpassen?
Bei der Scheidung eröffnete die Anwältin Rachel Cusk, sie sei verpflichtet, ihren Mann finanziell zu unterstützen. Vielleicht für immer. "Aber er ist Anwalt und ich bin einfach eine Schriftstellerin", warf Rachel Cusk ein. och ihr Mann war kein gut situierter Strafverteidiger, sondern er gehörte zu dieser neuen Spezies "Mann", die ihren prestigeträchtigen, gut bezahlten Job aufgeben, um sich um Haus und Kinder zu kümmern – die Spezies "Hausmann". Im Rückblick beschreibt sich Rachel Cusk selbst als "kompartimentierte Frau", eine gespaltene Frau, die ihr Leben präzise in Bereiche unterteilt, um alles haben zu können. Der Inbegriff der modernen Frau, ein Role Model, beneidet von anderen.
Männer als "Ehefrauen"
Die Kanadierin, die in England lebt, hat ein Buch über ihre gescheiterte Ehe geschrieben: "Aftermath", was "Auswirkungen" und "Nachspiel" heißt. Ein Grund fürs Ehe-Aus: Sie hasste "das unbezahlte Hausmanndasein" ihres Manns, "da es Abhängigkeit repräsentierte". Lange bevor die Cusks sich trennten, hat mal eine Freundin zu ihnen gesagt, wenn ihr Mann "zur Ehefrau" würde, dann könnte sie ihn nicht respektieren – genau genommen, sei es dann vorbei mit der sexuellen Anziehung.
Die Krise der Männlichkeit
Die Zahl der Beziehungen, in denen Frauen mehr verdienen, wächst. Was bedeutet das für die Liebe? Eine Studie der University of Washington hat unlängst festgestellt: "Paare, bei denen Männer oft Hausarbeiten übernehmen, die als typisch weiblich gelten, berichten, sie hätten seltener Sex", sagt der Soziologe Sabino Kornrich. Paare, bei denen Männer dagegen eher "Männeraufgaben" übernehmen wie Heimwerken oder sich ums Auto kümmern, hätten vergleichsweise ein Drittel häufiger Sex.
Längst wird von der Krise der Männlichkeit gesprochen. Selbst die feministische Provokateurin Camille Paglia verspürt inzwischen Mitleid. Im "Wall Street Journal" stellte sie fest: "Wir können gerade sehen, wie eine Gesellschaft Selbstmord begeht." An den Unis würden Geschlechterrollen heute sehr anti-männlich diskutiert. "Bei diesem politisch korrekten Gender-Politik-Ding geht es vor allem um die Neutralisierung der Männlichkeit."
Camille Paglia sieht entmännlichte Männer, die den Mund halten, weil sie wissen, was von ihnen erwartet wird – mit dem Ergebnis, dass sie bei Themen wie Sex "Frauen nie die Wahrheit sagen" und "schmutzige" Gedanken und sexuelle Fantasien für sich und in ihren Laptops behalten.
Ein sehr modernes Beziehungsproblem, dem wir vermutlich immer häufiger begegnen werden. Nämlich genau in dem Maß, in dem Menschen wie Rachel (und ihr Exmann) feststellen, dass ihre Ideologien und ihre Realität nicht zusammenpassen.
Wenn ihr Ex Rachel Cusk heute an ihre Zahlungspflicht erinnert, provoziere er sie gern: "Du bist doch Feministin." Sich leichten Herzens Feministin zu nennen, wird in Zukunft für Frauen schwerer sein. Und das Gleiche gilt für Männer, die sich mit dem Label "Feminist" als Avantgarde fühlten.
Zwei, die weit nach vorn schauen: Matthias Horx leitet das renommierte Zukunftsinstitut und seine Frau Oona Horz-Strathern ist Trendforscherin.