Erfolg zu haben ist wunderbar. Und man will natürlich immer mehr davon. Aber oft rennen erfolgreiche Menschen immer weiter, ohne zu merken, dass sie nur noch den Schein wahren. Was hilft: Tempo raus und innehalten.
Menschen brauchen Erfolg. Menschen suchen Erfolg. Manche tun einfach alles für den Erfolg. Doch jeder definiert ihn anders. Für viele ist er eng mit der eigenen Außendarstellung verbunden: Was man hat, wer oder was man ist oder gerne sein will.
Mit größtmöglicher Anstrengung und Perfektion versuchen wir nur allzu oft, eine Fassade aufrechtzuerhalten – machen keine Fehler, schaffen alles, können alles. Wir schwärmen von unserem Job, obwohl wir ihn nur noch mit Widerwillen ausüben. Wir lassen uns vom stets lobenden Chef immer mehr Aufgaben übertragen, obwohl die Angst, diese nicht mehr bewältigen zu können, uns längst den Schlaf raubt. Wir geben uns nach außen als glückliches Paar, obwohl wir uns innerlich längst voneinander entfernt haben und der Streit den Tag dominiert.
Der Inbegriff eines solchen Erfolgs ist die Glitzerwelt von Las Vegas – der Schein von Luxus, Reichtum und Gewinn. Auch dann, wenn die Front längst bröckelt. Warum aber versuchen wir so oft, Erfolgsfassaden aufrecht zu erhalten? Und was wäre eigentlich der bessere, entspanntere Weg?
Scheitern verboten
Das Grundproblem ist ein gesellschaftliches: Scheitern ist in Deutschland immer noch ein Tabu, wir sind nur auf Erfolg und Perfektion getrimmt. Wir wollen im Job erfolgreich sein, gleichzeitig die perfekte Familie gründen und beim Sport unter den Schnellsten und Besten sein. Zugeben zu müssen, dass die Kollegin, nicht ich, befördert worden ist, dass ich beim Unternehmenssprint die schlechteste Zeit gelaufen bin oder meine Firma pleite geht, empfinden wir meist als Schande. Wir fühlen uns von der Gesellschaft gebrandmarkt, müssen uns Vorwürfe anhören wie "Ich hab dir doch von vornherein gesagt, dass das nix wird". Scheitern passt einfach nicht in unsere Vorstellungswelt, doch das ist nicht überall so.
Scheitern ist in Deutschland immer noch ein Tabu.
Benjamin Schulz, Consultant und BuchautorTweet
In den USA gehören Misserfolge dazu
Wer in den USA beispielsweise eine Idee hat, von ihr überzeugt ist und sie auf den Markt bringen will, der hört: "Hey cool, man, go for it! Try it out! Let’s see what happens!" Fällt man damit auf die Nase, gilt: Aufstehen. Krone richten. Weitermachen!
In Deutschland muss dagegen immer alles perfekt, zu 100 Prozent geprüft und am besten doppelt abgesichert sein, bevor es überhaupt losgehen kann. Ähnlich verhält es sich mit dem Erfolg. Mit allen Mitteln wird versucht, daran festzuhalten – auch dann, wenn die Zahlen stagnieren, der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist und Stück für Stück die eigene Gesundheit und Partnerschaft ruiniert wird.
Immer in Alarmbereitschaft
Erfolgreiche Menschen – auch wenn der Gipfel ihres Erfolgs längst überschritten ist – leben in ständiger Alarmbereitschaft. Werden sie angegriffen, zücken sie ihre eigenen Waffen. Sie entwickeln einen Tunnelblick, mit dem sie die Sicht auf das Wesentliche und das, was um sie herum passiert, verlieren.
Den Weitblick erlangen sie nur dann zurück, wenn sie sich öffnen. Doch das bedeutet, nicht mehr in ständiger Alarmbereitschaft zu sein. Sich öffnen heißt, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, mal nur auf sich zu hören, durchzuatmen, einen Schritt zur Seite zu gehen und die Gedanken auf sich selbst zu richten. Mit allen Sinnen "bei sich selbst zu sein". Denn erst Letzteres ermöglicht es uns, das eigene Bewusstsein zu schärfen und sich darüber klar zu werden, was uns wirklich wichtig ist, was wir wollen und wo wir hinwollen.
Tempo raus: Es geht auch entspannter!
Diesen Blick für das Wesentliche im Leben bekomme ich nicht, wenn ich im Erfolgsmodus, mit Tempo 200 auf der Autobahn, unterwegs bin. Wenn nur noch Silhouetten an mir vorbeifliegen und in jeder Millisekunde ein Hindernis auftauchen kann, das meinen persönlichen Crash bedeuten kann. Wenn ich selbst nicht dazu in der Lage bin, ist es wichtig, jemandem in meinem Umfeld die Erlaubnis zu geben, die Geschwindigkeit für mich herauszunehmen. Nur so schaffe ich es, auch mal innezuhalten und schließlich bei mir selbst anzukommen.
Benjamin Schulz ist Consultant und Buchautor. Der Unternehmer und Geschäftsführer mehrerer Firmen begleitet seit vielen Jahren einflussreiche Persönlichkeiten, Unternehmen und Institute im deutschsprachigen Raum zu den Themen Strategie, Positionierung, Identität und Marketing. Martin Sänger ist Speaker, Entertainer und Augenöffner, der das Publikum mit seiner sympathisch dreisten Art begeistert, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Seit 1997 ist er selbstständig und gründete 2001 ein Unternehmen, mit der er nationale und internationale Personalentwicklungsprojekte im Vertrieb realisiert.
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