Die Finanzwelt gilt ja oft als Haifischbecken. Wirtschaftsreferentin Dr. Sonja A. Buholzer schwimmt sogar mit echten Haien und hat sich einiges abgeschaut.
EMOTION: Sie sind passionierte Taucherin und hatten lange Angst vor Haien. Dann suchten Sie den Haiforscher Erich Ritter auf und begannen, mit den Räubern zu tauchen. Wieso?
Sonja A. Buholzer: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man sich seinen Ängsten stellen muss, wenn man wachsen will. Ob im Beruf oder privat. Dort, wo man sich am meisten fürchtet, findet man die grössten Perlen.
Wie war es, zum ersten Mal einem Hai zu begegnen?
Es war ein unbeschreibliches Aha-Erlebnis, dass diese bis zu vier Meter langen Tiere scheu sind und einem nichts tun. Dass sie genauso neugierig und vorsichtig sind wie wir. Sie strahlen eine unerhörte Eleganz aus. Mit Haien zu tauchen bedeutet, in die Vernetztheit der natur einzutauchen und etwas von ihrer in 420 Millionen Jahren gewachsenen Weisheit und Intelligenz zu erleben.
Was geschah mit der Angst?
Beim Abtauchen begegnete ich ihr am direktesten. Ich spürte mein rasendes Herz und wusste gleichzeitig, dass genau das die Haie anlockte. Es ist diese Frequenz des Ausser-sich-Seins, die sie anzieht, und nicht die "herumhängenden" Gliedmassen. Unverzüglich bemühte ich mich, so wie ich es im Vorfeld mit Erich Ritter lange geübt hatte, Gefühle, Gedanken und Puls in den Griff zu bekommen. Einen absoluten Denkstopp einzulegen. Im nu wurde ich ruhiger. Ein Schwarm Haie näherte sich, einer kam bis auf einen Meter nah. Da war keine Spur von Aggression. Ich fühlte mich inmitten der scheinbaren Gefahr sicher. Als mir der Hai in die Augen schaute, mich scannte und seinen fokussierten Blick nicht mehr von mir löste, war es um mich geschehen. Ich spürte nur noch diese unglaubliche Präsenz, diesen totalen Fokus. Es gab nur noch den Hai und mich. Meine Angst war besiegt. Ich schwebte im vollkommenen Glück des Augenblicks.
Sind Sie als neuer Mensch aufgetaucht?
Als ein viel wachsamerer. Wie nie zuvor ist mir durch diese Begegnung bewusst geworden, wie sehr wir alle von Vorurteilen gesteuert sind – gegenüber Tieren, aber auch Frauen, Männern, Titeln. Diese Vorurteile prägen unsere Realität. Dabei wären wir viel glücklicher, wenn wir weniger urteilten und mehr unsere eigene Wahrheit fühlten. Denn nur sie führt in die Freiheit. Mit den Haien zu tauchen, habe ich als Emanzipation von meinen eigenen Vorurteilen erlebt. Das macht frei. Wer ihre ungeheure Macht hautnah gespürt hat, wird vor menschlicher Autorität kaum noch erschrecken und schmunzelt darüber, wenn sich zweibeinige "Haie" Macht verschaffen wollen.
Was hat diese Befreiung für Ihr Leben bedeutet?
Ich bin gegenüber menschlichen Schwächen toleranter geworden, aber in den wesentlichen Dingen des Lebens undiplomatischer und kompromissloser. Kämpferisch war ich seit jeher. Ich glaube heute noch weniger, was ich höre, und überprüfe alles. Die Linie von meiner Wahrnehmung zu meinen Schlüssen ist sehr direkt geworden. Die Befähigung, selbst zu denken und zu handeln, ist aus meiner Sicht das höchste Privileg des Menschen.
"Freiheit im Denken, Urteilen und Handeln" ist ja auch Ihre Lebensmaxime.
Freiheit ist der höchste Anspruch – und der schwierigste. Als physische Wesen sind wir nur sehr beschränkt frei. Beim Tauchen kann man die Begrenzungen zwar etwas austricksen und sich einige Zeit schwerelos unter Wasser bewegen. Doch unsere einzige echte Freiheit ist das Denken. Wenn man es trainiert, hat man unendlich viele Möglichkeiten, die Flügel des Geistes zu erheben.
Ihr neues Buch richtet sich vor allem an Frauen. Was wollen Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Ohne Wenn und Aber das eigene Leben zu leben. Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir Frauen in der westlichen Welt die uneingeschränkte Wahl. Wir müssen sie noch lustvoller nutzen!
Dr. Sonja A. Buholzer coacht Führungskräfte. Die Wirtschaftsreferentin, die eine international tätige Unternehmensberatung führt, hat ein neues Buch geschrieben: "Die Frau im Haifischbecken. Was wir vom 'Topräuber'der Meere lernen können". Mehr: www.sonjabuholzer.ch.