Ignatius Reilly ist ein Nichtsnutz, der nur schwer seinen Lebensweg findet. Ein Buch voller Ironie, politisch inkorrekten Verallgemeinerungen und Sinnlosigkeit. Herrlich!
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von Lektorin Jennifer Cubela.
John Kennedy Tooles "Die Verschwörung der Idioten" (Klett-Cotta):
Humorbegabte Autoren wie John Kennedy Toole sind rar. Umso tragischer ist, dass er für sein Buch, das er mit 25 Jahren schrieb, jahrelang keinen Verleger fand und Suizid beging. Als der Schelmenroman 1980 schließlich doch erschien, erhielt er posthum den Pulitzer-Preis, wurde in 18 Sprachen übersetzt und zum Beststeller.
Hässlicher Nichtsnutz
Ignatius Reilly ist wahrscheinlich der hässlichste Nichtsnutz der Literaturgeschichte. Mit 30 Jahren wohnt er immer noch bei seiner narzistischen Mutter, guckt den ganzen Tag Fernsehen oder verschanzt sich in seinem muffigen Zimmer und schreibt wirre Abhandlungen. Er lebt in einer Epoche, die er hasst und in der er "nur unter Zwang funktioniert". Doch als seine Mutter betrunken einen Unfall verursacht, muss er sich einen Job suchen, um die Schulden zu begleichen.
Der Protagonist ist ein Selbstsaboteur und Hypochonder, dem ständig etwas zustößt. Er verliert zwei Anstellungen nach kurzer Zeit wieder, und auch sein Kreuzzug für "gute Sitten und Geschmack", der von ihm angezettelte "Mohren-Aufstand", sowie die "schwule Weltrevolution" scheitern. Kurz bevor er als unzurechnungsfähig in die Psychiatrie eingewiesen wird, rettet seine ehemalige Freundin und gleichzeitig größte Gegenspielerin Myrna ihn. Ignatius löst sich von seinen "ödipalen Fesseln" und geht nach New York.
Sinn? Identifikation? Keine Spur.
So unsympathisch der Antiheld ist – seine Sicht auf die Welt ist lustig, weise, vital und originell. Der großartige Roman wimmelt nur so vor überzogenen Charakteren, von denen keiner Identifikationspotential birgt. Wer eine bestimmte Botschaft oder einen sinnvollen Lebens- und Romanaufbau erwartet, wird von diesem Werk mit Sicherheit enttäuscht. Aber wann verfolgt Belletristik schon einen unmittelbaren Zweck?
Schwarze, Juden, Schwule
Natürlich ist das Buch auch politisch inkorrekt – Schwarze, Juden, Schwule bekommen alle ihr Fett weg – das muss man vorher wissen. Aber man kann es dem Autor nicht verübeln, denn die Verallgemeinerungen und Karikaturen sind gespickt mit einer großen Portion Ironie.
Die hervorragende Neuübersetzung, die das Buch leichter lesbar macht, und das Nachwort von Alex Capus, werden den Ruhm des Klassikers sicher noch mehren!
Dieses Buch können Sie hier bestellen:
Die Verschwörung der Idioten
Jennifer Cubela, 35, arbeitet als freie Lektorin und hat am Unabhängigkeitstag die "Sprachstube" gegründet. Hier entstehen Gutachten, Hörbuchadaptionen und Filmhörspiele, Rezensionen, Berichte für Fach- und Publikumsmedien sowie Booklet- und Vorschautexte. Aktuell gehört sie zum Organisationsteam des Mentoring-Programms der Hamburger BücherFrauen.
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"