Kaum jemand scheint Freude an den Festtagen zu haben, stellt unsere Kolumnistin fest und fragt sich: Warum feiern wir sie dann überhaupt? Und warum nicht mal so, dass es uns gefällt? Sie selbst wählte eine radikale Lösung – mit überraschendem Ergebnis.
Weihnachten steht vor der Tür. Die schönste Zeit des Jahres. Das Fest der Liebe. Heller die Glocken nie klingen. Aber warum kenne ich kaum einen Menschen, der nicht froh ist, wenn „dieser ganze Stress“ endlich vorbei ist? Das Gedrängel in den Einkaufspassagen. Die laute Verwandtschaft. Das viele, fette Essen. Die ganze, aufdringliche Weihnachtsfröhlichkeit!
Festtagsmuffel, wohin mein Auge blickt. Bei den Geschenken fängt es an. Kinder? Macht keinen Spaß mehr, seit alle sich nur noch Elektronisches oder teure Markenklamotten wünschen. Freunde, Familie? Haben schon alles, und leider ist man nicht mehr klein und die Welt freut sich über schief gehäkelte Topflappen mit Zackenrand. Beim Festmenü geht’s weiter. Wer je für einen Tisch gekocht hat, an dem Veganer, Allergiker und nur vereinzelte Allesfresser saßen, der weiß, was schlechte Laune macht. Außerdem ist mir noch nie eine Gans mit knuspriger Haut gelungen.
Wer je für einen Tisch gekocht hat, an dem Veganer, Allergiker und nur vereinzelte Allesfresser saßen, der weiß, was schlechte Laune macht.
Evelyn HolstTweet
Die Frage ist doch, warum wir das alles mitmachen und nicht endlich das Weihnachten feiern, das uns gefällt. Oder es einfach ausfallen lassen (es sei denn, alte Eltern oder kleine Kinder wären sonst todtraurig). Kann uns doch keiner verbieten. Aber trotz aller „Mir geht das alles so auf die Nerven“-Meckerei, die sich bei vielen bereits im September einstellt, wenn uns die ersten Lebkuchen in den Supermarktregalen „Ich bin wieder da!“ zurufen, bleibt ein hartnäckiger Rest von, ja was? Gewohnheit, Nostalgie?, der uns eben nicht zu erlauben scheint, am 23. in die Sonne oder in den Schnee zu fliegen, um einfach Urlaub zu machen. Ein Rest, der uns zähneknirschend den letzten Weihnachtsbaum kaufen und: „Okay, wieder bei mir, aber bringt wenigstens die Getränke mit“, zur Verwandtschaft sagen lässt.
Spaß und Vergnügen geht anders. Deshalb rate ich an dieser Stelle ganz dringend zu einer Runde rigoros abgespeckter Feiertage. Kein Besuch, keine Gans, kein Geschenk, kein Baum. Stattdessen – Abflug!
Weihnachten im Bikini, das passt wie Tante Käthe in der Striptease-Bar.
Evelyn HolstTweet
Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe das vor vielen Jahren in Brasilien gemacht. Es war heiß, mein Mann und ich schwitzten am Pool, in der Hotellobby mickerte ein Plastikbäumchen mit Lichterkette, aus den Lautsprechern klang nonstop „White Christmas“, und wir fühlten uns irgendwie komisch. Fehl am Platz. Weihnachten im Bikini, das passt wie Tante Käthe in der Striptease-Bar.
Seitdem wird in meinem Haus wieder Weihnachten gefeiert, wie es sich gehört: mit Baum, mit Geschenken, mit Kirche und mit einem Festessen, bei dem meine Arterien „Noch mehr Fett und ich platze!“ ächzen. Weihnachten ist schließlich nur einmal im Jahr. Machen wir das Beste draus! Es hätte wirklich schlimmer kommen können.
Weiterlesen: Alle Artikel von Evelyn Holst
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...