Nichts inspiriert unsere Chefredakteurin so sehr wie andere Menschen. Jeden Monat erzählt sie hier von ihren Treffen. Diesmal sprach sie mit dem Familienunternehmer Valentin von Arnim.
Iris von Arnim wurde gerade 70, ihr gleichnamiges Kaschmir-Label 35. Ein Gespräch mit Sohn Valentin über berufliche und private Mutter-Sohn-Beziehungen.
Wie ist es für Dich eine so weiblich aufgeladene Traditionsmarke als Mann und Sohn zu führen?
Nicht leicht. Ich muss auf der einen Seite sehr sensibel sein. Auf der anderen Seite bin ich distanzierter, als meine Mutter. Sie ist als Frau viel enger mit ihren Mitarbeitern, sieht ihre Firma als Familie. Ich habe hingegen das Gefühl, dass ich professioneller führen muss, über Ziele, die wir vorgeben, mit Feedbackgesprächen. So führe ich eher auf einer professionellen Ebene, wohingegen sie bisher auf einer sehr emotionalen führte, was sicherlich auch daher rührte, dass sie alleinerziehende Mutter und Unternehmerin ist. Es herrschte immer eine große Nähe zwischen Privatem und der Firma. Meine Mutter wohnt heute immer noch im obersten Stock unseres Firmensitzes. Diese Nähe möchte ich nicht mehr haben. Denn das Geschäft hat sich sehr verändert, ist viel globaler geworden. Heute ist Iris von Arnim viel breiter aufgestellt. Wir produzieren z.B. wir nicht mehr nur Strick, sondern bieten eine ganze Konfektion, verschiedene Garne an. Die größere Aufstellung erfordert auch eine professionellere Führungsstruktur. Dazu: ich kann meine Mutter nicht imitieren. Ich bin weder Designer, noch Frau. Ich bin ein Mann.
Und ich wünsche mir mehr Vielfalt! Versuche mehr Männer in unser Team zu bringen. Bevor ich kam, gab es in unserem Unternehmen nur Frauen.
Wie ähneln oder unterscheiden sich Eure Führungsstile?
Iris ist extrem in allem drin und dran, da sie alle Produktionsschritte schon mal selbst ausgeführt hat. Sie möchte alles kontrollieren, überwachen und sehen. Sie ist dabei der "Zuckerbrot und Peitsche-Typ". Sie kann in den Himmel loben, aber auch sehr hart sein, wenn jemand nicht ausführt, was sie mehrmals erklärt hat. Das nimmt sie dann auch mal persönlich. Ich mein Führungsstil ist ruhiger. Man kann heute nicht mehr mit einer Brechstange ein Unternehmen führen. Motivation, Respekt, der Austausch über Ziele des Unternehmens und das Gefühl, vom Arbeitgeber gehört zu werden, sind entscheidend. Es ist wichtig auf Mitarbeiter einzugehen und sie nach ihren Möglichkeiten zu führen.
Was sind Deine aktuellen größten Herausforderungen - in Eurer beruflichen Beziehung sowie in Eurer privaten Beziehung?
Das Schlimmste ist, dass wir immer über die Firma sprechen. Das abzustellen ist schwierig, denn unsere Gedanken kreisen stets um unser Unternehmen. Vor allem, weil wir auch in der Familie nur zu zweit sind. Ich würde mir wünschen, dass wir das mal ändern und auch mehr über Privates sprechen. Das ist übrigens immer leichter für uns, wenn eine dritte Person dabei ist.
Das Weitere ist, dass sich in unserer Mutter-Sohn-Beziehung meine Mutter immer verantwortlich fühlt, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Sie denkt dann immer, sie hat versagt, da sie mir etwas nicht richtig beigebracht hat. Ich kann hingegen als Mann eine harte Ansage viel besser verkraften, als ihre persönliche Enttäuschung. Ein Chef, der mich kritisiert, ist leichter zu handeln, als eine Mutter, die eigene Fehler persönlich nimmt.
Zudem: Wir müssen unser Unternehmen jetzt in die nächste Generation führen. Dabei brauchen wir meine Mutter in ihrer größten Stärke: dem Design. Sie möchte aber natürlich in allen Bereichen weiterhin mitmischen, was ich auch verstehen kann, weil es ihr Lebenswerk ist und weil sie zu allem eine Meinung hat. Daher ist es nicht leicht. Die Veränderung muss ein behutsamer Prozess sein, bei dem sie Vertrauen gewinnt und der ihr die Möglichkeit gibt, sich in kleinen Schritten zurück zu ziehen. Und ich brauche dabei eine dicke Haut. ;-)
Welche Akzente möchtest Du setzen?
Das Unternehmen verändert sich, da sich auch der Modemarkt kontinuierlich wandelt. Wir setzen immer mehr auf den eigenen Retail. Öffnen immer mehr eigene Geschäfte (z.B. Düsseldorf, Kitzbühel im Sommer), haben eine internationale Marketingagentur, da es wichtig ist, auch international bekannter zu werden - über Hollywood-Stars, die I.v.A. tragen. Bisher war I.v.A. ein Produktunternehmen. D.h. meine Mutter hat ein großartiges Produkt entwickelt, da sie sich immer nur auf die Entwicklung des perfekten Produktes - auch für sie als Trägerin - konzentriert hat. Sie hat sich dabei aber nie Fragen zum Marketing oder zu der Entwicklung einer Markenwelt gestellt. Heute hat Marketing einen viel größeren Stellenwert. Dazu geht es heute um die Schaffung eines ganzen Looks und um ein Markenunternehmen.
