"Wie ich wurde, was ich bin" – das ist die zentrale Frage der Biografiearbeit. Hier finden Sie eine Anleitung zu dieser Selbstcoaching-Methode.
Wofür ist Biografiearbeit überhaupt gut?
Bei der Biografiearbeit schaut man in seine Vergangenheit hinsichtlich: Was hat mich motiviert, worin war ich besonders erfolgreich? Man sieht aber auch, wann es nicht gut lief – und warum. Oft kristallisiert sich dabei ein roter Faden heraus, der sich durchs eigene Leben zieht. Aus dieser Rückschau kann man dann ableiten, was in der Zukunft Zufriedenheit und Erfolg bringt.
Was benötigt man dafür?
- zwei bis drei Stunden Zeit
- ein etwa drei Meter langes Stück Papier. Ideal ist Malpapier von der Rolle
- dicke Marker in drei Farben
- Wachsmalblöcke in diversen Farben
1. Legen Sie das Papier im Querformat vor sich und ziehen Sie am oberen Rand waagerecht eine lange Linie.
Das ist Ihre Lebenslinie. Starten Sie mit Ihrer Pubertät, wenn Sie mehr Zeit haben, mit Ihrer Kindheit. Legen Sie nun eine Zeitleiste an, beginnend zum Beispiel mit Ihrem 10. Lebensjahr. Unterteilen Sie die Linie in Abschnitte von etwa 50 bis 70 cm, etwa nach Lebensdekaden, also 20. Lebensjahr, 30., 40., bis zu Ihrem jetzigen Alter. Die Einteilung kann aber auch nach anderen Kriterien erfolgen. Entscheidend ist, dass sie wichtige Stationen Ihrem Leben darstellt. Lassen Sie ausreichend Platz für die Zeit, die noch vor Ihnen liegt.
2. Unterteilen Sie das ganze Blatt, ebenfalls waagerecht, in die drei Bereiche "beruflich", "privat" und "ich".
Tragen Sie nun in der Zeitleiste im Abschnitt "beruflich" mit dem ersten Marker alle wichtigen Arbeitsstationen mit einem prägnanten Stichwort ein, zum Beispiel „Studienbeginn in Heidelberg, oder "Kündigung in der Agentur". Häufig drängeln sich hier Stichworte im vorderen Bereich der Lebenslinie, dann werden Wechsel seltener. Zum biografischen Faden zählen zum Beispiel auch Schul- und Elternzeit, Ehrenamt oder Arbeitslosigkeit. Schreiben Sie berufliche Höhepunkte weit oben in diesen Abschnitt, Krisen weit unten. Wenn Sie mögen, können Sie die Stationen wie bei einer Fieberkurve miteinander verbinden. Je deutlicher Sie in Ihrer Einschätzung sind, desto einfacher wird es, verborgene Muster in Ihrer Biografie aufzudecken.
3. Jetzt haben Sie bereits Ihre berufliche Laufbahn als Orientierungspunkt. Nun widmen Sie sich dem Privaten.
Hierzu zählen Beziehungen, wichtige Freundschaften, Hochzeiten und Trennungen. Aber auch Schicksalsschläge: der Tod nahestehender Menschen, Unfälle. Außerdem Prägendes wie große Reisen, Umzüge oder Geldnot. Tragen Sie mit dem zweiten Marker alles ein, was Ihnen wichtig erscheint – und zwar zeitlich passend zugeordnet. Wenn Sie mögen, können Sie wie bei der Spalte "beruflich" Glücks- und Unglücksmomente in einer Art Fieberkurve hervorheben.
4. Das letzte und sehr wichtige Drittel liegt vor Ihnen. Nun geht es um Reflexion und Emotion: Wie ging es Ihrem Ich in den Phasen Ihres Lebens?
