Karriere trotz Kind - dazu gehört mehr als nur eine gute Kita. Ob Mütter verantwortungsvolle Jobs bekommen, ist vor allem eine Frage der Unternehmenskultur. Vielen Firmen fehlt noch der Mut zum Wandel. Wenn sie ihn wagen, profitieren alle.
Wenn Eva Rothe das Gefühl hat, es sei Zeit für einen Karriereschritt, dann klopft sie bei ihrem Chef an. Ein zaghaftes Pochen ist das wohl nicht. Denn bisher bekam sie immer, was sie wollte. Seit 20 Jahren arbeitet die alleinerziehende Mutter bei einem Anbieter von Lösungen zum Fuhrparkmanagement und Flottenleasing, die meiste Zeit davon im Vertrieb.
2007 wurde die Firma von dem Finanzierungsspezialisten GE Capital übernommen. Die neue Geschäftsführung beförderte Eva Rothe zur Teamleiterin, als ihr Kleiner noch keine zwei Jahre alt war. "Ich habe nach meinem Wiedereinstieg sukzessive Stunden aufgestockt", erzählt die 41-Jährige. Bei 29 Wochenstunden angelangt, übertrug ihr der Arbeitgeber Verantwortung für rund 70 Mitarbeiter; seit 2011 führt sie mit 33 Wochenstunden die gesamte Abteilung Inside Sales. "Ganz schön mutig", kommentiert Eva Rothe und lobt damit nicht etwa sich, sondern ihren Chef für dessen Vertrauen. Dieses Erfolgsmodell steht allerdings auf einem breiteren Fundament. Es ist Ergebnis einer Unternehmenskultur. "Dass ich drei Monate nach der Geburt wieder mit acht Wochenstunden anfangen konnte, war reines Entgegenkommen meines Arbeitgebers. Von den wenigen Stunden hatte er nicht viel, aber ich blieb am Ball", sagt sie. Eva Rothe profitiert davon, dass im Büro Leistung, nicht die Arbeitszeit zähle: "Wenn ich zu einem Meeting um 17 Uhr einen Stellvertreter schicke, weil ich in die Kita muss, rümpft keiner von den Kollegen die Nase."
Building on Diversity
Die Förderung von Frauenkarrieren ist bei GE Teil des Großprojekts "Building on Diversity". Die Motive sind vor allem wirtschaftlicher Natur: "Unternehmen, die zu gleichen Teilen männlich und weiblich geführt werden, sind profitabler", weiß Patricia Offermanns, Personaldirektorin bei GE Capital Deutschland.
Ganz ähnlich der Wind, der beim Beratungs- und Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen Ernst & Young weht. "Wir wollen einen kulturellen Wandel schaffen und zeigen, dass vieles mögich ist", sagt Personalmanagerin Martina Lutz. Sie betreut das Projekt "Karriere in Teilzeit" – eine Einrichtung, die auch anderen Unternehmen gut zu Gesicht stehen würde. Denn es gilt in der Regel immer noch: Je verantwortungsvoller der Job, desto höher die Stundenzahl und wichtiger die Präsenzpflicht.
Diesen Zustand prangert der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung an. Als "Wettbewerbsnachteil bei der Karriere" wird dort explizit "das Frausein, insbesondere das Muttersein" ausgemacht. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellt großen Handlungsbedarf fest, um mehr Frauen in Führungsgremien zu bekommen.
DIW-Experten appellieren deshalb an Unternehmen, ihre Kultur "für Frauen und deren Lebenswirklichkeiten zu öffnen".
Kurzprojekte in der Elternzeit
Bei Ernst & Young, wo seit Jahren flexible Arbeitszeiten angeboten werden, wird jetzt zusätzlich ein Programm eingeführt, über das mit Mitarbeitern während einer Auszeit noch besser Kontakt gehalten werden soll. "Es geht vor allem um Kommunikation", erklärt
Monica A. Schulte Strathaus, Transaction Advisory Services Partnerin, die das Programm mitgestaltet. Wie die Anbindung der Mitarbeiter während der Abwesenheit konkret aussieht und in welcher Form sie wieder einsteigen, wird vorher individuell ausgehandelt. Abwesende können zum Beispiel in der Auszeit Kurzprojekte übernehmen. Jedem steht ein persönlicher Berater im Unternehmen zur Seite.
Weder Martina Lutz noch Monica A. Schulte Strathaus – beide zweifache Mutter! – haben ihre eigene Elternzeit und den Wiedereinstieg in Teilzeit als "Karrierebremse" erfahren. Susanne Schulte* aus München erlebte das Gegenteil. Die 42-jährige Kommunikationswissenschaftlerin hatte mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, nach einem Jahr Elternzeit mit reduzierten Stunden wieder einzusteigen. Dann gab es angeblich aufgrund von Umstrukturierungen nichts mehr für sie zu tun. Es folgten Anträge und Ablehnungen; jetzt, nach fünf Jahren, wird Schulte eine Abfindung einklagen. Sie weiß: "Durch die lange Abwesenheit haben sich meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessert." Dass viele Arbeitgeber nicht alles tun, um gute Mitarbeiter zu halten, ist Henrike von Platen unbegreiflich. "Es kostet viel mehr, neues, qualifiziertes Personal zu finden, als die eigenen Leute zu unterstützen", sagt die Präsidentin des internationalen Netzwerks Business and Professional Women (BPW Germany e. V.).
