Regula Guhl lebt im Blütenparadies. Egal ob die Floristin kunstvolle Arrangements steckt oder Feldblumen bindet - wer bei ihr aus dem Laden kommt, hat einen Strauss Freude im Arm.
Wer das Altstadthaus im Zürcher Oberdorf betritt, tritt in eine schönere Welt – voller Frieden, Farbensinfonien und Blumenduft. Regula Guhl erscheint mit einem Kübel riesiger, sahneweisser Orchideen und verströmt wohltuende Ruhe. Selbst wenn man es nicht weiss, spürt man: Das ist die Herrscherin über dieses Blütenparadies.
Zwei Jahre ist es her, seit sie den Blumenladen an der Oberdorfstrasse übernommen hat. Sie hätte es sich nie träumen lassen, eines Tages das Erbe der legendären Maria Binder anzutreten. "Ich kannte sie schon als Kind und später sehr gut als Berufskollegin. Niemals hätte ich mich getraut, sie zu fragen, was sie einmal mit ihrem Laden vorhat." Das war auch nicht nötig. Denn das Leben folgt, wenn man sich nicht einmischt, manchmal einer untrüglichen Logik: Zwei Wochen nach dem Tod der Blumenfee, die gern mit ihren Pflanzen sprach, kam die Anfrage, ob sie das Geschäft übernehmen wolle.
Das Bauchgefühl gibt die Richtung vor
Regula Guhl entscheidet mit dem Bauch. Und der braucht keine Zeit für lange Überlegungen. Dennoch sagte sie erst nach zwei Tagen zu. "Es war eine Entscheidung mit einer
Tragweite, über die ich gründlich nachdenken wollte. Mein Mann musste schliesslich auch voll damit einverstanden sein."
Der Designer unterstützt seine Frau tatkräftig – bei der Gestaltung des neuen Schriftzugs sowie der behutsamen Renovation, die sie erst diesen Sommer vorgenommen haben. "Wir wollten dem Übergang zeitlich Raum geben. Das haben die Stammkunden geschätzt, denke ich", sagt sie.
Sie schätzen auch, dass Regina Guhl sie auf florale Kostbarkeiten hinweist, die ihnen sonst verborgen blieben. Etwa der unvergleichliche Geruch von Duftrosen oder die besonders schön schillernden Goldäderchen einer Erdorchidee. Sie wird nie müde, die Blumen in allen ihren Stadien zu studieren. "Ich liebe Blüten, wenn sie fast verfallen", sagt sie und freut sich schon auf die prallen, glänzenden Früchte der Hagebutte im Herbst, die so wunderbar wild an den Zweigen aufgereiht sind, auf die Äste im Winter und die ersten Maieriesli im Frühling.
Was wäre wenn...
Manchmal fragt sie sich, was für Blumen sie kaufen würde, wäre sie nicht Floristin. Aber in ihrem Leben gibt es kein Davor und Danach. Die Liebe zu den Blumen war schon immer mit ihr. Die zur Natur auch. Ihr Vater, der Schweizer Möbeldesigner Willy Guhl, baute ein Haus direkt am Rhein. Ohne Strom und Warmwasser, aber mit ganz viel Natur drumherum. "Die Eltern fanden, wir Stadtkinder sollten lernen, dass man ganz vieles aus der Stadt gar nicht braucht. Ein traumhafter Ort." Dort verbringt Regula Guhl mit Mann und Tochter noch heute alle Ferien. Dort hat sie schon als kleines Mädchen mit ihren Gspänli Leiterwagen mit Blumen geschmückt und Puppentaufen durchgeführt. Und Blüten zerstampft, um daraus Malfarbe zu machen.
Auf die Floristenlehre folgte die Meisterprüfung. Die beste Ausbildungsstätte gab’s damals in Freising bei München. Endlich hatte Regula Guhl die Musse für ausgedehnte Naturstudien. "Besonders faszinierend fand ich den Schachtelhalm mit seinen kettenartigen Gliedern. Die Farbabschnitte werden nach oben hin immer kleiner, ganz zauberhaft."
Solche Beobachtungen setzt die Blumengestalterin in ihren Arrangements um, bei denen Pflanzen und Gefäss stets eine Einheit bilden. Und weil ihr Herz in Deutschland für die japanische Blumenkunst aufging, reiste sie später nach Tokio, um bei einem berühmten Ikebana-Meister zu lernen. "Diese Monate waren ein grosses Geschenk. Ich durfte sogar bei seiner Familie wohnen."
Eine Leben voll Glück
Regula Guhl findet, dass ihr im Leben sehr viel Glück beschieden war. Sie hat sich nie vorgestellt, wohin sie ihr Beruf führen würde, sondern sich einfach auf den Weg begeben. Zuversichtlich und geduldig. Dabei hat eins zum anderen geführt. Ihr Kompass waren ihre Interessen. Dank ihnen tat sich immer ein neuer Weg auf, der ihr eine neue Entscheidung abverlangte. "Ich weiss nicht, ob die Entscheidungen immer richtig gewesen sind. Aber ich weiss, dass die Wege, die sich daraus ergaben, interessant waren." Immer ging es auf eine gute, oft überraschende Art vorwärts.
Genau das war übrigens der Lieblingsausdruck ihrer Vorgängerin Maria Binder. Wer die alte Dame nach ihrem Befinden fragte, erhielt nie "gut" oder "schlecht" zur Antwort. Sondern immer nur: "Vorwärts!" Diese Lebensweisheit hat die neue Blumenbinderin längst zu ihrer eigenen gemacht.