Betrachten Sie dafür Ihre bisher aufgezeichnete Biografie und fragen Sie sich: In welcher Phase war ich zufrieden? Was ging mir leicht von der Hand? In welchen Umfeldern fühlte ich mich wohl und zugehörig? Aber auch: Wann war ich unzufrieden, nicht erfolgreich oder fühlte mich unwohl? Welcher meiner wichtigen Werte – Gerechtigkeit, Freiheit, Sicherheit, Liebe – konnte ich in guten Zeiten ausleben? Welche Begabung hat mir geholfen? Und andersherum: Welche Werte wurden in schlechten Zeiten unterdrückt oder sogar verletzt? Welche meiner Begabungen konnte ich nicht ausleben? Wurde etwas von mir verlangt, was ich nicht gut kann? Denn unsere persönlichen Werte sind nicht zu unterschätzende Größen, sie bestimmen mit, wie wir uns fühlen. Tragen Sie mit dem dritten Marker alle Gefühle und Werte in den Abschnitt "ich" ein. Sie können dabei Stichpunkte wählen oder mit Symbolen wie Blitz, Sonne oder Träne arbeiten.
5. Geschafft! Ihr bisheriges Lebensdrehbuch liegt vor Ihnen. Stellen Sie sich davor und betrachten Sie eine Weile einfach nur das ganze Bild.
Was sehen Sie? Einen langen ruhigen Fluss oder wilde Strudel? Wie hängt Ihr Lebensfaden "beruflich" mit den anderen Fäden zusammen? Haben Sie sich zum Beispiel verliebt und dann für Ihren Partner Ort und Job gewechselt? Oder haben Sie für Ihren Traumjob Ihre Beziehung aufgegeben? Wurde Ihnen vielleicht gekündigt und dann wurden Sie krank – oder wurden Sie krank und haben daraufhin den Job verloren? Je ehrlicher Sie sich solche Fragen beantworten, desto mehr Aufschluss bekommen Sie darüber, was Sie als Persönlichkeit ausmacht und was Ihnen wirklich wichtig ist im Leben. Mit den Wachsmaltafeln können Sie nun Ihrem Drehbuch noch mehr Farbe verleihen: Eine große rote Fläche an die Stelle, wo die Liebe bestimmend war, graue Wolken, wenn es eine Weile vor allem trüb aussah.
Letzter Schritt der Rückschau: Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf schwierige Phasen, gewissermaßen den Nebel und Matsch Ihres Lebens. Was oder auch wer hat Ihnen geholfen, da herauszukommen? Schreiben Sie es ebenfalls in der Ich-Spalte auf, also "mein Humor", "mein Pragmatismus" oder auch "Mama“.
6. Und nun der Blick nach vorn: Malen Sie sich aus, was da noch kommen soll, wie Sie Ihren roten Faden weiterspinnen wollen.
Welche Begabungen können Sie dafür nutzen? Welche Werte sind Ihnen wichtig? Wo lassen sich Muster erkennen – im positiven und negativen Sinne? Ein Beispiel: Eine meiner Klientinnen, der gleich viermal hintereinander gekündigt wurde, weil sie nicht genügend Biss zeigte, entdeckte in der Biografiearbeit, dass sie in eine ganz andere Branche wechseln sollte. Eine, in der ihre Werte zählen: Gerechtigkeit und Miteinander statt Wettbewerb und Exzellenz.
Eine Variante, die noch mehr Spaß bringt:
Verabreden Sie sich für die Biografiearbeit mit einer Freundin und vergleichen Sie Ihre Lebensdrehbücher miteinander. Was lief ähnlich bei Ihnen, was ganz anders? Befragen Sie sich gegenseitig: Wo warst du aus deiner Sicht erfolgreich, wo nicht? Worauf bist du stolz? Warum hast du so gehandelt und nicht anders? Der Blick eines anderen Menschen hilft, Dinge noch einmal neu zu bewerten und ein wenig rumzuspinnen mit dem roten Faden, gerade für die Zukunft. Vielleicht sagt die Freundin: "Cool, du warst mal in Costa Rica! Wo ist deine Abenteuerlust jetzt? Willst du nicht nochmal raus und was ganz anderes erleben?"
Eine Möglichkeit, die noch tiefer geht:
Machen Sie die Biografiearbeit zusammen mit einem systemisch arbeitenden Coach. Durch professionelle Coachingfragen und -hypothesen dringen Sie noch tiefer in Ihr Inneres vor, bekommen mehr Zugang zu Ihren Motiven und Glücksfaktoren. Coaches, die mit dieser Methode arbeiten, finden Sie auf der Website der Qualitätsgemeinschaft Systemischer Management Coach, Stichwort "Coachpool", unter www.qg-smc.com
Die Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Biografiearbeit von EMOTION-Coach Andrea Huss (www.huss-businesscoach.de) finden Sie hier als Download.