Mirjam Fischer, 43, hat in Bern Kunst- und Architekturgeschichte sowie neuere deutsche Literatur studiert. Von 1998 bis 2007 war sie beim BAK für den Wettbewerb "Die schönsten Schweizer Bücher" verantwortlich. Heute ist sie Verlagsleiterin bei der Edition Patrick Frey.
"Bibliotheken haben bei mir als Kind, das Lesefieber entzündet, heute stille ich meinen Lesehunger in Buchhandlungen. Ich lese nach wie vor leidenschaftlich Bücher aus Papier. Nebst Fiktion neuerdings auch Biografien und Sachbücher. Eine zu lange Bücherabstinenz macht mich übellaunig, um nicht zu sagen unglücklich. Das wissen, dass man nie alles lesen kann, macht mich hingegen nicht besonders traurig – im Gegenteil es hat etwas Beruhigendes. Deshalb ist es geradezu obligatorisch, zu viel Ferienlektüre im Reisegepäck zu haben. Was gibt es Schöneres, als all das (nie vollends Einzulösende) Lesevorhaben neben der Sonnenmilch auszupacken? Bücher haben ja zum Glück kein Ablaufdatum, sie werden nicht plötzlich sauer wie die Milch."
Das Gleichgewicht der Welt - Rohinton Mistry (Fischer)
Auf wundersame Weise verweben sich die ergreifenden Lebensgeschichten von vier Menschen aus verschiedenen Kasten. Kritisch und schonungslos spinnt der Kanadier Rohinton Mistry, der in Mumbai zur Welt kam, seine Geschichte von den Zeiten der Staatsgründung Indiens bis zu den Jahren des Ausnahmezustand unter Indira Ghandi. Bei aller Unsentimentalität strotzen die mehr als 800 Seiten von menschlicher Lebenskraft und Liebe.
Der Schwimmer - Zsuzsa Bánk (Fischer)
Eine Mutter verlässt ohne Ankündigung ihren Mann und die beiden Kinder, um 1956 nach dem gescheiterten Volksaufstand in Ungarn im Westen eine bessere Zukunft zu finden. Fortan zieht der Vater mit Tochter und Sohn ohne festen Wohnsitz durchs Land. Von der Einsamkeit, der Sprachlosigkeit und den wenigen Momenten inniger Verbundenheit erfahren wir aus der Perspektive des Mädchens. Ein selten traurig schönes Buch in einer kraftvoll poetischen Sprache.
Der Hase mit den Bernsteinaugen - Edmund de Waal (Zsolnay)
Der Autor ist eigentlich als Keramikkünstler bekannt. Als er eine exquisite Netsukesammlung erbt, japanische Miniaturschnitzereien, erkundet er auf der Spur dieser Figuren die Geschichte seiner Familie, der jüdischen Bankiersfamilie Ephrussi. Sie führt ihn ins paris der Belle Epoque über das Wien in der Zeit des ersten Weltkriegs und schliesslich nach Tokio und London. Eine grossartige Mischung aus Familien und Zeitgeschichte und ein erstklassiges Lesevergnügen.
Die Eleganz des Igels - Muriel Barbery (dtv)
Renée ist Concierge in einem Pariser Mietshaus und will einfach ihre Ruhe haben, um ungestört ihrer Leidenschaft für philosophische und politische Schriften nachzugehen. Im Haus wohnt Paloma, hoch begabt und von ihren reichen eltern vernachlässigt. Sie beschliesst, an ihrem 13. Geburtstag zu sterben. Dann zieht ein japanischer Geschäftsmann ein und alles kommt ganz anders. Hochphilosophisch, enigmatisch und dabei äusserst anmutig geschrieben.
Library of Sculpture - Vaclav Pozarek (Scheidegger & Spiess)
Der Berner Künstler Vaclav Pozarek wirft einen eigenwilligen Blick auf die Skulpturengeschichte von der Antike bis in die Gegenwart. Dafür hat er 61 Köpfe ausgewählt. Wir erhalten einen feinsten Einblick in sein Bildarchiv, das nebst Fotografien auch Bücher und Postkarten birgt, und lassen uns von seinem ernsthaften und doch leichtfüssigen Interesse an Archiven und Sammlungen anstecken. Ein wunderschöner und inspirierender Bildband.