Nichts inspiriert unsere Chefredakteurin so sehr wie andere Menschen. Jeden Monat erzählt sie hier von ihren Treffen. Diesmal sprach sie mit Regisseur und Produzent Nico Hofmann, Vorsitzender der UFA Fiction.
Nico Hofmann habe ich vor ein paar Jahren kennengelernt. Uns verbindet eine starke Prägung durch die Geschichte unserer Eltern. Ich besuche ihn in seinem Büro der UFA in Berlin, kurz nachdem bekannt wurde, dass er zum Co-CEO der UFA GmbH ernannt worden ist, deren Führung er ab 2017 allein übernehmen wird.
Du bist als Sohn zweier Journalisten geboren - wie hat sich das aufs Familienleben ausgewirkt?
Im Alltag war der Journalistenberuf meiner Mutter und meines Vaters täglich spürbar. Mein Vater ist grundsätzlich nur in seiner Mittagspause da gewesen und kam erst nachts um Mitternacht wieder zurück, nachdem die Zeitung fertig war. Politisch-wirtschaftliche Themen waren Tag und Nacht präsent: Ich weiß noch, als Willy Brandt zurücktrat, haben wir unseren Holland-Urlaub abgebrochen.
Waren sie Zeitungsjournalisten?
Mein Vater war bei der Rheinpfalz Chef vom Dienst, später Leiter des Bonner Büros als Helmut Kohl Kanzler war. Er war mit Kohl sehr gut befreundet. Und meine Mutter war Wirtschaftsjournalistin, die allererste Frau in der Wirtschaftsredaktion der FAZ. Die FAZ war für sie sehr wichtig, eine Art Familie. Nach ihrer Scheidung gab es dann für sie quasi nur die FAZ-Familie und ihre beiden Kinder.
Wann wurde dir klar, dass du Filmproduzent werden möchtest?
Sehr früh! Schon mit sechs, sieben Jahren habe ich angefangen, im abgedunkelten Schlafzimmer mit einem Diaprojektor Micky-Maus-Diastreifen an die Wand zu projizieren – das war ein Kinoerlebnis mit allen Mitteln der Kunst. Mein Vater nahm mich damals dann mit ins richtige Kino, da ging meine ganze Begeisterung für Film los. Ich habe ihn auch zur Internationalen Mannheimer Filmwoche begleitet. Das war in den 60er-Jahren ein legendäres Festival, wo berühmte Regisseure aus dem Osten ihre Filme gezeigt haben. Als die Systeme dort zusammenbrachen, war Mannheim eine Art Flüchtlingsort, viele geflohene Regisseure haben bei uns gewohnt. Mit acht Jahren habe ich dann eine Fotorevue-Colorkamera bekommen und angefangen Filme zu drehen.
Mittlerweile hast Du viele Preise gewonnen. Was ist Dein nächstes Ziel?
Die Preise sind ja nur Ausdruck einer gewissen Leistungsbilanz oder - wie mein Freund Frank Hoffmann bei RTL sagt - einer gewissen Lebensbilanz. Und er hat Recht. Es sind Symbole für das, was man über Jahre oder Jahrzehnte geleistet hat. Das Leben geht immer weiter. In unserem Gewerbe extrem schnell, quasi im Fünf-Minuten-Takt und Du darfst nie stehenbleiben. Eine Produktion geht zu Ende, schon beginnt ein neues Projekt.
Gerade hast du die Gesamtverantwortung für die UFA übernommen...
Ja, das ist für mich eine große Veränderung. Ich muss mich völlig neu sortieren. Denn es ist auch ein Abschied aus dem direkten Produzieren, da ich nicht gleichzeitig 20 Filme produzieren und eine komplette Holding führen kann. Das nächste Jahr wird also ein Transformationsjahr für mich werden. Ich arbeite jetzt in einer wesentlich größeren Struktur mit mehr Verantwortlichkeit für mehr Menschen.
Die erweiterte Verantwortlichkeit bietet dir noch mehr Möglichkeiten für das Thema Jugendförderung...
Ja, ich fördere konsequent und das schon sehr lange, da bin ich auch sehr stolz drauf. Die Arbeit mit talentierten Jungschauspielern macht mir wahnsinnig Spaß. Die aktuelle Generation von 25-Jährigen ist sehr stark. Wie sie auf die Bühne kommen und ihren Platz einnehmen, das begeistert mich jedes Mal.
Unser Dossier über Familie handelt davon, wie wir die Erlebnisse früherer Generationen unterbewusst in uns tragen. Kannst du das nachvollziehen?
Ja. Ich glaube, dass alle, die im Dritten Reich sozialisiert worden sind, ihre Verdrängungsmechanismen hatten, die auch ihr späteres Familienleben geprägt haben. Mein Vater zum Beispiel hatte sich nach dem Krieg geschworen, nie wieder aggressiv gegenüber anderen Menschen aufzutreten. Das machte ihn aber auch manchmal konfliktunfähig. So stauten sich viele Dinge unausgesprochen in seinem Innersten an. Bei meiner Mutter war es ähnlich. In den 70er-Jahren sind dann bei beiden plötzlich Emotionen explodiert, die jahrelang verdrängt worden waren. Ich glaube, dass die Scheidung meiner Eltern davon stark beeinflusst war.
Wie alt warst du, als sich deine Eltern getrennt haben?
Das Problem war, dass sie sich jahrelang getrennt haben. Es fing an, als ich neun Jahre alt war. Als ich 13 Jahre wurde, haben sie sich endgültig scheiden lassen. Die Hauptdebatte zwischen ihnen ging aber erst los, als ich in der Pubertät war. Und ging weiter, bis ich das Studium mit 25 fast beendet hatte.
