Nichts inspiriert unsere Chefredakteurin so sehr wie andere Menschen. Jeden Monat erzählt sie hier von ihren Treffen. Diesmal sprach sie mit Modelcoach und Catwalk-Trainer Jorge González.
Katarzyna Jorge 300
Bild: privat
Jorge González’ Leitspruch lautet: "Wie du gehst, so gehst du auch durchs Leben!" Ich treffe ihn im Bistro Engelke, seinem Lieblingscafé in Hamburg-Eppendorf, und wir reden: Darüber, wie wir mit mehr Nähe zu uns selbst, au- thentischer und selbstbewusster sein können. Und glücklicher.
Wo ist deine Heimat?
Meine Wurzeln sind in Kuba, mein Zuhause ist hier in Hamburg. Ein zweites Zuhause habe ich in der Tschechoslowakei, wo ich Nuklearökologie studiert und eine tolle Zeit verbracht habe.
Von der Naturwissenschaft zum Gang mit Haltung – ein ziemlich weiter Weg.
Schon als Kind war ich fasziniert davon, wie sich Frauen auf ihren Schuhen bewegten. Später, neben meinem Studium, habe ich ein bisschen gemodelt und getanzt. Als ich irgendwann eine Choreografie mit vielen Frauen tanzen sollte, sah ich, dass sie sich auf ihren High Heels nicht wirklich bewegen konnten. Ich zeigte ihnen dann, wie es geht.
Die aufrechte Haltung ist für dich die Quelle zum Selbstbewusstsein ...
Ja. Vielen Frauen fehlt das Selbstbewusstsein, weil sie schon als Kind gehört haben, sie seien nicht hübsch. So eine negative Prägung kann man aber auch wieder loswerden, denn durch eine aufrechte äußere Haltung lässt sich die innere Haltung positiv beeinflussen.
Du trainierst Frauen jeglichen Alters in deiner Chicas Walk Akademie. Was genau ist denn der "Chicas Walk"?
Eine Balance zwischen den inneren Werten, verbunden mit dem Spaß auf High Heels zu laufen und der Chance sich zu präsentieren. Ein Spiel, das tatsächlich nachhaltig selbstbewusst macht. Denn Selbstbewusstsein kommt von innen. Es geht darum, aufrecht durchs Leben zu gehen und sich anzunehmen, wie man ist.
Was ist für dich Schönheit?
Wenn die innere Schönheit nach außen dringt und eine Aura entsteht. Das ist eine Schönheit, die dir keiner nehmen kann, auch nicht die Zeit.
Warum tun sich deutsche Frauen oft so schwer mit ihrem Selbstbewusstsein?
In Deutschland lernen Mädchen, dass sie nicht auffallen dürfen. Das prägt. Wenn sie dann aber als Erwachsene durch Südeuropa reisen und sich dort auffälliger stylen, bekommen sie oft Komplimente. Sie begreifen, dass sie selbst darüber entscheiden können, wie sie wahrgenommen werden. Das macht sie stark und beeinflusst ihre Ausstrahlung positiv.
Hast du sonst noch einen Tipp für uns?
Steh auf, schau in den Spiegel und sag zu dir: „"Ich bin gut, so wie ich bin." Dann bewege dich, tanze etwas und lache wie eine Verrückte in den Spiegel. Das stärkt das Selbstwertgefühl.
Wann hast Du hast Dich bewusst dafür entschieden, aus der Reihe zu tanzen, eine Marke zu werden?
