Katharina Geiser erzählt vom Einmarsch der Deutschen auf der Insel Jersey und begleitet ein Künstlerinnenpaar durch ihr Leben zwischen Widerstandsaktionen, Folter und Gnade.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von Verlegerin Britta Jürgs.
Katharina Geisers "Diese Gezeiten" (Jung und Jung):
Ein beeindruckender Roman, der sich einem wenig bekannten Kapitel der Geschichte widmet: dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht auf der Insel Jersey im Sommer 1940. Und die Geschichte eines Künstlerinnenpaares aus dem Umkreis des Surrealismus, das 1937 Paris verlässt, um sich auf der Kanalinsel niederzulassen: die aus einer französisch-jüdischen Intellektuellenfamilie stammende Schriftstellerin und Fotografin Lucy Schwob alias Claude Cahun sowie die Zeichnerin und Grafikerin Suzanne Malherbe alias Marcel Moore, deren Stiefschwester und Lebensgefährtin.
Subversiver Widerstand
Seit ihrem Umzug auf Jersey sind die beiden nur als Lucy Schwob und Suzanne Malherbe bekannt. Das Eintreffen einer Postkarte an eine gewisse Claude Cahun gibt einen der wenigen Hinweise im Buch auf das Pseudonym der Frau, die mit ihren ungewöhnlichen fotografischen Selbstporträts – darunter einige mit rasiertem Schädel – die Geschlechterzuweisungen in Frage stellt. Sofort nach der Besetzung der Insel durch die Deutschen beginnen Lucy und Suzanne ihre künstlerisch-subversiven Widerstandsaktionen, wofür Lucy gerne das von ihr geliebte Medium der Fotomontage benutzt. Einen Fotoausschnitt mit verschmutzten Beinen und Schuhen im Gleichschritt marschierender Soldaten versehen sie mit dem Spruch "Lieber Dreck und Drill als Glanz und Gloria", rahmen das Bild, schmuggeln es in ein von Soldaten bewohntes Haus und hängen es dort auf. Die Frauen fertigen Flugblätter, die zur Fahnenflucht aufrufen, und signieren als "Der Soldat ohne Namen" oder bringen schwarze Kreuze mit der Inschrift "Für sie ist der Krieg zu Ende" auf neuen Kriegsgräbern an.
Zum Tode verurteilt
Im Juli 1944 werden sie denunziert, verhaftet und ins Gefängnis auf der Insel. Sie werden verhört, frieren, sind hungrig, einsam, krank, erleben Terror, Deportationen, Hinrichtungen und Momente der Menschlichkeit bei ihren Wärtern. Sie werden zum Tode verurteilt, kurz vor der Kapitulation begnadigt – und schließlich befreit. Bewegend, berührend, besonders!
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Diese Gezeiten: Roman
Britta Jürgs, 47, hat Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte studiert und gründete 1997 den AvivA Verlag. Sie hat zwei Kinder, lebt in Berlin, ist Herausgeberin von Büchern zu Frauen in der Kunst- und Literaturgeschichte, Redakteurin der Zeitschrift VIRGINIA und langjährige engagierte BücherFrau. 2011 wurde sie als "BücherFrau des Jahres" ausgezeichnet.
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"