Anna Stothard kam 1983 in London zur Welt, wuchs in Washington, Peking und New York auf. Nach dem Abschluss in Englischer Literatur in Oxford bekam sie ein Stipendium des American Film Institute in Los Angeles, wo sie zwei Jahre Drehbuch studierte. Sie lebt heute in London. Soeben ist ihr Roman "Die Kunst, Schluss zu machen" bei Diogenes erschienen.
"Ich begann zu lesen, damit ich nicht mit anderen Kindern spielen musste. Denn niemand – so entdeckte ich – verlangte von mir, nach draussen zu gehen und mich mit den anderen anzufreunden, solange meine Nase in "Wuthering Heights" oder "Lord of the Flies" steckte. Ich habe es schon immer geliebt, in eine andere Haut zu schlüpfen – jene Empathie, die einem ein guter Roman abverlangt. Und es kostete mich eine ganze Weile, um zu merken, dass echte zwischenmenschliche Begegnungen genauso erfüllend sein können wie fiktive. Obwohl, so ganz sicher bin ich mir darüber noch nicht."
Alle Küsschen! (Rororo)
Als ich das Buch entdeckte, war ich elf und erwartete so etwas wie "Charlie and the Chocolate Factory". Stattdessen stolperte ich in eine Welt von Aufzugschachtgräbern und Schlachthäusern. Ich erinnere mich, wie ich mit schweissnassen Fingern das kreideweisse Papier umblätterte. Ich hole das Buch hervor, wenn ich mich vom dunklen Glitzern menschlicher Vorstellungskraft in den Bann ziehen lassen möchte.
Das Ende einer Affäre (dtv)
"Liebe war zu einer Liebesaffäre mit einem Anfang und einem Ende geworden", sagt Greenes Erzähler. Es ist wohl mein liebstes Buch überhaupt und immer anders, wenn ich es lese: eine Liebesgeschichte, eine Erkundung von Vertrauen und Abschied – stets ein Roman übers Geschichten erzählen. Herzstück ist die Romanze eines Schriftstellers: eine Ode an Verstrickungen und Vergnügen, in der Leben und Fiktion verschmelzen.
Der englische Patient
Vier angeschlagene Charaktere treffen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in einer italienischen Villa aufeinan- der, schwebend zwischen Vergangenheit und Gegen- wart. Ich las das Buch mit 21 in derselben Woche zweimal. Es gibt darin eine brillante Abschiedsszene, als Katherine Laszlo erklärt, er sei nicht der Freigeist, den er vorgibt zu sein. Es war der Sommer, in dem die erste richtige Beziehung in meinem Leben geendet hatte.
Das Museum der Unschuld (Fischer)
Lesen und Schreiben ist auch eine Art des Hortens. Eine Möglichkeit, flüchtige Gefühle festzuhalten. Im "Museum der Unschuld" sammelt Kemal die Augenblicke einer gescheiterten Liebe: einen Ohrring, eine Tasse, Zigarettenstummel. Pamuks Roman beruhigt mich, dass mein Vergnügen, alte Kleiderundausländische Bierflaschendeckel aufzubewahren gar nicht so anders ist als der Wunsch, Sätze zu schreiben.
Jahrmarkt der Eitelkeit (dtv)
Meine eselsohrige Ausgabe von "Vanity Fair" ist voll mit Post-its und den Bleistiftnotizen meines 15 Jahre alten Ichs. Vom Moment an, da Becky Sharp ihr Wörterbuch aus dem Fenster ihrer Kutsche schleuderte und verkündete, dass "Rache gemein sein möge, aber natürlich", war mein Teenager-Ich verführt. Das Buch ist ein Meisterkurs in Charme und eine Warnung davor, was passieren kann, wenn Wünsche wahr werden.