Der junge orthodoxe Jude Mordechai Wolkenbruch, kurz Motti, lebt in Zürich. Und er hat ein Problem: Seine Mutter torpediert ihn mit Hochzeitskandidatinnen. Leider könnten die kaum uninteressanter sein.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von Iris Homann (35), Belletristik-Lektorin im Rowohlt Verlag und freie Übersetzerin aus dem Englischen ins Deutsche.
Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse
Viel spannender als alle von seiner Mutter ausgewählten Hochzeitskandidatinnen findet Mordechai Wolkenbruch - kurz "Motti" - seine adrette Mitstudentin Laura. Doch die ist eine schikse, würde Mottis Familie sagen, keine Jüdin, und daher inakzeptabel. Je mehr er Laura bewundert, desto rascher wächst Mottis Zweifel, ob er weiter auf den von seiner mame vorgezeichneten Wegen wandeln will. Aber ist Lauras Welt die richtige für ihn?
Jüdische Literatur sei traurig und lustig, erklärt ein Buchhändler dem Protagonisten. Das gilt wohl auch für diesen Roman. In bester Woody-Allen-Manier lässt Thomas Meyer seinen Antihelden an der Welt zweifeln und schickt ihn zur Lösung seiner Probleme sogar bis nach Tel Aviv. Großartige Figuren begleiten Motti bei seiner Suche nach sich selbst. So etwa sein Vater, der tate, in dessen Versicherungsbüro Motti arbeitet, und der mithilfe seines Mottos "Man weiß ja nie!" die Kunden zu allen möglichen Abschlüssen drängt. Mit Michèle, die von ihrer mame ähnlich in die Zange genommen wird, kann er sich eine Zeitlang verbünden. Und Laura sowie ihre Freunde haben es faustdick hinter den Ohren.
Thomas Meyer scheint mit leichter Feder eine simple Geschichte zu erzählen. Doch immer wieder blitzt böser, entlarvender, aber nie gehässiger Humor durch die Zeilen. In seiner naiven Art stellt Motti einfache Fragen und trifft damit nur allzu oft ins Schwarze. Besonders faszinierend: Durchgehend berichtet der Ich-Erzähler in jiddischem Dialekt, was den Roman durchaus zu einem literarischen Ereignis werden lässt.
"Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse" ist ein kluger Roman über Traditionen, Werte und die Reise ins Ungewisse. Zu Recht wurde er für den Schweizer Buchpreis 2012 nominiert.
Iris Homann (35) ist Belletristik-Lektorin im Rowohlt Verlag, außerdem arbeitet sie als freie Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen ins Deutsche. Die Buchbranche kennt sie aus vielen Perspektiven. Erst volontierte sie im Hörbuch-Bereich, von dort wechselte sie in literarische Agenturen in New York und Hamburg, bevor sie Taschenbuch-Lektorin wurde. Immer geblieben ist jedoch die Begeisterung für eine packende Geschichte. Sie ist Mitglied im Netzwerk der Bücherfrauen (www.buecherfrauen.de).
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"