Rebecca Gablé liefert mit ihren historischen Romanen regelmäßig Bestseller. Jetzt erschien der neue Band "Teufelskrone" ihrer berühmten Waringham-Saga. Im Interview spricht die Autorin über die Faszination für das Mittelalter und darüber, wie ihre Romane entstehen.
EMOTION: Frau Gablé, Königshäuser und Adelsfamilien sind gefeierter Erzählstoff in Büchern und Serien. Woher stammt die Faszination für das Mittelalter?
Rebecca Gablé: Es gibt mehrere Erklärungen dafür. Zum einen beklagen sehr viele, mit denen ich spreche, dass sie keinen richtigen Geschichtsunterricht hatten. Ihre Wissensdefizite wollen sie dann gerne mit einem historischen Roman ausgleichen. Zum anderen spielt aber auch Eskapismus eine wichtige Rolle. Es entsteht schnell eine Zauberwelt, in die man sich wunderbar reinflüchten kann.
Die Sehnsucht, aus unserer digitalisierten und immer komplexer werdenden Welt ausbrechen zu wollen, spielt also auch eine Rolle?
Unbedingt. Wenn man mittelalterliche Realität schildert, dann entsteht automatisch diese Welt, die aus heutiger Sicht ganz idyllisch erscheint. Es gab zum Beispiel keine Klimakatastrophe, keine Müllberge, ein geschlachtetes Tier wurde komplett verzehrt und natürlich gab es auch keine Digitalisierung, die überfordert. Es war alles so überschaubar. Das empfinden wir als sehr positiv, glaube ich. Diese Welt hatte aber auch eine dunkle, eine gefährliche Seite. Man konnte an jeder Infektion sterben und die Bauern waren der Obrigkeitswillkür ausgeliefert. Diese Gefahren bedrohen uns heute aber nicht mehr. Man kann sich ein bisschen gruseln, ohne Angst haben zu müssen, dass einen das gleiche Schicksal ereilt.
Wie gelingt es Ihnen, in Ihren Geschichten Historisches und Fiktion miteinander zu verweben? Als Leserin merkt man gar nicht, was real ist und was nicht.
Das ist gar nicht so schwierig. Selbst bei einer relativ gut dokumentierten Zeit, wie zum Beispiel dem 13. Jahrhundert in „Teufelskrone“, sind immer noch große weiße Flecken in der Historie. Man weiß gar nicht so genau: Was hat der König im Oktober 1214 konkret gemacht? Da habe ich die Freiheit, meine Fiktion reinzupflanzen.
Ihr neuer Roman "Teufelskrone" spielt historisch vor den anderen Werken der Waringham-Saga, ist also ein Prequel. Wieso springen Sie in der Zeit zurück?
Nach Königin Elizabeth I. und Mary Stewart fängt dann ja doch ernsthaft der Barock an in England und das ist so überhaupt nicht meine Zeit. Ich sage immer: "Männer in Perücken – Das geht für mich nicht." Außerdem muss es in meinem Kopf Klick machen, dann weiß ich, ich habe das richtige Thema. Das erfüllt der Barock einfach nicht.
Sie haben die Waringham-Saga 1997 gestartet, das ist mehr als zwanzig Jahre her. Eine Reihe über einen so langen Zeitraum hinweg zu entwickeln, ist sehr ungewöhnlich. Wann wissen Sie: Jetzt ist es Zeit für eine Fortsetzung?
Wenn ich selber Heimweh nach Waringham habe. Nach einem Waringham-Roman schreibe ich eigentlich immer erst etwas anderes. Irgendwann spüre ich dann aber: Jetzt muss ich unbedingt noch mal in Waringham vorbeischauen und gucken, was da so läuft.
Spüren Sie Druck von Verlegern oder Fans, eine zügigere Fortsetzung zu schreiben?
Also, ich würde es nicht Druck nennen. Ich sehe es eigentlich eher positiv. Ist doch toll, dass dieses Interesse da ist und immer wieder Nachfragen kommen.
Haben Sie denn eine Routine beim Schreiben?
