Thomas Vasek, Chefredakteur des neuen philosophischen Magazins "Hohe Luft", erzählt, warum er sich Notlügen inzwischen lieber verkneift und was Kinder zu guten Philosophen macht.
EMOTION: Herr Vasek, warum ist gerade jetzt die Zeit reif für ein Philosophie-Magazin?
Thomas Vasek: Ich habe das Gefühl, dass die Welt immer komplexer und unüberschaubarer wird. Wer versteht heute schon noch die Finanzmärkte? Oder die Informationsflut, die durch das Internet über uns hereinbricht. Es gibt ein Bedürfnis nach Sinn. Die Menschen fragen sich, was das Wesentliche ist. Was hat das alles zu bedeuten? "Hohe Luft" betrachtet aktuelle Themen aus dem Blickwinkel der Philosophie und kann so helfen, sich zurechtzufinden.
Wie kann uns Philosophie im Alltag weiterbringen?
Philosophie bietet keine Patentlösungen. "Hohe Luft" versteht sich nicht als Ratgeber. Wir können die Menschen jedoch dazu inspirieren, über Fragen des Lebens auf eine bestimmte Weise nachzudenken, die hilft, mehr Klarheit zu gewinnen. So hat die Philosophie möglicherweise sogar etwas Therapeutisches.
An wen richtet sich "Hohe Luft"?
An jeden, der über Fragen des Lebens nachdenkt, etwa ob Glück wirklich das Lebensziel sein sollte.
Verraten Sie mir ein konkretes Thema.
Wir beschäftigen uns mit dem Lügen. Darf man lügen? Und wenn ja, unter welchen Umständen? Wir lügen alle, der eine mehr, der andere weniger. Wir wollen die Leser im positiven Sinn aus dem Gleichgewicht bringen. Sie dazu bringen, innezuhalten und ihre Gewissheiten zu hinterfragen. Im Alltag macht man sich selten Gedanken über so etwas, aber es kann anregend sein, darüber nachzudenken. Vielleicht kann es den einen oder anderen sogar dazu bringen, das eigene Verhalten zu ändern.
Haben Sie aus der Lügengeschichte für sich gelernt?
Während ich die Geschichte schrieb, habe ich mich mehrfach in Alltagssituationen ertappt, in denen ich früher vielleicht geschwindelt hätte. Kleine Lügen, etwa um einen lästigen Anrufer abzuwimmeln. Mir wurde klar, wie leicht ich es mir früher gemacht habe – und dass mich diese Ausreden nicht weiterbringen.
Was zeichnet die philosophische Art zu denken aus?
Wir stellen Fragen, zu denen jeder eine Meinung hat. Oft werden die aber gar nicht weiter durchdacht, sondern man bleibt bei seiner intuitiven Haltung dazu stehen. Wir gehen den Schritt darüber hinaus und fragen: Was will ich eigentlich? Unterliege ich möglicherweise Vorurteilen? Oder täusche ich mich selbst? Als Kinder haben wir Dinge ganz natürlich hinterfragt. Kinder fragen bei allem "Warum?", das macht sie zu guten Philosophen.
Welche Frage beschäftigt Sie selbst besonders?
Mein Vater ist schwer an Demenz erkrankt. Viele glauben, das sei ein menschenunwürdiger Zustand und dass es für ihn besser wäre, tot zu sein. Mich hat daher die Frage sehr bewegt, was einen Menschen ausmacht. Hat mein Vater noch ein Selbst? Mir wurde immer deutlicher, dass geistige Leistungsfähigkeit allein die Person nicht ausmacht. Und dass man bei der Vorstellung von seinem eigenen Selbst sehr viel bescheidener sein sollte.
Verstehe ich "Hohe Luft", auch wenn ich normalerweise nicht zu philosophischen Büchern greife?
Wir versuchen, philosophischen Jargon zu vermeiden. Jeder, der Lust hat, sich auf eine Denkreise zu begeben, kann das Heft mit Gewinn lesen.
Kann Philosophieren nicht auch anstrengend sein?
Das Heft hat eher den Charakter eines Gesprächs zu später Stunde zwischen zwei Freunden. Vielleicht mit einer Flasche Wein dabei. Und plötzlich taucht ein Thema auf, das die beiden so interessiert, dass sie die Nacht durchdiskutieren.
Was bleibt, wenn der Rotwein ausgetrunken ist?
Das Gefühl, dieses Thema und sich selbst ein Stück weit besser verstanden zu haben.
"Hohe Luft", eine Sonderedition von EMOTION, will die Lust am Philosophieren wecken. Am 17.11.2011 erscheint die erste Ausgabe. Weitere Informationen unter www.hoheluft-magazin.de.