Unsere Kolumnistin Bettina Röhl ist für Atomkraft – und steht damit ziemlich allein da. Über ein neues Tabu.
Vor Kurzem saß ich mit Bekannten in einer Kneipe. Es war ein schöner, interessanter Abend. Bis das Gespräch auf Fukushima kam, da entgleiste die Diskussion. Was war passiert? Ich hatte gesagt, dass der deutsche Atomausstieg, den Merkel forciert hat, überstürzt sein könnte, dass es vielleicht doch ein paar Argumente für die Erhaltung der Atomkraft geben könnte. Das reichte. Die Stimmung am Tisch schlug schlagartig um. Und das junge Paar, mit dem ich mich so nett unterhalten hatte, guckte mich geradezu feindselig an. Ganz schön schwer in Deutschland über Atomenergie zu diskutieren.
80 Prozent der Deutschen sind gegen Atomenergie. Am Stromverbrauch hat sich deshalb allerdings so gu wie nichts geändert. Auch mein eher konservativ auftretender Zahnarzt, Mitte vierzig, erzählte mir vor ein paar Wochen fröhlich, dass er früher mit langen Haaren und Anti-Atomkraft-Plakette rumgelaufen sei. Nach Fukushima stellten viele meiner Bekannten die gelben "Atomkraft? Nein, danke"-Buttons neben ihr Facebook-Foto. Ist das nicht vielleicht zu kurz gedacht? Welche Entscheidungen treffen wir, wenn unsere Grundversorgung mit Strom in Gefahr ist? Und warum ist jede Diskussion über das Thema so schwierig? Wer heute zu bedenken gibt, dass Kohlekraftwerke die eigentlichen Klimaerwärmer sind und meist mehr Radioaktivität in ihrer Umgebung ausstoßen als Atomkraftwerke, ist sofort ein Spielverderber.
Atomkraft ist eigentlich sauber und klimaschonend
So ging es mir an diesem Abend in der Kneipe. Ich hatte angedeutet, dass die Stromkosten explodieren werden, und dass Windkrafträder, die uns als exklusive deutsche Exportgüter angepriesen werden, bald in China und Indien viel billiger hergestellt werden können. Für Solarzellen trifft das bereits zu, was bedeutet, dass viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
Was wäre denn, wenn die Atomkraft objektiv weniger gefährlich und leichter beherrschbar wäre als bisher angenommen? Dafür könnte die weltweite Statistik der letzten 50 Jahre sprechen. Fakt ist: Atomkraft ist eigentlich sauber, klimaschonend, preiswert und kann den Grundbedarf abdecken.
Aber sie hat zwei Haken. zum einen muss die Frage gelöst werden, wie der Atommüll auf Dauer entsorgt wird. Und zum anderen ist da das Risiko eines nuklearen Unfalls. Das ist nicht auf null herunterzuschrauben - und die Folgen wären schlimm. Was nichts daran ändert, dass jeder von uns bezahlbaren Strom haben möchte, und dass die deutsche Industrie, die uns alle ernährt, nur mit günstigen Energiekosten auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig ist. Was wir brauchen, ist eine sichere Energieversorgung. Eigentlich Gründe genug, zu sagen: Schluss mit den Denkverboten! Lasst uns offen miteinander reden und gemeinsam eine Lösung finden.
Bettina Röhl trifft viele Menschen. Die Publizistin und Buchautorin ist bekannt für ihren kritischen Blick - dabei mag sie es eigentlich harmonisch.