Du erzählst gern von einer Situation, als du mit 17 Jahren einmal während eines gemeinsamen Essens das Tischtuch heruntergerissen hast.
Damals wollte ich eine Art Schock-Moment provozieren, und das ist mir auch gelungen, weil es wirklich von Herzen kam. Meine Aktion war eine Mischung aus der Enttäuschung über die jahrelange Trennung meiner Eltern und der Frustration über die eigene Familiengeschichte in der Nazi-Zeit. Ausgelöst von der amerikanischen Holocaust-Fernsehserie wollte ich die Wahrheit wissen. Wo sind eure Nachbarn geblieben? Was habt ihr gewusst? Was habt ihr euch zuschulden kommen lassen? Es ging damals vielen jungen Menschen so wie mir.
Hast Du mit Deinen Eltern Frieden geschlossen? Verstehst Du jetzt besser, warum sie sich damals so verhalten haben?
Zum Teil, ja. Ich kann noch heute mit meinem 90jährigen Vater sehr gut diskutieren. Er möchte das auch und wir holen damit Vieles nach. Ich bin stolz und freue mich, dass diese Familie - trotz der schlimmen Scheidung - in dem hohen Alter meiner Eltern noch einmal zusammen gekommen ist. In einer offenen Begegnung. Aber das war nur möglich aufgrund der zahlreichen Krisen, durch die wir gemeinsam gegangen sind.
Können wir uns von den Erlebnissen der früheren Generation ganz befreien?
Ich glaube nicht, dass das geht. Und das muss auch nicht sein – vielleicht ist es der falsche Ansatz. Ich kann ja auch nicht sagen „Ich bin nicht das Kind dieser Eltern“ oder ignorieren, dass meine Eltern diese Zeiten erlebt haben. Ich finde es statt dessen viel spannender, bewusst damit umzugehen. Nur so können wir aus der Geschichte lernen. Die enorme Hilfsbereitschaft der jungen Leute im Rahmen der Flüchtlingsproblematik zeigt aktuell, dass wir unseren Geschichtsbegriff sehr genau reflektiert haben. Das finde ich großartig. Denn plötzlich zeigt sich in Deutschland eine ehrliche Weltoffenheit. Ein Hoffnungssignal! Endlich haben wir eine Haltung zu unserer eigenen Geschichte entwickelt, einen bewussteren Umgang mit unserer Vergangenheit.
Deine aktuelle Fernseh-Produktion „Ku’damm 56“ behandelt auch einen Teil unserer Geschichte ...
Ja. In diesem Dreiteiler mit Claudia Michelsen geht es um die Körperlichkeit und nicht ausgelebte Sexualität in den 50er-Jahren. Um die damalige Schwierigkeit, sich als Frau frei zu entfalten. Der weibliche Emanzipationsprozess stand damals ganz am Anfang und wurde teilweise stark behindert. Es ist ein sehr weiblicher Stoff. Bei der Produktion dachte ich oft an meine Mutter. Ihre Körperlichkeit war geprägt vom Leistungsprinzip beim BDM im Dritten Reich, sie hatte überhaupt keinen inneren, sinnlichen Bezug zu ihrer individuellen weiblichen Körperlichkeit. Bei „Ku’damm 56“ geht es um Frauen auf der Suche nach einer neuen Position in der Gesellschaft. Wie weit ist die Emanzipation heute vorangeschritten? Es hat sich einiges bewegt. Früher hatten wir im Regieberuf über 75 Prozent männliche Bewerber, heute sind wir bei einem Verhältnis von 50 zu 50. Ich bin dankbar dafür, dass wir endlich mehr weibliche Bewerbungen haben. Es gibt aber leider immer noch Frauen, die nicht emanzipiert sind. Frauen, die mit einer aufgesetzten Weiblichkeit begeistern wollen und glauben, sie können damit meine Meinung beeinflussen. In meinen Entscheidungen bin ich jedoch vollkommen sachlich orientiert. Mit Frauen, die nicht emanzipiert sind, kann ich nicht arbeiten. Zum Glück gibt es auch unglaublich viele Frauen, die in ihrer Emanzipation klar dastehen und die mir mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Weiblichkeit genauso gegenübertreten, wie ich ihnen in meinem Selbstbewusstsein als Mann gegenübertrete.
Möchtest du den Frauen von heute etwas mit auf den Weg geben?
Wir sollten alle viel mehr an die eigene Wertigkeit glauben. Und uns aus Strukturen entfernen, die diesen Wert nicht respektieren.
Und gibt es ein Motto, das dich durchs Leben trägt?
Nein, ich definiere mein Lebensmotto täglich neu. Ist doch viel besser, als 30 Jahre dem gleichen anzuhängen.
Nico Hofmann wurde 1959 in Heidelberg geboren, volontierte zunächst beim „Mannheimer Morgen“, bevor er an der Hochschule für Fernsehen und Film in München studierte. Als Produzent und Regisseur wurde er vielfach ausgezeichnet. Er setzt sich selbst seit Jahren für den Filmnachwuchs ein. 1999 rief er mit Bernd Eichinger den Nachwuchspreis FIRST STEPS ins Leben. Seit 2013 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der UFA FICTION. Seine achtteilige Event-Serie „Deutschland 83“ mit Jonas Nay und Maria Schrader läuft ab 26.11. auf RTL (Bild links).
Nico Hofmanns Lieblingsorte in Berlin
Katarzyna trifft ... Kathrin Severin
Katarzyna trifft ... Jessica von Bredow-Werndl