Bei den Kollegen sind wir witzig. Beim Chef trauen wir uns kaum, etwas zu sagen. Je nachdem, wer uns gegenübersitzt, reagieren wir anders. Man kann seine Schlagfertigkeit allerdings auch trainieren.
Eine Szene vor einem Einkaufszentrum: Eine Frau fährt in eine Parklücke. Als sie die Tür öffnet, herrscht eine Männerstimme sie an: "Wenn Sie das nochmal machen, zeige ich Sie an!" Die Frau blickt den Mann, der das Fenster seines schwarzen City-Geländewagens heruntergekurbelt hat, verunsichert an. "Das ist mein Parkplatz. Ich hatte schon den Blinker gesetzt", schimpft der weiter. Die Frau ist völlig perplex; obwohl sie sich im Recht fühlt, weiß sie nicht, was sie antworten soll.
Eins ist sicher: Für die Frau ist die Sache damit nicht erledigt. Sie fühlt sich gedemütigt und die Szene ist ihr besonders peinlich, weil ihr zehnjähriger Sohn dabei war. Noch Stunden später spielt sie im Geiste die Situation immer wieder durch. Am Abend weiß sie dann endlich, was sie hätte erwidern sollen. Leider etwas zu spät.
Wir alle kennen solche Situationen, in denen Empörung uns in Schockstarre versetzt. Dabei würden wir unserem Gegenüber doch so gern eine passende Antwort um die Ohren hauen. Aber warum gelingt uns das so selten? Weil wir in sozialen Konfliktsituationen - unter Stress - nicht überlegt, sondern automatisch reagieren.
Eine überlebenswichtige Einschätzung
Und diese Reaktionsmuster haben vor allem mit unserem bevorzugten Statusverhalten zu tun. Wann immer wir einem Menschen begegnen, nehmen wir ihm gegenüber entweder einen höheren oder einen niedrigeren Status ein.
Das Motiv für den tiefen Status ist der Wunsch nach Nähe, für den hohen der Wunsch nach Respekt. Die Fähigkeit, die Signale auch bei Fremden blitzschnell richtig zu deuten, war einst überlebenswichtig. Intuitiv sind wir deshalb alle Statusspezialisten.
Wir alle sind ständig in Statusspiele involviert
Der Mann auf dem Parkplatz hat gewusst, dass er die Frau plattmachen kann - und nur deshalb hat er es getan. "Den wenigsten ist bewusst, dass sie ständig Teilnehmer von Statusspielen sind", sagt Johannes Lehner vom Institut für Organisation an der Universität Linz. "Das ist fatal, denn Statusspiele haben sowohl im alltäglichen Umgang als auch im Berufsleben eine fundamentale Bedeutung. "Zwar bauen Unternehmen ihre hierarchischen Strukturen immer weiter ab, die Arbeit wird auf Teams und Netzwerke verteilt, trotzdem werden wir nicht egalitärer. Im Gegenteil: "Je weniger die Unternehmen sich an der Oberfläche hierarchisch geben, desto wichtiger werden andere Dinge, um Status - und somit Macht - zu demonstrieren. "Die Rede ist nicht von der Rolex, dem Porsche oder einem Jil-Sander-Kostüm: "Diese Statussymbole kann man ganz einfach erwerben", so Lehner. "Ein bestimmtes Verhalten nicht. "Dazu gehören Gestik, Mimik, Stimme, Wortwahl, Sprechtempo."
Statusgefüge erkennen
So kann hinter der Äußerung "Frau Kramer, machen Sie das Protokoll" ein abwertendes Kommando oder eine wertschätzende Aufforderung stecken. Die Sitzordnung beim Meeting spiegelt das Statusgefüge, und das Zuspätkommen wird zum Statustest: Warten sie oder fangen sie ohne mich an? "Hat man diesen Mechanismus aber durchschaut, wird das Ganze manchmal sogar amüsant", meint Lehner. Besonders dann, wenn jemand den ihm zukommenden Status verlässt, also aus der Rolle fällt. Viele Comedians arbeiten deshalb mit abrupten Statuswechseln, und Keith Johnstone, einer der Pioniere des Improvisationstheaters, gibt seinen Schauspielern den Rat, sich ganz auf den ihnen in der Szene zugeschriebenen Status zu konzentrieren. Die Dialoge ergeben sich dann fast von selbst.
Den Status von der Automatik befreien
Das Gute daran ist: Man kann auch reale Statuskämpfe aus ihrer Automatik herausholen, wenn man sie auf eine bewusste Ebene hebt und als Inszenierung betrachtet. Ich muss mir nur vorstellen, die Situation, die ich gerade erlebe, fände auf einer Bühne statt. Aus dem Kampf wird dann ein Spiel, in dem ich eine bestimmte Rolle habe. Und diese Rolle kann ich gestalten.
