In Zeiten von Unisex-Düften hat Francis Kurkdjian für Dior einen opulent weiblichen Duft kreiert, eine Ode an die Weiblichkeit. Wir trafen den Parfümeur in Cannes und haben mit ihm über Stereotypen, das richtige Timing und KI gesprochen.
EMOTION: Der Klassiker „J’adore“ wurde 1999 kreiert, seitdem hat sich die Welt, vor allem das Frauenbild, enorm verändert – wie passt ein ultrafemininer Duft in eine Gesellschaft, in der sich Gender-Stereotype gerade aufzulösen scheinen?
Francis Kurkdjian: Tun sie das wirklich? Die Welt wird von Stereotypen regiert. Wir haben überall Stereotype, auch bei queeren Personen. Das Einzige, was sich in den letzten 25 Jahren verändert hat, ist, dass wir selbst entscheiden dürfen, wie wir leben wollen, mit dem Wissen, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Wir haben die Freiheit, uns selbst entscheiden zu dürfen. Und auf ein Parfüm bezogen haben wir bei Dior unglaublich viele Möglichkeiten, uns frei zu entscheiden – es gibt sehr feminine, sehr maskuline aber eben auch eine ganze Kollektion an Unisex-Düften.
Was macht „L’Or de J’adore“ so besonders?
Was riechst du? Blumen! Aber kannst du diese benennen? Nein! Das macht das Herz des Duftes so besonders. Es ist eindeutig „J’adore“, aber auf eine neue, sehr moderne, opulente Weise.
Wie ist dir das gelungen?
Es ist ein bisschen wie in der Mode – man nehme Christian Diors ikonischen Blazer – ein Meisterstück, das über die Jahre von Gianfranco Ferré, Marc Jacobs, John Galliano und Maria Grazia Chiuri immer wieder neu interpretiert wurde. So ist es mit „J’adore“, auch ein Meisterwerk von Calice Becker und „L’Or de J’adore“ meine moderne Version davon.
Du wolltest schon mit 14 Parfümeur werden. Wie kam's dazu?
Eigentlich wollte ich Couturier werden – mein Großvater war Schneider, meine Mutter Näherin und ihre beste Freundin arbeitete bei Dior. In einem Magazin habe ich gelesen, dass der Job eines Parfümeurs dem des Couturiers am ähnlichsten ist. Also schrieb ich Briefe an Christian Dior, Yves Saint Laurent und Nina Ricci und hab sie gefragt, ob sie mir helfen können, Parfümeur zu werden. Ich musste dann warten, bis ich 20 war, um meine Ausbildung an der Schule für Parfümeure in Versaille zu beginnen.
Mit 25 warst du bereits sehr erfolgreich. Glaubst du, dass das einfach Glück war?
Es geht mehr ums richtige Timing als um Glück. Klar, ich hatte das Glück, in Frankreich geboren und aufgewachsen zu sein. Der Rest ist ein Mix aus Chancen, dem richtigen Timing und Wagemut. Sich etwas zu trauen und wagemutig zu sein ist sehr wichtig. Mit dem Alter verlierst du diese Fähigkeit. Dabei ist nichts selbstverständlich. Du wirst immer für deine Ziele kämpfen müssen.
Heute gehörst du zu den Besten deiner Branche. Was würdest du jungen Parfümeur:innen raten, die in deine Fußstapfen treten wollen?
Folge niemandem, gehe deinen eigenen Weg, jeder Weg ist anders. Die Welt hat sich seit meinen Anfängen sehr verändert. Wichtig ist: Arbeite fokussiert und glaube an dich. Ich komme aus einer Familie, in der niemand Parfümeur war. Wer hätte gedacht, dass ich mal für Dior arbeiten würde? Im Leben geht es darum, mutig zu sein und sich immer zu pushen. Weiterzudenken und gegen die eigene Angst zu kämpfen.
Die ersten Parfüms werden gerade von KI entwickelt – fordert dich das heraus?
Herausforderungen sehe ich niemals als etwas Schwieriges, eher als Vergnügen an – etwas, das mich antreibt. Es gehört fast ein wenig zu meiner Jobbeschreibung. KI ist KI, am Ende muss der Duft sich mit seinem Gesamtkonzept am Markt behaupten und dafür gibt es kein Erfolgsrezept. Ein Parfüm ist einfach etwas sehr Emotionales.
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