"Victoria's Secret" hat einen großen Imagewandel hinter sich – die Unterwäsche-Marke will inklusiver und diverser sein. Da ist sie nicht die einzige. Doch stecken wirklich ehrliche Absichten hinter den Veränderungen bei großen Brands? Die EMOTION-Redaktion ist gespalten.
Sie galt lange als "die perfekte Frau": der "Victoria's Secret"-Engel. Egal, welches Model in die Rolle schlüpfte, sie alle hatten eins gemeinsam – einen (zumindest laut gesellschaftlichem Schönheitsideal) makellosen dünnen Körper. Die klar definierte Zielgruppe der Unterwäsche-Marke waren Frauen, die dem Schönheitsideal entsprachen. Doch in den letzten Jahren stellte sich diese Strategie als nicht mehr zeitgemäß heraus, die Verkaufszahlen sanken. Ein Imagewandel musste her.
Vier Jahre nach der letzten Modenschau ist "Victoria's Secret" nun bereit für den Relaunch. Zu den "Engeln" gehören mittlerweile unter anderem die curvy Influencerin Paloma Elsesser und die trans Models Valentina Sampaio und Emira D'Spain. Und auch die legendäre "Victoria's Secret"-Modenschau soll dieses Jahr ein Comeback feiern.
Ehrliche Absicht oder trügt der Schein?
Viele sind skeptisch, ob hinter dem Imagewandel ehrenwerte Motive stecken – oder einfach nur eine leere Marketingstrategie. Allen voran Sängerin Lizzo, die selbst eine inklusive Shapewear-Marke namens "Yitty" betreibt. Auf Twitter hinterfragt sie, ob die CEOs hinter Marken wie "Victoria's Secret" es ernst meinen oder doch nur auf Geld aus sind. "Das ist ein Gewinn für Inklusion um der Inklusion willen. Aber wenn diese Brands das nur tun, weil sie kritisiert wurden, was passiert dann, wenn die Trends sich wieder ändern?"
Nicht nur "Victoria's Secret", viele große Modemarken setzen mittlerweile auf Inklusion und Diversität. Doch bringen diese Veränderungen überhaupt etwas, wenn die Intention hinter ihnen fragwürdig ist? Zwei unserer Redakteurinnen diskutieren.
"Mir ist die Intention dahinter nicht so wichtig, wenn das Resultat ist, dass größere Größen angeboten werden"
Als kurvige Frau liebe ich die Entwicklungen der letzten Jahre in Richtung "body positivity". Endlich sieht man auch unterschiedliche Körperformen auf den Laufstegen und genau das ist es, worum es bei der Bewegung hauptsächlich geht: Repräsentation. Wir curvy girls finden auf einmal statt – sogar bei "Victoria's Secret", der exklusivsten und undiversesten Marke schlechthin. Über die Intention hinter dem plötzlichen Wandel der Unterwäsche-Brand kann gestritten werden – machen wir ja auch gerade. Aber Tatsache ist: Wir reden darüber. Damit sind wir immerhin schon weiter als noch vor 20 Jahren.
Die Veränderungen Richtung Inklusion in der Modebranche sind größtenteils oberflächlich, das ist mir bewusst. Die Höschen im deutschen "Victoria's Secret"-Shop gehen immer noch nur bis Größe XXL. Aber immer mehr andere Marken produzieren ihre Kleidung in größeren Größen. Da geht noch mehr, das ist klar, trotzdem habe ich das Gefühl, dass sich etwas tut. Für mich überwiegen die positiven Effekte der Marketingstrategien. Mir ist die scheinheilige Intention der Brands nicht so wichtig, wenn sich daraus ergibt, dass wir kurvigen Frauen mehr Auswahl beim Shoppen haben. Ich hoffe nur, dass die großen Größen nicht wieder aus den Kollektionen verschwinden, sobald der "Trend", der natürlich keiner sein sollte, vorüber ist. Aber genau deshalb ist es ja wichtig, dass wir solche Debatten wie diese hier führen.
"Wie sehr können wir Brands trauen, die Selbstzweifel jahrelang so befeuert haben?"
Unternehmen richten ihr Angebot nach dem, was Kund:innen haben wollen. So maximieren sie ihren Profit, so funktioniert Kapitalismus. Die Modebranche tickt da etwas anders. Sie versucht vorzugeben, was wir kaufen und sein wollen – das betrifft nicht nur Trends, sondern auch Schönheitsideale. Wenn ein Unternehmen also nur bestimmte Körpertypen als schön und erstrebenswert propagiert und Kleidung nur in begrenzten Größen anbietet, muss das nicht schlecht fürs Geschäft sein. Weil damit eine Art Idealbild, dem nicht alle entsprechen, entsteht und mit diesem Bild auch eine gewisse Exklusivität.
Zumindest war das lange der Fall. Jetzt sieht es so aus, als würde dieses Bild ins Wanken geraten. Aber die Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, lautet: Wie ehrlich können sich Marken, die jahrelang Schönheitsideale und Selbstzweifel befeuert haben, weil es ihnen unternehmerische Vorteile gebracht hat, jetzt wandeln? Die Antwort kann durchaus wohlwollend und versöhnlich ausfallen. Wichtig ist, dass die Frage gestellt wird – und kritische Tendenzen nicht mit dem Totschlagargument, dass jetzt ohnehin alles gut sei und die Intentionen dahinter völlig unerheblich seien, abgewimmelt werden. Denn sie spielen eine Rolle, ohne jeden Zweifel. Das werden wir spätestens dann merken, wenn die Modewelt auf den nächsten Körpertrend aufspringt – und Plus Size wieder out ist.
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