Der Wechsel in den hohen Status kann Sympathienverlust mit sich bringen
"Am besten beginnt man damit, sich selbst zu überprüfen", sagt der Hamburger Regisseur und Managementtrainer Tom Schmitt, der die Leser seines Buchs "Status-Spiele" dazu ermuntert, öfters "mit dem Hochstatus zu flirten". Der Alltag bietet unzählige Gelegenheiten, das eigene Statusverhalten und das der anderen zu beobachten: Wer pflügt im Bahnhof durch die Masse, wer weicht anderen aus? Wer kocht im Büro immer den Kaffee? Wer hält im Kaufhaus anderen die Tür auf? "Es kommt darauf an, ob man mit dem eigenen Statusverhalten zufrieden ist", meint Schmitt. "Wann finde ich es in Ordnung, nachgiebig zu sein? Wann bin ich genervt, weil ich mich nicht durchsetzen kann? Wer vom niedrigen Status in bestimmten Situationen wegkommen will, muss sich darüber im Klaren sein, dass der Wechsel in den hohen Status einen Verlust an Sympathien mit sich bringen kann. Nur wer damit rechnet, hält sich alle Handlungsoptionen offen."
Die Angst, ausgeschlossen zu werden
Den meisten Menschen fällt es schwer, das zu riskieren. Denn Antipathie war schon immer die stärkste Waffe der Gemeinschaft, um ihre Mitglieder in Schach zu halten: Sie enthält die Drohung, ausgeschlossen zu werden. In früheren Zeiten kam soziale Ächtung beinah einem Todesurteil gleich. Aber muss der hochnäsige Kellner mich denn wirklich mögen? Soll der Kollege mein Kumpel sein oder mich vor allem fachlich respektieren? Zurück zu der Frau auf dem Parkplatz: Eigentlich möchte sie sich den unverschämten Kerl nur vom Leib halten. In dieser Situation wäre es durchaus erlaubt, energisch zu werden, doch unwillkürlich lässt sie sich in die tiefe Position drängen. Dabei kann sie auch anders: Ihrem Sohn gegenüber ist sie mit Leichtigkeit in der Lage, den hohen Status einzunehmen. Der Wechsel gehöre ganz selbstverständlich zu unserem Verhaltensrepertoire, meint Statusexperte Schmitt: "Wir müssen ihn nicht als etwas völlig Neues erlernen - sondern das vorhandene Können auf andere Situationen übertragen."
Halten Sie die Balance
Das ist jedoch kein Plädoyer dafür, ständig auf den hohen Status zu pochen. Lang anhaltende gute Kontakte basieren immer auf einer Balance: In der Freundschaft und in der Liebe gehen Respekt und Zuneigung - die beiden entgegengesetzten Statuspole - im Idealfall Hand in Hand. Aber auch beim bewussten Statusspiel geht es nicht darum, sich immer dominant zu zeigen, sondern seine Interessen klug durchzusetzen. Wer ein Projekt vorantreiben will, wird mit Hochstatusgebaren andere nur schwer für sein Anliegen gewinnen. Und es ist auch nicht ratsam, dem Chef "hoch" zu begegnen. Vielmehr kann es geschickt sein, nach außen "tief" zuspielen - solange man entschlossen ist, sein Ziel zu erreichen. Denn welchen Status wir fühlen und welchen wir nach außen zum Ausdruck bringen, stimmt nicht zwangsläufig miteinander überein. Schmitt: "Der innere Status bildet das Gerüst, der äußere die Fassade. Je stabiler das Gerüst, also das eigene Selbstwertgefühl, desto flexibler kann es verschiedene Fassaden tragen."
Schlagfertigkeit heißt: nicht zu viel Respekt
Menschen, die sich gut auf andere einstellen können, wirken auf ihre Mitmenschen häufig charismatisch. Gute Führungskräfte sind darin Virtuosen: Sie wissen um ihren hohen Status, ohne ihn ständig zu zeigen. Die Kunst ist, in der jeweiligen Situation angemessen auf das Statusverhalten des Gegenübers zu reagieren. "Das Leben ist kein Ponyhof", hätte die Frau auf dem Parkplatz sagen und den Mann einfach stehenlassen können. "Schlagfertigkeit", so Schmitt," heißt, anderen nicht mit zu viel Respekt entgegenzutreten." Doch dazu müssen wir die Angst vor dem Hochstatus verlieren. Schmitt: "Mit dem Status zu spielen, heißt ausprobieren und üben."
Das Status-Model nach Tom Schmitt, Management-Trainer
Unser Statusverhalten richtet sich an je zwei entgegengesetzten Polen aus: Auf der Machtachse bewegen wir uns zwischen Nachgiebigkeit und Durchsetzungsvermögen, auf der Beziehungsebene zwischen Ablehnung und Sympathie. Wobei der Status, den man fühlt, nicht immer der Position entspricht, die man nach außen zeigt. Es gibt folgende vier Statustypen:
Die Arrogante
Sie zeigt zwar Stärke, ist aber nicht so selbstsicher, wie sie scheint. Sie verschärft mit ihrem Umgangston Konflikte, verspielt Sympathien und setzt sich trotzdem nicht immer durch.
Die Charismatikerin
Sie weiß, was sie will, verfolgt ihre Ziele aber diplomatisch - und meist mit Erfolg. Sie kann sich meist gut auf verschiedene Statusgruppen einstellen und sich angemessen anpassen.
Die Teamplayerin
Sie scheut den Konflikt und gibt schnell nach, um die Harmonie zu wahren. Sie wird zwar gemocht, aber nicht unbedingt respektiert.
Die Macherin
Sie fühlt sich überlegen und tritt auch so auf. Sie sucht den Konflikt und pfeift auf Sympathieverluste. Sie verhält sich aber oft so unflexibel, dass sie eine bezwingbare Statusgegnerin ist.