Der Grimme-Preisträger Jonas Nay sprach mit uns über seine Heimat, die Liebe zur Musik und warum er privat überhaupt keine Schauspielerinnen mag
emotion: Jonas, wenn man bei deutschen Schauspielern ein Interview anfragt, bekommt man manchmal schon vor dem Gespräch eine Liste mit Themen, über die nicht gesprochen werden darf.
Jonas Nay: Echt?
Ja! Bei dir haben wir so eine Liste nicht bekommen…
Nö! Man muss ja nicht antworten. Das versteh ich immer nicht: Manche kriegen totale Panik, dass eine Frage kommen könnte, die ihnen nicht passt. Dann sagt man halt nix! Also ich kann verstehen, dass man sich selber schützen will. Aber man kann ja auch sortieren, was man erzählt und was nicht. Ich habe bei mir nicht das Gefühl, dass ich einen Teil meines Lebens komplett ausklammern muss.
Du bist 24 Jahre alt, hast unter anderem den Grimmepreis gewonnen und mit Stars wie Tobias Moretti oder Wotan Wilke Möhring gedreht. Angeblich ist die Schauspielerei aber nur dein Hobby und in Wahrheit gehört dein Herz der Musik.
So würde ich das nicht sagen. Die Schauspielerei ist mein Beruf. Ich nehme das sehr, sehr ernst und bin da auch ein totaler Perfektionist.
Eigentlich studierst du ja Jazzpiano an der Musikhochschule in Lübeck.
Ja, allerdings bin ich gerade im zweiten Urlaubssemester, weil ich seit fast neun Monaten Filme drehe.
Was bedeutet Musik für dich?
Musik bedeutet für mich Heimat. Ich spiele Klavier seit ich sechs bin. Ich war auf einem Musikgymnasium, hab früh angefangen in Bands zu spielen. In die Schauspielerei bin ich reingeschlittert, aber wenn mich jemand fragt, was ich gelernt habe, würde ich sagen: Setz mich ans Klavier, das kann ich!
Was Jonas Nay für Musik macht? Hören Sie doch mal rein!
Du lebst in einer Kleinstadt, ist dir das nicht zu langweilig? Du könntest ja auch nach Berlin ziehen, da ist doch viel mehr los!
Ich bin in Lübeck aufgewachsen und habe es nie so richtig weit weg geschafft. Nach dem Abitur habe ich in Hamburg und in Rostock gewohnt. Und irgendwann habe ich gedacht: Ey komm, was soll das, Lübeck ist so geil! Das Wasser, die Ruhe, das Beschauliche. Ich hab dort mein Musikstudium, meine Freunde, meine Familie und meinen Handballverein.
Der Schaupieler Elyas M'Barek hat mal gesagt, dass er immer so viel Glück in seinem Leben hatte, dass er Angst hat, dass es irgendwann mal knallt und ihm etwas Schlimmes passiert. Kannst du solche Gedanken nachvollziehen?
Ich mache mir schon sehr bewusst, wie gut es mir gerade geht. Ich bin einfach tierisch glücklich. Ich habe die Musik. Ich habe die Schauspielerei. Aber ich weiß auch, dass es nicht immer bergauf gehen kann. Dass die blöden Phasen kommen werden, dessen bin ich mir bewusst. Aber das muss ich ja auch nicht heraufbeschwören.
Es gibt ja eine Theorie, dass sich Kreativität in der Schauspielerei und der Musik aus Traurigkeit und Kränkungen speist.
Das kann sein, aber ich sehe mich nicht als Method-Actor (Anm. d. Redaktion: Jemand der sein Spiel aus Erinnerungen aufbaut). Echt nicht! Ich hab so eine verdammt schöne Kindheit gehabt.
In dem TV-Dreiteiler „Tannbach – Schicksal eines Dorfes" (ab 4. Januar um 20.15 Uhr im ZDF) spielst du einen Jungen, der nach dem Zweiten Weltkrieg Bilder aus dem Konzentrationslager sieht und begreift, dass sein Vater dort umgebracht wurde. Ein extreme Szene.
Ja. Und da kann mir kein Schauspieler erzählen, dass man nachempfinden kann, wie man sich in so einem Moment fühlt. Es gibt Grenzen. Man kann sich so einer Rolle immer nur annähern. Deshalb ist man ja Schauspieler. Ich sehe das pragmatisch.
Trotzdem musstest du dich ja irgendwie in den Charakter einfühlen.