Ganz in ihrem Sinne wird beim süddeutschen Sportartikelhersteller VAUDE das Thema gehandhabt. Die Geschäftsführerin Dr. Antje von Dewitz, selbst Mutter von vier Kindern, weiß, dass sich ihre Investitionen in familienfreundliche Maßnahmen wi Teilzeitlösungen, JobSharing, Home Office und Betriebskita "unterm Strich lohnen" – weil die Frauen nach der Elternzeit schneller zurückkommen.
Die vorbildliche Bilanz: 60 Prozent der Belegschaft sind Frauen, über 50 Prozent der Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit, 35 Prozent der Führungspositionen sind weiblich besetzt. Und: Die Geburtenrate bei den VAUDEMitarbeitern ist dreimal höher als der Bundesdurchschnitt.
Es ist der zunehmende Fachkräftemangel, der von Unternehmen Kreativität fordert. "Wir wollen als familienfreundliches und damit attraktives Unternehmen wahrgenommen werden, sagt Patricia Offermanns über GE. Flexible Arbeitszeitmodelle seien dafür zu wenig. Deshalb hat GE Capital als neuesten Baustein des "Building on Diversity" Projektes zusammen mit BPW Germany eine Seminarreihe ins Leben gerufen, die sich explizit an externe Interessentinnen richtet (siehe nächste Seite unten).
Ziel: Frauen zu unterstützen, beides zu realisieren: Kinder und Karriere. Denn "immer noch verzichten zu viele auf einen dieser Bereiche, um den anderen verwirklichen zu können", sagt Patricia Offermanns. Mit Themen wie Selbstpräsentation oder Zeitmanagement geht es vor allem um die nötigen Soft Skills für den Wiedereinstieg. Schließlich sollte, wer an der Tür einer Personalabteilung klopft, überzeugend rüberkommen.
Reden Sie Klartext
Natürlich müssen Arbeitgeber umdenken, aber Mitarbeiterinnen auch! Denn Karrierechancen muss man selbst ergreifen, sagt Katrin Seifarth, Coach und Buchautorin ("Aus den Hemmschuhen in die Stöckelschuhe. Das Selbst-Coaching-Buch für zufriedene Mütter").
Sechs gute Vorschläge
1. Mütter denken oft, Karriere und Kinder schließen sich aus. Sie fürchten, niemandem mehr gerecht zu werden – ein Trugschluss! Formulieren Sie für jeden Lebensbereich klare Ziele und unterlassen Sie alles, was nicht zu deren Erfüllung beiträgt. Werfen Sie Kleinkram über den Haufen, nicht ganze Lebensbereiche.
2. Häufig begrenzen wir uns durch Glaubenssätze, die uns Schein-Gründe liefern, warum Dingebnicht gehen. Ersetzen Sie "Ich kann nicht", "Ich muss", "Ich darf nicht" durch "Ich bin", "Ich will", "Ich werde". Fokussieren Sie auf das, was geht.
3. Konzentrieren Sie sich nicht zu sehr auf Arbeitszeitmodelle. Für den Arbeitgeber zählt, dass Sie den Job inhaltlich stemmen. Überlegen Sie lieber, welche Aufgaben Ihnen am besten liege würden. Der Rest findet sich später.
4. Kommunizieren Sie klar Ihre Vorstellungen gegenüber Ihrem Vorgesetzten. Wenn Sie die Beförderung wollen, treten Sie selbstbewusst auf, als hätten Sie den Chefsessel schon unter sich. Nur wenn Sie sagen, was Sie wollen bzw. erwarten, haben Sie eine realistische Chance, dies auch zu bekommen.
5. Machen Sie sich von dem Gedanken frei, Kollegen ohne Kinder könnten den Job besser als Sie. Lernen Sie in puncto Selbstvertrauen von Ihren männlichen Kollegen. Bei einer Stellenausschreibung mit zehn Anforderungen bewerben sich Männer, wenn sie fünf Kriterien erfüllen. Frauen zögern noch, wenn sie nur einen Punkt nicht zu 100 Prozent beherrschen.
6. Nutzen Sie die Elternzeit, um beruflich und persönlich am Ball zu bleiben. Pflegen Sie aktiv den Kontakt zum Unternehmen, entwickeln Sie Ihre Persönlichkeit. So kommen Sie gestärkt zurück und trotzen jedem Zweifler.
Karriere-Wege für Frauen
Unter dem Motto Beruf – Kinder – Karriere – ErfolgReich leben! startete GE Capital und BPW Germany im November 2012 eine Seminarreihe für Frauen. Die Wochenend-Workshops behandelten unter anderem die Themen: Zielfindung, selbstbewusste Kommunikation und selbstbewusstes Auftreten, Zeitmanagement, Einbeziehung des familiären Umfelds, Arbeitsmodelle zur beruflichen Veränderung in Familienzeiten, Umgang mit Veränderungen und das Thema erfolgreiche Gehaltsverhandlungen.
Auch 2014 finden wieder Seminare statt. Acht Termine mit denselben Inhalten erwarten Interessierte in unterschiedlichen Städten. Weitere Details, den genauen Veranstaltungsort mit Uhrzeiten und die Möglichkeit der Anmeldung finden Sie online unter www.bpw-germany.de/buildingondiversity