Wenn eine Liebe scheitert bleibt beides, Verlust und Gewinn: Die Enttäuschung über das Ende einer schönen Zeit, aber auch die Erinnerungen an all die Momente, die man geteilt hat.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der freien Lektorin, Katja Rasmus.
Julia Schoch: "Selbstporträt mit Bonaparte" (Piper):
Das Nachsinnen einer Liebe, deren Fixpunkt die rotierende Roulettekugel, deren Kulisse das Kasino ist. Julia Schochs betörend melancholische Liebesgeschichte kreist ums Fortsein und nimmt das endgültige Verschwinden des Geliebten zum Ausgangspunkt einer Spurensuche.
Die namenlos bleibende Erzählerin schreibt ihre Erinnerungen nieder und wird auch sich selbst erst fassbar im Festhalten der Zweisamkeit, die sich vor allem im Kasino abspielte. Brückenschläge in ihr Alltagsleben braucht es wenige für dieses Selbstporträt. Er Historiker, sie Autorin, viel mehr erfahren wir nicht. Wirklich da sein gelingt der Erzählerin nur im Lieben und in der "gänzlich anderen Welt" des Roulettes. Das Leben jenseits davon wirkt seltsam verschwommen und bedeutungslos. So wie auch der Geliebte gesichtslos bleibt, schemenhaft wie der Gipskopf des jungen Napoleon in seiner Wohnung. Statt plastischer Erlebnisse verknüpfen die aufgenommenen Erinnerungsfäden Augenblicke des Auslassens und Verschweigens, Momente von Vergeblichkeit, Warten und Verlust.
In dieser Geschichte, die so sehr außerhalb der Alltagswelt erzählt wird, gibt es dennoch konkrete Hinweise auf die Stadt, in der sie spielt. Die Stadt "Pe" ist unschwer als Potsdam zu dechiffrieren, dessen historischer Wiederaufbau - das Rückgängigmachen der einstigen Auslöschung durch Krieg und Kommunismus - als schmerzhafte "neuerliche Auslöschung", als Untergang des Vertrauten, als Nichtigmachen des früheren Lebens erfahren wird. "Als hätte Bonapartes und mein Leben hier niemals stattgefunden oder höchstens als eine Art Irrtum oder lächerliches Intermezzo, verschwand die Stadt, wie wir sie gekannt hatten." Auch die Vergangenheit ist vergeblich.
Ungeachtet der 668 verbrieften Besuche im Kasino von Pe: Die Geschichte einer Spielsucht ist es nicht. Eher die Sehnsucht nach einer raum- und zeitlosen Rückzugswelt, in der es, unabhängig von Gewinn und Verlust, gerade nicht um das Verlorensein geht.
Katja Rasmus, 37, arbeitet als Lektorin, studierte in Hannover Literaturwissenschaft und Sozialpsychologie und hat in Tschechien, Bosnien-Herzegowina und der Slowakei gearbeitet. Sie ist Mitglied im VFLL (Verband der freien Lektoren und Lektorinnen) und im Netzwerk der Bücherfrauen (www.buecherfrauen.de).
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"