Den Menschen, nicht die Herkunft sehen: Nach diesen Werten leben die Gründerinnen von Bridge&Tunnel, ein Upcycling-Label, das zugleich auch Sozialprojekt ist. Hier erklären Conny Klotz und Lotte Erhorn, was das in ihrem Alltag bedeutet.
Dieser Text ist Teil unserer Reihe SLOW-Mates. Verschiedene Blogger*innen, Influencer*innen und Coaches geben uns darin wertvolle Gedankenanstöße und Tipps zu Themen, die für ein gutes Leben wichtig sind. Wir freuen uns, dass Conny und Lotte von Bridge&Tunnel dabei sind!
Wahre Werte zählen - Talents over diploma
Bridge&Tunnel – das ist der Name unseres Fair Fashion Labels, das wir mittlerweile seit vier Jahren betreiben. In unserem Unternehmen beschäftigen wir sieben zauberhafte Menschen, die nachhaltige, faire Denimprodukte herstellen. Sie stammen aus sechs Ländern, eine Mitarbeiterin ist gehörlos. Werkstattsprache ist bei uns Deutsch, doch oft kommunizieren wir im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen. Dabei kommt uns sicherlich zugute, dass man bei der Arbeit mit Textilien viel mit Gesten erklären kann und sich persönlich gegenübersteht, statt sich über Mails auszutauschen.
Alle unsere Mitarbeiter*innen verbindet, dass sie aufgrund verschiedener Hemmnisse wie Sprache, Qualifikation oder Fluchtgeschichte keinen Job in Deutschland finden konnten, aber tolle kreative Fähigkeiten und Fertigkeiten aus ihren Heimatländern mitbringen. Nicht umsonst heißt unser Credo deshalb auch: Talents over diploma.
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Wir lieben den Blick über den Tellerrand, den unsere Mitarbeiter*innen dank ihrer unterschiedlichen kulturellen Herkunft mitbringen. Weil es ungemein erdet und den Horizont erweitert.
Vom Nähtreff zur Gründung des Labels Bridge&Tunnel
Diese vielseitige Mischung im Team war nicht bewusst geplant, sie kam im wahrsten Sinne des Wortes zu uns. Wir hatten 2015 von einem deutsch-türkischen Nähclub in Hamburg gehört, der sich einmal wöchentlich in einer Moschee zum Nähen traf. Wir haben die Frauen dann spontan eingeladen, ihren Nähtreff in unserer Werkstatt zu machen, den wir bislang als textilen Coworking-Space betrieben hatten.
Als wir den Näherinnen bei ihrer Arbeit zusahen, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Fast alle Frauen waren handwerklich wahnsinnig begabt. Gleichzeitig wurde uns klar, dass nur die wenigsten von ihnen eine Ausbildung zur Schneiderin oder Näherin absolviert hatten, sondern vielmehr seit vielen Jahren arbeitslos waren. Da wurde uns bewusst, was es überhaupt für ein großes Glück ist, Arbeit zu haben. Und wie privilegiert es ist, zu sagen, dass Arbeit nervt. Nach diesem Erweckungsmoment wollten wir zeigen, welche Talente Menschen losgelöst von Zeugnissen mitbringen. Und haben Bridge&Tunnel gegründet.
Accessoires, Taschen, Kleidung, Home Textiles und alles aus pre-loved Denimstoffen - dafür steht das Label Bridge&Tunnel von Hier kauft man zudem nicht nur schöne, preisgekrönte Produkte, sondern trägt auch dazu bei, Menschen in Arbeit zu bringen. "In unserem Team sind Menschen mit Fluchtgeschichte und viele, die lange ohne Arbeit waren, alle vereint durch einen multikulturellen Hintergrund", so Conny in unserem Interview.
Die Corona-Zeit schweißt das Team noch mehr zusammen
In unserem Team gibt es nur sehr flache Hierarchien. Das haben wir bewusst so aufgestellt, weil wir fest daran glauben, dass man am besten und motiviertesten arbeiten kann, wenn die eigene Arbeit so selbstbestimmt wie möglich ist.
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Wie sehr sich das auszahlt, zeigte uns auch die Coronazeit. Direkt nach Verkündung des Lockdowns hatten wir das Team geteilt: ein Teil ging in Heimarbeit, das andere Team arbeitete vor Ort in der Werkstatt. In unserer Textilproduktion arbeiten die Mitarbeiter*innen normalerweise sehr eng zusammen. Es ist nicht so, dass eine Person ein einzelnes Produkt näht, sondern das passiert arbeitsteilig. In Coronazeiten lief ein großer Teil der Verständigung über Whatsapp und Videotelefonie. Wir sind bis heute davon geflasht, dass auch ein Handwerksbetrieb so arbeiten kann. Und wir waren begeistert, wie reibungslos und 'normal' die neuen Abläufe funktionierten. Wie unser Produktionsteam über sich hinauswuchs und trotz der neuen und auch teilweise angsteinflößenden Zustände zu Hochtouren auflief. Echtes Teamwork eben.
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