An dem Tag, an dem ihre Zwillinge ausziehen, legt sich die fünfzigjährige Eva Biber ins Bett – und beschließt fortan, nicht mehr aufzustehen. Ihr Ehemann, ihre Mutter und andere Familienmitglieder halten das zunächst für eine Schrulle, die bald vorübergehen wird.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von Heike Carstensen, 54, Lektorin in einem Psychologie-Verlag
Sue Townsend: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb
An dem Tag, an dem ihre Zwillinge ausziehen, legt sich die fünfzigjährige Eva Biber ins Bett – und beschließt fortan, nicht mehr aufzustehen. Ihr Ehemann, ihre Mutter und andere Familienmitglieder halten das zunächst für eine Schrulle, die bald vorübergehen wird. Aber Eva steht nicht mehr auf. Endlich, nach all den Jahren des Da-Seins für andere, will sie Zeit und Raum für sich selbst. Sie muss nachdenken, lange und intensiv.
Während ihre Familie alles daran setzt, Eva zum Aufstehen zu bewegen, zeigt diese sich äußerst resistent. Sie erklärt das eheliche Schlafzimmer zu ihrem eigenen Reich, aus dem sie, bis auf das Bett, alle Möbel entfernen lässt. Wände und Fußboden werden weiß gestrichen und in diesem leeren Raum kann Eva ihr bisheriges Leben reflektieren: ihre Kindheit und Jugend mit einer egoistischen Mutter, ihre Ehe mit einem Mann, den sie nicht liebt; ihre Rolle als Mutter von hochbegabten, autistischen Zwillingen. Wo ist sie in dieser Gemengelage? Wer ist sie?
Die Nachricht, dass eine Frau im Bett liegt, verbreitet sich langsam in der Nachbarschaft. Zunehmend kommen Menschen mit ihren Problemen zu Eva, sehen in ihr eine Art Heilige. Schließlich kampieren einige unentwegte Anhänger sogar vor ihrem Haus und das Alltagsleben im Hause Biber gerät zunehmend aus den Fugen.
Seit den Tagebüchern des Adrian Mole ist Sue Townsend auch im deutschen Sprachraum als Expertin für die Skurrilität des Alltags bekannt. Die Geschichte von Eva Biber erinnert mich ein wenig an die des Harold Fry, auch wenn Letzterer seine Flucht aus dem Dasein wandernd betreibt, wohingegen Eva einen extrem eremitischen Weg wählt. Bei aller Übertreibung und Komik regt das Buch auch zum Nachdenken an, ganz im Sinne von Eva, die ja auch nachdenken will: lange und intensiv.
Heike Carstensen (54) studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte. Während ihres Studiums verbrachte sie ein Jahr in England und nicht zuletzt aus dieser Zeit rührt auch ihre Begeisterung für Literatur von der Insel. Welch Wunder also, dass die von ihr zur Rezension ausgewählten Bücher allesamt von englischen Autorinnen und Autoren stammen. Ihr beruflicher Weg begann im Buchhandel und führte sie schließlich ins Lektorat des Junfermann Verlages. Seit 2000 ist sie BücherFrau und begeisterte Leserin.
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"