Was bedeutet Schönheit für Dich? Wann ist eine Frau für Dich schön?
Ausstrahlung, schöne Augen spielen eine große Rolle. Mit Porzellanpuppen kann ich wenig anfangen. Souveränität und eine eigene Meinung, sind wichtig. Es geht mir um die Aura, die jemand ausstrahlt und nicht um die perfekten Features.
Valentins Lieblingsorte
Valentin von Arnim, 36, Sohn der Kaschmirdesignerin Iris von Arnim, studierte Kunstgeschichte und Wirtschaft in den USA und arbeitete zunächst als Investment Banker, bevor er ins Familienunternehmen einstieg. Sein Lebensmotto: Es geht nicht darum, Trends nachzurennen, sondern darum, einen eigenen Stil zu finden, in dem was man denkt, sagt und wie man lebt – und dann authentisch seinen Weg zu gehen.
Mutter & Sohn-Beziehung
Du bist mit Deiner Mutter als Alleinerziehende aufgewachsen. Eure Beziehung ist dadurch sehr eng und intensiv. Wie hast Du Deine Kindheit erlebt, als Sohn einer sehr temperamentvollen, energievollen und arbeitswütigen alleinerziehenden Mutter?
Meine Mutter hat sehr viel gearbeitet und war sehr viel unterwegs. Ich wurde erzogen, dass Alleinsein, Selbständigkeit und frei sein gut sind. Ich habe als Kind sehr viel Sport gemacht, war viel bei Freunden. Habe mich nie allein gefühlt, denn ich wusste, dass meine Mutter da ist, wenn ich sie brauchte. Zwar war sie selten da. Aber wenn sie kam, war sie sehr stark und konnte immer meine Probleme lösen.
Wir waren nicht die Familie, die ihre Rituale hatte. Das gemeinsame Abendessen am Sonntagabend... Ich war in unserer Familie eher der Mann, als der Sohn. Ich habe allein morgens gefrühstückt, war viel allein unterwegs. Bin ab sechs Jahren allein geflogen und mit 10 Jahren allein mit Freunden in Urlaub gefahren. Es war ok. Ich wurde so erzogen, dass es für mich normal war.
Was hast Du vermisst?
Natürlich habe ich eine starke Vaterfigur vermisst, wenn ich bei meinen Freunden war, einen Vater, mit dem ich über Fußball sprechen konnte und so. Vielleicht bin ich auch deshalb zunächst Banker geworden, wie die Väter meiner beiden besten Freunde.
Worüber streitet ihr?
Wir haben gelernt, dass Konflikte zu unserer Beziehung gehören. Und haben auch Coaches, die uns helfen unsere Konflikte zu lösen.
Wir vertrauen und lieben uns hundertprozentig. Deshalb kommen wir durch. ;-)
Ein Trigger Point ist, dass Iris überzeugt ist, dass ich ein Designer hätte werden müssen, um die Marke führen zu können. D.h. um jedes Detail selbst zu kennen. Ich glaube hingegen, dass ein Gesamtblick entscheidend ist, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Das findet sie überhaupt nicht. Zudem bin ich ruhiger und versuche die Mitarbeiter mehr zu verstehen, als zu hart durchzugreifen.
Was hast Du von Iris gelernt?
Disziplin. Sie ist wie eine Soldatin, nie k.o. zu bekommen. Kraft. Sie fällt nicht um. Sie gibt nie auf. Dabei ist sie auch unglaublich authentisch. Sie kann keine Geschichten erzählen. Sie kann nur echt sein. Sie erzählt wie es ist und wie sie fühlt. Das macht sie aus.
Eure Marke entsteht mit viel Disziplin, viel Härte und Arbeit. Wie schafft man es, dass die Marke dennoch viel Luxus und Leichtigkeit ausstrahlt?
Intern ist wenig Leichtigkeit, mehr Arbeit. Wir kämpfen jede Saison aufs Neue damit, wie wir technisch vorankommen und dicken Strick leicht und dünnen Strick warm machen können, damit diese Leichtigkeit erreicht wird. Technik spielt bei uns eine immer größere Rolle. Die kontinuierliche Weiterentwicklung ist wichtig. Denn ach das schwere Kaschmir muss beim Tragen eine Leichtigkeit versprühen, die unsere Kundin erwartet.
Aber vielleicht ist es auch das Produkt. Dass man sich mit unserer Marke selbst etwas Gutes tun möchte. Iris von Arnim ist das Gegenteil von einem Porscheschlüssel, den man demonstrativ auf den Tisch legt. Wir sind keine laute Marke. Es geht darum etwas für sich zu tun. Etwas Leises. Etwas Wertvolles. Die Marke strahlt Lässigkeit aus. Ganz wie meine Mutter. Sie ist unangepasst. Hat ihren Stil. Und sie zieht sich dabei jünger an, als 90% meiner Freundinnen.
Lebensmotto?
Es geht im Leben nicht darum, Trends nachzurennen. Sondern darum, seinen eigenen Stil zu finden, nicht nur in den Klamotten, sondern vor allem in dem was man sagt, was man denkt und wie man lebt. Einen individuellen Stil in dem man sich wohl fühlt. Mit dem man authentisch sein kann. Es ist wichtig im Leben seinen Weg zu gehen und seine Meinung zu haben.