Ein schmales Suhrkamp-Bändchen schafft es, Feindbilder zu zerstören und dafür Apostel des Marktes zum Vorschein zu bringen: deutsche Top-Manager, die in "Die da oben" offen auch unangenehme Fragen beantworten
In unserer Gesellschaft der 1001 Medien schafft es ausgerechnet ein schmales Bändchen aus dem intellektuellen Suhrkamp-Verlag, zwölf Feindbilder zu zerstören und dahinter zwölf Apostel des Marktes zum Vorschein zu bringen. Die Autoren Barbara Nolte und Jan Heidtmann lassen in "Die da oben" zwölf deutsche Top-Manager zu Wort kommen. Und zwar so, dass man ihnen und ihren Arbeitsmethoden tatsächlich näher kommt
Viele der hier versammelten Topmanager werden Sie kennen: Kai-Uwe Ricke, Hartmut Mehdorn, Frank Appel, Thomas Fischer, Heinrich von Pierer, Margret Suckale, Matthias Mitscherlich, Werner Müller, René Obermann, Hubertus von Grünenberg, Jürgen Hambrecht und Alexander Dibelius. Über diese Menschen wissen werden Sie aber kaum etwas. Denn in Talkshows sind sie meist damit beschäftigt, sich nicht alle Schwarzen Peter unterjubeln zu lassen. Und selbst in längeren Interviews fördern Journalisten selten anderes zutage, als deren eigene Gesinnung. In diesem Buch aber konnten sich die Autoren Zeit lassen. Und die Interviewten auch. Herausgekommen sind fein gezeichnete Porträts, die zeigen, wie ganz normal "Die da oben" sind. Wie sie sich gleichzeitig durch überdurchschnittlichen Mut, Fleiß, große Disziplin, Hartnäckigkeit und Intelligenz vom Durchschnitt abheben. Und vor allem, wie und unter welchen Umständen einige der wichtigsten Unternehmen unseres Landes gemanagt werden.
Unverstellte Fragen, ungeschminkte Antworten
Was fasziniert Sie an Geld? Wie werden im Vorstand Konflikte ausgetragen? Wie sah Ihre Woche aus? Fühlen Sie sich zu Unrecht abgesetzt? Ob es um den Medikamentenkonsum geht oder um die oft exorbitanten Gehälter - die beiden Autoren Barbara Nolte und Jan Heidtmann drücken sich um die heiklen Fragen nicht. Aber auch die Gefragten drücken sich um keine Antwort. Interessant: So unterschiedlich die Karrierewege auch ausfallen (vom Selfmade-Man ohne Studium bis zum Abgänger der Elite-Universität), so unterschiedlich die Herkunft ist (von der Arbeiterfamilie bis zum Vater, der auch schon Vorstand war), so zeigt sich auch, dass in ihrer Entwicklung fast alle auf die wertvollste Ressource zurückgreifen konnten: auf das Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten. Und dafür sorgten engagierte Mütter oder Väter, die ihre Kinder zum Leben und Handeln ermutigten.
Fazit
Gerade in Krisenzeiten, wie wir sie momentan durchleben, ist die Sehnsucht nach einfachen Erklärungsmustern groß. Man haut auf das Topmanagement ein und ist die leidige Ursachenforschung los. "Die da oben" zeigt, dass es nicht ganz so einfach ist. Dass es Leute braucht, die sich zutrauen, ein Unternehmen mit fast 500.000 Mitarbeitern zu führen. Dass es enorme Kraft kostet das Unternehmensinteresse zu vertreten, auch wenn das Massenentlassungen bedeutet. Und dass man verdammt gut bei Kondition sein muss, wenn man morgens in Finnland verhandelt, anderntags in den USA vor Investoren präsentiert, um dann am Donnerstag in Berlin auf einer wichtigen Veranstaltung zu sein. Jenseits aller Theorie wird hier ganz deutlich, was es bedeutet, die ganz großen Tanker zu steuern.
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Barbara Nolte, Jan Heidtmann: Die da oben, Innenansichten aus deutschen Chefetagen. Suhrkamp 2009