23.01.2019
Sabine Rodenbäck
Mikroplastik in Kleidung – ein Riesenproblem! Wie Kunstfasern beim Waschen unserer Umwelt schaden, welche Tricks es gibt, das zu vermeiden und wie wir dem allgegenwärtigen Polyester entkommen.
Mikroplastik in Kleidung - sie steckt fast überall drin
Lycra, Nylon, Polyacryl oder Polyester stehen auf den Etiketten unserer Kleidung. Bei jedem Waschen dieser Chemiefasern lösen sich Fasern aus den Textilien, die als winzig kleine Plastikpartikelchen – Mikroplastik genannt – in unser Abwasser gespült werden. Das Fatale: Kaum eine Jeans gelangt heute ohne einen Polyesteranteil in die Läden. Der aktuelle Plüschjackentrend tut sein übriges. Aber warum? Schuld scheint das Phänomen Fast Fashion, die Massenproduktion der Billiglabels, die wir so scheinbar nebenbei für den schnellen Euro konsumieren. Und klar: Polyester knittert kaum, trocknet schnell und lässt sich besonders günstig herstellen. Es zu umgehen, ist beim Shoppen inzwischen eine Kunst und die Recherche der verarbeiteten Materialien erfordert Zeit.
Mikroplastik – der fatale Kreislauf
In den letzten Jahren hat die Modeindustrie die Verwendung von Kunstfasern deutlich erhöht. Laut Greenpeace steckt Polyester sogar in mehr als 60% unserer Kleidung. Problem: Da sich die Fasern mit der Wäsche im Wasser lösen, wandert Mikroplastik ins Wasser, landet in den Meeren, im Grundwasser, in den Verdauungsorganen der Fische, und somit eines Tages wieder bei uns zu Hause auf dem Teller oder kommt aus dem Wasserhahn – vielfach konzentriert. Inzwischen gelangt es über die Luft auch in Lebensmittel, steckt sowieso in jedem Mineralwasser und Forscher haben längst Mikroplastik in Stuhlproben von Menschen nachgewiesen. Winzig kleine Plastikteilchen wabern durch unsere Körper: Lagern sich in unserem Gehirn ab, in unseren Organen, in der Plazenta von Schwangeren… Auch wenn die gesundheitlichen Folgen noch nicht absehbar sind, ist der Plastikwahnsinn äußerst beunruhigend.
Mikroplastik in Mode – deshalb sind die Fasern so gefährlich
Die Mikropartikel, die sich beim Waschen von Kunstfasern lösen, sind gerade einmal 12 bis 18 Mikrometer (0,012 bis 0,018 Millimeter) dick und 5 bis 8 Millimeter lang – gerade wegen ihrer geringen Größe können Waschmaschinen sie nicht aus dem Wasser filtern. Man hat herausgefunden, dass sich mit der Verwendung von Weichspülern sogar noch mehr Plastikpartikelchen aus den Kleidern lösen. Die Forschung läuft auf Hochtouren, wenn es gilt, unser Wasser von Mikroplastik frei zu filtern. Wissenschaftler untersuchen Filtersysteme von Tieren, um spezielle Anlagen nach ihrem Vorbild nachbauen zu können. Wirklich gefunden hat man aber noch keine Möglichkeit, die unglaublichen Mengen an allen Stellen zu filtern.
Das können wir gegen die Absonderung von Mikroplastik beim Waschen tun
1. Keinen Weichspüler verwenden
2. Mit niedrigeren Waschtemperaturen waschen. Polyester löst sich ab 60 Grad Celsius auf.
3. Neue Idee für die Wäschetrommel: Der "Guppyfriend", ein Waschbeutel, der das Austreten von Mikroplastik beim Waschen verhindern will. Die Berliner Alexander Nolte und Oliver Spiess haben ihn erfunden, der Waschbeutel fängt die Fasern auf, die dann einfach im Abfall entsorgt werden können.
Welche Kunstfaser ist besonders schädlich für die Umwelt?