Eine Routine habe ich nicht, dafür ist das Schreiben zum Glück zu abwechslungsreich. Jeder Tag ist anders. Das ist ja irgendwie auch das Fantastische an diesem Beruf. Aber ich habe schon einen relativ strukturierten Alltag. Ich stehe morgens ziemlich zeitig auf und sitze auch ziemlich zeitig am Schreibtisch. Aber nicht jeder Tag ist ein Schreibtag. An manchen Tagen recherchiere ich hauptsächlich, lese viel. Wenn ich allerdings gar keine Struktur hätte, könnte ich ein Buchprojekt niemals in zwei Jahren stemmen und mehr Zeit will ich mir damit nicht lassen.
Wie sieht denn Ihre Recherche aus? Sie können ja nicht in der Zeit zurückreisen, um Schauplätze zu besuchen.
Tatsächlich ganz klassisch: Ich fahre in meine alte Uni-Bibliothek und leihe mir Bücher aus. Teilweise kaufe ich Bücher auch. Das Wichtigste in jedem Fall: Lesen, lesen, lesen! Ich mache meine Recherche komplett selber. Mit einer Rechercheagentur zusammenzuarbeiten kommt für mich nicht in Frage. Wie das Wissen vom Kopf des Rechercheurs in meinen Kopf kommen soll – Das kann ich mir nicht so richtig vorstellen. Oft ist es auch so, dass ich beim Lesen über kleine Zuckerstückchen stolpere, die ich ganz wunderbar in meinen Roman mit einbauen kann, obwohl sie auf den ersten Blick ganz unscheinbar und unwichtig erscheinen. Die würde ich verpassen, wenn ich nicht alles selber lese.
Lassen Sie sich auch von Ihrem Alltag inspirieren oder funktioniert das für Ihre Stoffe nicht?
Wenn ich in meinem Alltag Inspiration finde, dann in der Natur. Ich laufe viel, ich gehe viel spazieren, ich fahre viel Fahrrad und ich wohne auch auf dem Land. Der Wechsel der Jahreszeiten und die Gerüche der Natur – Das kann schon mal eine Idee in mir wachrufen. Die Supermarktkasse bringt es für den Mittelalterroman allerdings nicht. Ich muss schon möglichst weit weg von der Zivilisation sein, um Ideen zu finden.
Auf Ihrer Internetseite schreiben Sie, wie „unorthodox“ das erste Buch der Waringham-Reihe, „Das Lächeln der Fortuna“, entstanden ist. Wie arbeiten Sie heute? Entwickeln Sie mittlerweile klassisch einen Plot?
Meine Arbeit ist schon planvoller geworden. Bei „Das Lächeln der Fortuna“ hatte ich nur dieses erste Kapitel im Kopf und wusste noch überhaupt nicht, wo das hinführen würde. Damals war das ja auch nur ein Hobby. Heute bin ich organisierter. Bevor ich mit dem Schreiben beginne, mache ich mir ein sehr enges Handlungsgerüst, was die Historie betrifft. Ich lege fest, welchem Zeitraum ich erzählen will und wer die historischen Hauptfiguren sein sollen. Außerdem mache ich sehr ausführliche Dossiers über meine fiktiven Charaktere, zumindest die wichtigsten. Das heißt, ich erarbeite vorher Biographie, Charakterstudie und Aussehen. Ich entscheide die wichtigsten Meilensteine der Figuren, fange dann aber auch schon bald an zu schreiben. Da bleiben große Lücken, ich lasse viel Raum für die berühmte Eigendynamik und spontane Ideen. Wenn ich zu sehr planen würde, das würde mich doch langweilen.
Gehen Sie auf Lesereise?
Nein, das schaffe ich zeitlich einfach nicht mehr. Ich möchte alle zwei Jahre ein Buch veröffentlichen. Diese zwei Jahre brauche ich einfach für Recherche und Niederschrift eines Romans. Früher war ich vielleicht noch ein bisschen schneller, da habe ich es noch geschafft, dreißig bis vierzig Lesungen im Jahr zu machen. Das haut nicht mehr hin.
Das Schreiben bestimmt also Ihren Alltag?
Genau, ein Leben ohne Romanschreiben kenne ich nicht mehr. Wobei, das klingt schon sehr hart. Wenn ich mit einem Manuskript fertig bin, mache ich in der Regel so einen Monat Pause und fahre dann in den Urlaub oder mache etwas anderes Nettes. Aber ansonsten arbeite ich fast immer. Man kann diesen Job nur machen, wenn man wirklich dafür brennt.
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