Ich habe mich nie dafür entschieden eine Marke zu sein. Aber ich habe bestimmte Markenzeichen, die mir wichtig sind: Lebensfreude, Kommunikation, meine High Heels, mein Modebewusstsein, meine Lust, Trends auf meine eigene Art zu setzen. Viele junge Leute sagen, Du bist mir sympathisch, da Du wie ein Rebell bist. Sie meinen, dass ich mein Ding mache, d.h. das mich nicht interessiert, was die anderen sagen, sondern dass ich mache, was mir wichtig ist, weil ich glücklich sein möchte. Warum? Weil ich in Kuba, als ich entdeckt habe, dass ich homosexuell bin, ein zweites Ich für mich kreiert habe. Denn in der Gesellschaft war damals die Homosexualität verboten. Dieses zweite Ich hat mir Kraft gegeben. Als ich dann nach Europa gekommen bin, konnte ich die innere Freiheit fühlen. Ich spürte, dass ich endlich sein konnte, wie ich wollte und dass mir das keiner mehr nehmen konnte. Und diejenigen, die mich seit zwanzig Jahren kennen, wissen, dass ich immer schon so war. Ich hatte immer Ziele, wollte etwas erreichen. Und wenn ich aufrecht auf meinen High Heels gehe, dann bin ich nicht mutig, denn ich mache das einfach gerne und genieße es.
Wie schafft man es, immer so selbstbewusst zu sein? Ist es Übung?
Ich glaube, das ist vielleicht auch genetisch. Ich habe einen 94jährigen Vater, der genauso ist wie ich. Ich glaube, dass selbstbewusst sein, viel damit tun hat, Lust zu haben, nach draußen zu gehen und mit anderen zu kommunizieren. Es hat nichts mit unserer Schale, also mit unserem Körper zu tun. Selbstbewusstsein kommt von innen. Und ich will das Leben auf meine Art genießen. Möchte glücklich sein. Und egal was kommt, gehe ich daher aufrecht durchs Leben. Denn es geht nur um mich. Zunächst muss ich glücklich sein. Und nur wenn Du Dich selbst liebst, kannst Du auch jemanden anderen lieben und frei sein. Davon bin ich überzeugt.Wir können nicht jedem gefallen und immer versuchen es allen recht zu machen. Das wäre scheinheilig und nicht authentisch.
Und auch sich selbst gegenüber muss man ehrlich sein. So lange ich in den Spiegel schaue, mich gut fühle und denke, dass ich so wie heute aus dem Haus gehen kann, werde ich das machen.
Was ist Dein Lebensmotto?
Du bist gut, wie Du bist. Wie Du gehst, so gehst Du auch durchs Leben. Ich meine dabei die Haltung. Egal, was Du machst, mach es mit Haltung. So wirst Du Deinen Weg finden.
Wie definierst Du Haltung?
Ehrlichkeit, Selbstbewusstsein und Verantwortung für alles, was du tust. Egal was Du tust, als mediale Person, mache ich das, was ich mache mit viel Verantwortung und Haltung, da ich viele Kinder und Jugendliche als Fans habe. Und finde es schön, dass mich die jungen Menschen akzeptieren so wie ich bin. Dass ich mit ihnen sprechen kann und ihnen sagen kann, dass ich so bin, wie ich bin, aber trotzdem ein guter Mensch bin. Ein Mensch, der familiär ist, seine Familie liebt und Verantwortung übernimmt. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen begreifen, dass der Mensch zählt. Und nicht seine Ausrichtung oder sein Aussehen. Es ist ganz traurig, dass es bei uns in der Gesellschaft immer noch ein Thema ist, wenn jemand z.B. homosexuell ist. Mensch ist Mensch, egal wie dünn, wie groß oder welche Orientierung er hat. Ich nehme jeden Menschen wie er ist. Auch das ist Haltung. Und zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich mich sehr freue, dass mein Land Kuba endlich weltoffener wird. Ich habe nicht vergessen, woher ich komme und daher selbst einige Projekte in Kuba gestartet. Da wird es helfen, dass sich Kuba endlich etwas öffnet.
Jorges Lieblingsorte in Hamburg
Jorge González, 47, auf Kuba geboren, studierte Nuklearökologie in Bratislava. Er startete seine Karriere als Model, arbeitete dann als Stylist und Modelcoach. 2010 hatte er seinen Durchbruch als Catwalktrainer bei "Germany’s next top- model". Vier Jahre später eröffnete er die Chicas Walk Academy in Hamburg. Er ist unter anderem Juror bei RTLs "Let’s Dance". Jorge unterstützt viele soziale Projekte.