Eine Studie der Universität Plymouth belegt, dass aus einem Polyester-Baumwoll-Mischgewebe rund 138.000 Fasern ans Wasser abgegeben werden, aus reinem Polyester etwa 496.000 Fasern und aus Acryl-Gewebe 730.000 Fasern. Es gilt also immer, bei der neuen Klamotte das Etikett zu checken, aus welchem Stoff das Teil besteht, um sich bewusst zu machen, was mit unserer Kleidung beim Waschen passiert.
Kunstfasern vermeiden oder auf recycelte Polyesterfasern achten
Wir selbst haben in der Hand, was wir kaufen. Wer Polyester meidet, geht den saubersten Weg. Fair produzierte Kleidung mit nachhaltig angebauten Naturfasern können wir in Onlineshops wie Hess Natur, Avocadostore, Greenality und Co. shoppen. Aber auch die großen Ketten haben inzwischen Produktlinien, die fair und nachhaltig produzieren, zum Beispiel die Cradle to Cradle-Collection von C&A. Cradle to Cradle meint das Prinzip, dass Produkte so hergestellt werden, dass von Beginn an ihr Ende mitgedacht wird. Das Material kann später nach Gebrauch weiterverwendet oder ohne schädlich Rückstände kompostiert werden. Große Ketten garantieren in ihren Conscious Collections, fair angebaute Ökobaumwolle zu verwenden, die schadstofffrei verarbeitet wird. Am besten trägt die Mode das Siegel GOTS. Nach GOTS, dem Global Organic Textile Standard, werden Standards wie das Verbot von Gentechnik oder von Pestiziden und anderen giftigen Chemikalien garantiert.
Recycling ist ebenfalls ein Riesenthema in der Herstellung von Stoffen. Fair-Fashion-Labels wie Bleed oder Lanius verwenden zum Beispiel 100 % recycelte Fasern von alten Fischernetzen und anderen Nylonabfällen. Auch Kleider aus recyceltem Polyester wandern verstärkt in die Shops. Immerhin ein Ansatz, Kunstfasern wiederzuverwerten – der allerdings unser Mikroplastik-Problem nicht löst.
Es sind die Reifen, nicht (nur) der Pulli und das Duschgel
Steckt denn wirklich so viel Mikroplastik in der Mode oder liegen die Hauptverursacher der Belastung an anderer Stelle? Die größten Quellen der Mikroplastik-Absonderung wurden ausgemacht:
1. Abrieb von Autoreifen
2. Freisetzung bei der Abfallentsorgung
3. Abrieb Bitumen in Asphalt (Bitumen ist ein Bestandteil von Asphalt, der aus Erdöl gewonnen wird)
4. Pelletverluste
5. Verwehungen von Sport- und Spielplätzen
6. Freisetzung auf Baustellen
7. Abrieb von Schuhsohlen
8. Abrieb von Kunststoffverpackungen
9. Abrieb von Fahrbahnmarkierungen
10. Faserabrieb bei der Textilwäsche
Die Kleidung steht an Platz 10 der Quellen für Mikroplastik-Absonderung, gehört aber dennoch zu den Faktoren, die wir am leichtesten durch bewussten Konsum selbst beeinflussen können.
Mikroplastik in Kosmetik – vermeiden durch den Check der INCI-Liste
Die viel thematisierte Mikroplastik-Absonderung durch Kosmetik liegt übrigens bei einem Anteil von 17 Prozent und kann durch unseren bewussten Verbrauch verhältnismäßig leichter gesteuert werden – wer zum Tiegel greift, sollte vorher die INCI-Liste auf die Poly-Zusätze checken, dabei helfen können Apps wie Codecheck oder Toxfox, die kritische Inhaltsstoffe kenntlich machen. Das Umweltbundesamt fordert ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetikartikeln für Deutschland, andere Länder wie Schweden haben es schon durchgesetzt. Einen Termin für ein europaweites Verbot von Mikroplastik in Kosmetik gibt es bisher noch nicht.
Video zum Thema:
Mikroplastik in Kleidung: So schwemmen wir mit jeder Wäsche Plastikpartikel in die Umwelt