Wir wurden im Vorhinein mit sehr viel Materialien aus der Zeit versorgt. Die Drehbücher haben mich dann so begeistert, dass ich selbst recherchiert habe. Ich wollte dringend wissen, wie mein Charakter Friedrich wohl gelebt hat, wie er fühlt und was seine Träume sind. Wenn man dann ans Set kommt, gibt man sein Bestens und hofft, dass es die Zuschauer berührt.
Wie ist es, wenn du dich im Kino auf der Leinwand siehst? Findest du dich dann toll oder denkst du: Oh Gott …
Gibt's beides! Mal denkt man: Hey, das sieht gut aus! Und mal: Diesen Anblick kannst du doch nicht auf die Menschheit loslassen (lacht). Aber wenn der Film fertig ist, kann man es eh nicht mehr ändern. Und es gibt auch viel wichtigere Dinge, als das eigene Aussehen. Zum Beispiel mit wie viel Liebe der Film gemacht ist.
Viele Schauspieler vermarkten sich selbst, du hast nicht mal eine eigene Homepage.
Sich selbst zum Promopaket zu machen, ist nicht so meins. Ich verstehe es, wenn Schauspieler das machen. Es ist ja Teil des Jobs. Ich mache auch gerne Werbung für meine Filme, aber nicht für mich als Person. Das klingt jetzt total langweilig, aber ich bin sehr glücklich, wenn ich meine Ruhe habe und einfach meinen Job machen kann.
Wirst du oft auf der Straße erkannt?
Eigentlich nicht.
Wie siehts aus mit aufdringlichen weiblichen Fans?
Habe ich auch nicht. (lacht)
Was muss denn eine Frau haben, um dich zu begeistern?
Oh, da gibt's vieles.
Anders gefragt: Was geht bei einer Frau gar nicht?
Etwas Gespieltes. Wenn man merkt, dass nicht alles ehrlich ist und jemand nicht die Emotionen zeigt, die er intuitiv in dem Moment hat. Lügen und Machtspiele find ich auch doof. Vertrauen ist sehr wichtig. Und ich finde man sollte überall gemeinsam hingehen können – in die ranzigsten Fussballstadien oder zu Familienfeiern. Empathie finde ich auch sehr wichtig. Schlimm sind Frauen, die nur auf sich selbst fixiert sind und nicht wahrnehmen, wie es anderen geht.
„Monogamie? Sehr wichtig."
Viele Männer haben in deinem Alter ja ihre Sturm und Drang Phase. Wie ist das bei dir? Gehst du viel in Clubs oder Bars?
Ich bin generell jemand, der sein Geld lieber für ein gutes Konzert ausgibt, als für einen Clubbesuch.
Ist dir Monogamie in einer Beziehung wichtig?
Ja! Sehr, sogar.
Der Kunsthändler Vito Schnabel ist ein paar Jahre älter als du und war mit der über 40-Jährigen Heidi Klum zusammen. Könntest du dir vorstellen, dich in eine wesentlich ältere Frau zu verlieben?
Ja, warum nicht? Wenn die Frau toll ist. Wenn's passiert, passiert's! Wenn beide Menschen glücklich sind, dann können sie doch machen was sie wollen.
Was würdest du denn machen, wenn du für einen Tag eine Frau wärst?
Ich würde mich mehrmals am Tag umziehen, mich in ganz verschiedene Frauenrollen werfen und gucken, wie die Leute auf mich reagieren. Und dann würde ich tanzen gehen! (schweigt für einen Moment) Oder ich würde einen Panikschub kriegen, weil ich eine Frau bin.
Zurück zur Musik. Du spielst seit einigen Jahren in der Band „Northern Lights". Pink Floyd ist der Meinung, das Problem an Bands sei, dass es nie genug Aufmerksamkeit für alle gebe.
Wir kommen alle aus dem Jazz, bei uns geht es echt um die Musik, nicht um die Aufmerksamkeit. Wir kennen uns seit der Schule, haben die Band zusammen gegründet. Wir sind beste Freunde seit eh und je. Manchmal machen wir einfach nächtelang Musik im Probenraum und sind die glücklichsten Menschen der Welt.
Was würdest du lieber gewinnen einen MTV-Award oder einen Oscar?
Da die Schauspielerei schon Preise bekommen hat und ich dort sehr erfolgsverwöhnt bin, hätte ich gegen einen MTV-Award nichts einzuwenden. Andererseits: Für mich ist es auch nicht schlimm, wenn unsere Musik für immer auf kleineren Bühnen bleibt. Ganz ehrlich: Preise sind nicht so wichtig.